MykolajiwTausende Tiere harren im grössten Zoo der Ukraine vor Raketenangriffen aus
Der Süden des Landes ist hart umkämpft. Mittendrin befindet sich auch der Tierpark von Mykolajiw. Die Tiere – darunter auch seltene Arten – sind an Leib und Leben bedroht und können nicht weggebracht werden. Das Zoopersonal versucht sie so gut es geht zu schützen.
Darum gehts
Im Krieg ist im Museum des grössten Zoos der Ukraine ein neues Exponat hinzugekommen: Die Rakete, die am dritten Tag des russischen Angriffs im Tierpark von Mykolajiw einschlug – zwischen Eisbär- und Tigergehege. Menschen und Tiere blieben unverletzt, doch der Zoodirektor fürchtet um das Leben seiner Schützlinge. Etwa 4000 Tiere beherbergt der Zoo. Fast die Hälfte der rund 400 hier vertretenen Arten stehe auf der internationalen Roten Liste der bedrohten Arten, sagt Direktor Wolodymyr Toptschyji.
Er würde die Tiere gern in Sicherheit bringen. «Aber es gibt nicht genügend Fahrzeuge, um die Tiere zu transportieren, und die einzige Strasse in Richtung Odessa ist durch den Verkehr verstopft», sagt Toptschyji. «Ausserdem ist es immer noch sehr kalt.» Giraffen, Elefanten und Nilpferde könnten während ihres Abtransports erfrieren.
Angestellte schlafen im Zoo
Mykolajiw ist schwer umkämpft. Für Russland ist die Stadt unweit des Schwarzen Meeres strategisch wichtig, um auf dem Landweg die Hafenstadt Odessa zu erreichen. Ein Grossteil von Mykolajiws 500’000 Einwohnenden ist inzwischen geflohen.
Ebenfalls zu fliehen kommt für den Zoodirektor und seine Mitarbeitenden nicht in Frage, sie wollen die Tiere nicht im Stich lassen. Den Einsatz der rund hundert Angestellten lobt Toptschyji als «heldenhaft». Viele schlafen sogar im Zoo, um gefährliche Fahrten durch die Stadt zu vermeiden. Anfang März machte die Aktion eines Tierasyls aus Kiew Schlagzeilen, das zwölf seiner Tiere nach Polen transportieren liess.
Auch der Zoologe Viktor Dyakonow lebt jetzt mit seiner Frau, einer Tierärztin, in dem Tierpark. Während einmal mehr die Sirenen vor Luftangriffen warnen, zeigt er den Amurleoparden, «die seltenste Unterart» der Spezies. Die Raubkatze streicht nervös an den Gitterstäben des Käfigs entlang. Ob der Leopard wegen des Lärms oder wegen des ersten Besuchers seit Wochen so unruhig ist, sei schwer auszumachen, sagt Dyakonow.
«Unsere Tiere fressen und vermehren sich»
Die Angriffe bedeuten auch für die Tiere Stress. Nach der ersten schlugen noch mehrere weitere Raketen auf dem Gelände ein, nahe des Verwaltungsgebäudes und in eine Voliere. Den Mitarbeitenden zufolge handelte es sich um geächtete Streubomben, deren Füllung oft erst lange nach dem Abwurf explodiert.
Den meisten Tieren gehe es dennoch gut, sagt Tierpflegerin Olga, während sie das Flusspferdweibchen Rikky beim Schwimmen beobachtet. «Unsere Tiere fressen und vermehren sich», sagt Zoodirektor Toptschyji. Am 8. März brachte ein Leopardenweibchen inmitten heftiger Bombardements ein Junges zur Welt. «Es ist Frühling, da beginnen die Geburten.»
Seit mehr als drei Wochen ist der Zoo von Mykolajiw für Besucherinnen und Besucher geschlossen. Eintrittskarten werden dennoch weiterhin verkauft. Freunde des mehr als 120 Jahre alten Tierparks kaufen sie, um den Zoo auch in Kriegszeiten zu unterstützen.
Beschäftigt dich oder jemanden, den du kennst, der Krieg in der Ukraine?
Hier findest du Hilfe für dich und andere:
Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine (Staatssekretariat für Migration)
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Kriegsangst?, Tipps von Pro Juventute
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Anmeldung und Infos für Gastfamilien:
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tel. 031 370 75 75