KurskGegenoffensive läuft an: Was bleibt von Kiews Hochrisiko-Operation?
Nachdem ukrainische Truppen Teile der russischen Region Kursk eingenommen haben, deutet sich jetzt die Gegenoffensive an. Militärexperte Wolfgang Richter beurteilt die Wirkung von Kiews Ablenkungsoffensive.
Darum gehts
Die ukrainische Offensive in die russische Region Kursk sollte Moskaus Truppen aus dem Donbass weglocken. Der erhoffte Effekt blieb aber aus.
Dies stellt den Erfolg der Ablenkungsoffensive infrage.
Oberst a.D. Wolfgang Richter* vermutet, dass die Offensive vor allem dazu diente, die Moral der eigenen Truppen zu stärken – aber auch den Westen zu weiterer Unterstützung zu motivieren.
«Die ukrainischen Streitkräfte sind aus beinahe zehn Ortschaften vertrieben worden», schreibt Generalmajor Apti Alaudinow, Kommandeur der tschetschenischen Spezialeinheit Achmat, auf Telegram. Damit ist wohl der Startschuss zur russischen Gegenoffensive gefallen – obgleich unabhängige Militärexperten das nicht bestätigen können.
Sie sehen bislang nur den Vorstoss einer Kolonne gepanzerter Fahrzeuge aus der Ortschaft Korenjewo in das südlich davon gelegene Slagost. Auch das russische Verteidigungsministerium hat offiziell noch keine Rückeroberung von Ortschaften bekannt gegeben.
Das Ziel der Ukraine hinter dem Überraschungsangriff von Anfang August: Moskau sollte seine Soldaten aus der Ostukraine abziehen, um der Region Kursk zur Hilfe zu eilen. Gerade die Angriffe auf die arg bedrängte ostukrainische Stadt Pokrowsk sollten mit dem ukrainischen Entlastungsangriff abgeschwächt werden.
Erhoffte Effekte bleiben aus
Ein weiteres Ziel der Ukraine war die Schaffung eines territorialen Faustpfandes, um Russland gegenüber eine Verhandlungsmasse zu haben. Allerdings bezweifelt Oberst a.D. Wolfgang Richter auch hier den erhofften Effekt: «Putins Ziel ist die vollständige Einnahme des Gebiets Donezk. Sollte er Erfolg haben, könnten Reserven in Richtung Kursk geschickt werden, um den ukrainischen Einbruch zu bereinigen. Dann würde sich auch die Idee des Faustpfandes in Luft auflösen.»
Nur in einem letzten Punkt scheint das ukrainische Kalkül aufzugehen: Mit der Offensive habe man nicht nur bei den eigenen Truppen die Moral heben können – «auch gegenüber dem Westen hat man bewiesen, dass man noch erfolgreich angreifen kann, solange man nur entsprechend unterstützt wird», so Richter.
«Man fragt sich, ob das wirklich nötig war»
«Der Angriff könnte also eine psychologisch-politische Massnahme gewesen sein, um den Westen zu überzeugen, weiterhin Waffen zu liefern und in der Unterstützung nicht nachzulassen. Allerdings fragt man sich, ob das wirklich nötig war.»
Angesichts der vorläufigen durchwachsenen Bilanz geht Richter nicht von einem langfristigen Erfolg der ukrainischen Ablenkungsoffensive aus, im Gegenteil: Mit dem eklatanten Kräftemangel in den eigenen Reihen noch eine Nebenfront zu eröffnen, sei hochriskant gewesen. «Wenn die Donbass-Front als Folge der Kursk-Offensive nicht gehalten werden kann, wird sich die Operation am Ende als Fehlschlag erweisen.»
* Wolfgang Richter, Oberst a.D., der deutschen Bundeswehr. Er war als Fallschirmjägeroffizier tätig, später im Generalstabsdienst des deutschen Verteidigungsministeriums sowie im Nato-Hauptquartier in Mons, Belgien. Bis 2009 war er Leiter des militärischen Anteils der Ständigen Vertretung Deutschlands bei der OSZE in Wien sowie Abteilungsleiter im Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr. Richter arbeitet beim Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP) als Associate Fellow.
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