Temu: Chinesische Shopping-App sorgt für irrationale Kaufentscheide

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China-Apps«Temu sorgt dafür, dass man keine rationalen Kaufentscheide trifft»

Doménic Schnoz, Gesamtleiter vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte bei Radix, sieht in Temu und anderen Shopping-Apps eine grosse Gefahr für Personen, die von Kauf- oder Spielsucht betroffen sind.

Doménic Schnoz, Gesamtleiter vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte bei Radix.
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Temu: Darum gehts

  • Die chinesische Shopping-App Temu setzt auf Billigpreise, tiefe Versandkosten und Gamification (siehe Box).

  • Doménic Schnoz, Gesamtleiter vom Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte bei Radix, sieht darin eine sehr gefährliche Kombination für Kauf- und Spielsüchtige.

  • Durch die eingesetzten Mechanismen der App würden Nutzerinnen und Nutzer keine rationalen Kaufentscheide mehr treffen.

In der chinesischen Shopping-App Temu gibt es unzählige Rabatt-Angebote und limitierte Aktionen. Wie gefährlich ist das für Personen mit Kaufsucht?

Das kann sehr problematisch sein. Nicht nur für Personen mit Kaufsucht, auch für Leute, die Mühe haben, ihre Ausgaben im Griff zu haben. Die zeitlich limitierten Rabatte und Aktionen können verheerend sein. Bei Personen mit Kaufsucht umso mehr.

Warum?

Durch Rabatt-Countdowns erzeugt die App einen zeitlichen Druck. Dieser begünstigt, dass man nicht mehr rational überlegt. Man wird zu einer Kaufentscheidung gedrängt. Daraus resultieren impulsgesteuerte Verkaufsentscheide, die nicht rational begründet sind. So kauft man Dinge, die man eigentlich gar nicht möchte.

Mit Glücksspiel können Kunden zusätzliche Rabatte freischalten. Wie beurteilen Sie diese Funktion in der App?

Das ist ein verstärkender Faktor, die App so zu nutzen, dass man über den eigenen Bedarf Geld ausgibt. Gerade für Spiel- oder Kaufsüchtige können solche Funktionen ein starker Trigger sein.

Billigpreise, tiefe Versandkosten und Glücksspiel-Elemente scheinen eine gefährliche Kombination. Wie beurteilen Sie diese Kombination?

Es ist davon auszugehen, dass die Vermischung von Gamification und Rabatten ein noch viel grösseres Suchtpotenzial birgt.

Das bedeutet Gamification

Gamification ist ein Marketing-Begriff, der vom englischen Begriff «game» abgeleitet ist. Auf Deutsch werden auch die Begriffe «Gamifizierung» oder «Spielifizierung» verwendet. Als Gamification wird die Anwendung von spieltypischen Mechanismen oder Elementen in einem grundsätzlich spielfremden Kontext bezeichnet. Damit soll im Marketing-Kontext ein spielerischer Ansatz angewendet werden, um neue Kunden zu gewinnen oder deren Motivation zu steigern.

Wie viele Personen sind in der Schweiz von Kaufsucht betroffen?

Es gibt eine neuere Studie des Schweizer Instituts für Sucht- und Gesundheitsforschung, die zeigt, dass rund fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung von Kaufsucht betroffen sind. 

Sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen Personen, die von Kauf- oder Spielsucht betroffen sind, solche Apps wie Temu, Shein oder Wish als Ursache nennen?

Für Betroffene ist bereits ein Sale-Schild oder eine Aktions-Lautsprecherdurchsage ein Trigger. Wenn sie eine App wie Temu öffnen, ist das so, als würden sie in einem Einkaufszentrum stehen, welches mit solchen Triggern überfüllt ist.

Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine Spiel-, Kauf-, Online- oder eine andere Verhaltenssucht?

Hier findest du Hilfe:

Spielen ohne Sucht, Tel. 0800 040 080

UPK Basel Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Feel-ok, Informationen für Jugendliche

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