Brisante Dokumente: Russland fürchtete Kursk-Angriff seit Monaten

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Ukraine-KriegBrisante Dokumente: Russland fürchtete Kursk-Angriff seit Monaten

Dokumente, die in der von den Ukrainern eingenommene Region Kursk beschlagnahmt worden sind, geben Einblick in russische Überlegungen und Sorge um die Moral.

Ein ukrainischer Soldat in der russischen Stadt Sudscha. Offenbar befürchteten die russischen Streitkräfte Monate vor der Inkursion, dass sowas passieren könnte.
Trotzdem konnten sie den Vorstoss nicht verhindern. Beschlagnahmte Dokumente zeigen Sorge um die Ausbildung und Moral der Truppen, die die Grenze verteidigen sollten.
Aus denselben Dokumenten geht heraus, dass die russische Einheit in Kursk offenbar ein Problem mit Suiziden hatte.
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Ein ukrainischer Soldat in der russischen Stadt Sudscha. Offenbar befürchteten die russischen Streitkräfte Monate vor der Inkursion, dass sowas passieren könnte.

IMAGO/ZUMA Press Wire

Darum gehts

  • Während der Inkursion in Kursk konnten ukrainische Truppen mehrere russische Dokumente beschlagnahmen.

  • Diese teils gedruckten Befehle, teils handgeschriebenen Reporte und Notizen geben einen Einblick in russische Kriegs-Überlegungen.

  • Dabei zeigt sich: offenbar haben die Russen mit der Inkursion gerechnet. Auch gab es Überlegungen zu Ablenkungsstellungen und Sorge um Suizide.

Russland soll Monate vom Kursk-Feldzug der Ukraine, genau dieses Vorgehen befürchtet haben. Dies zeigen offenbar Dokumente, die ein ukrainisches Sonderkommando erbeuten konnte, als sie in Kursk eindrangen. Die Dokumente lagen dem britischen «Guardian» vor, der sie ausgewertet hat.

Die Dokumente bestehen demnach aus gedruckten Befehlen und handgeschriebenen Notizen. Sie äussern Bedenken über ukrainische Bewegungen und denken über eigene Ablenkungsmanöver nach. Auch wie die Moral der russischen Soldaten verbessert werden kann, wird in den Dokumenten diskutiert.

«Möglichkeit eines Durchbruchs an der Staatsgrenze»

Die «Möglichkeit eines Durchbruchs an der Staatsgrenze» wurde bereits in einem Eintrag vom 4. Januar 2024 erwähnt. Darin wurde verstärktes Training für die Verteidiger angeordnet. Schon damals war die Warnung relativ detailliert. Der Eintrag warnte vor einem Vorstoss «von der Region Sumy aus bis zu 80 km tief in russisches Gebiet, um einen viertägigen ‹Korridor› zu schaffen, bevor die wichtigsten ukrainischen Armeeeinheiten mit gepanzerten Fahrzeugen eintreffen».

Das Resultat des ukrainischen Vorstosses in die Kursk-Region: Zerstörte russische Gefährte.

Das Resultat des ukrainischen Vorstosses in die Kursk-Region: Zerstörte russische Gefährte.

IMAGO/Avalon.red

Mitte März wurde den Einheiten an der Grenze befohlen, die Verteidigungslinien zu verstärken und «zusätzliche Übungen für die Führung von Einheiten und Stützpunkten hinsichtlich der ordnungsgemässen Organisation der Verteidigungsanlagen zu organisieren».

Mitte Juni gab es dann mehr Details zu den ukrainischen Plänen. So wurden die Einheiten an der Grenze gewarnt, dass die Ukraine Sudscha unter Kontrolle bringen wollen. Zudem wurde in einem Dokument vermutet, dass eine Brücke über dem Fluss Seym zerstört werden würde, um die russischen Nachschublinien zu unterbrechen. Beides geschah dann auch genau so. Dass die russischen Truppen trotzdem nicht genügend vorbereitet seien, wurde ebenfalls im Voraus schon befürchtet. Im Dokument wird beklagt, die an der Grenze stationierten Einheiten seien «im Durchschnitt nur zu 60 bis 70 Prozent besetzt sind und hauptsächlich aus Reservisten mit schwacher Ausbildung».

Suizide wegen fehlender Moral

Auch die Moral der Soldaten in Kursk liess offenbar zu Wünschen übrig. Dies wirkte sich dann auch auf die Truppenstärke aus. «Die Analyse der aktuellen Situation in Bezug auf Suizide zeigt, dass das Problem der Soldaten, die durch Suizid sterben, nach wie vor angespannt ist», heisst es etwas verworren in einem Eintrag. Weiterhin ist von einem bestimmten Vorfall vom 20. Januar 2024 die Rede.

«Die Untersuchung des Vorfalls ergab, dass die Ursache für den Selbstmord und den Tod ein nervlicher und psychologischer Zusammenbruch war, der durch seine anhaltende Depression aufgrund seines Dienstes in der russischen Armee verursacht wurde», heisst es in dem handschriftlichen Bericht über den Vorfall.

Russische Wehrdienstleistende in Moskau.

Russische Wehrdienstleistende in Moskau.

IMAGO/SNA

Um die Moral hochzuhalten, sollen Soldaten täglich fünf bis zehn Minuten und einmal in der Woche eine Stunde lang «politischen Unterricht» erhalten, «der auf die Erhaltung und Verbesserung des politischen, moralischen und psychologischen Zustands des Personals abzielt», wird dann vorgeschlagen.

Russische Ablenkungsmanöver

In einem der Dokumente wurde über die Notwendigkeit gesprochen, Täuschungsstellungen anzulegen, um ukrainische Aufklärungsdrohnen zu verwirren. «Es sollen Modelle von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Artilleriewaffen sowie Soldatenpuppen angefertigt und regelmässig bewegt werden», heisst es in einem Befehl.

Dafür sollten auch einige wenige Soldaten zu den Köderstellungen geschickt werden, um nachts Feuer anzuzünden und mit Fackeln herumzulaufen. Auch über Funk sollten die Ablenkungsstellungen erwähnt werden, in der Hoffnung, dass die Gespräche abgefangen werden. Ob diese Pläne aber je realisiert wurden, ist nicht bestätigt. Ukrainische Drohnen-Piloten meinten auf Anfrage des Guardians, sie hätten keine Beweise für die Existenz solcher Stellungen gefunden.

Die Dokumente stammen grösstenteils von Einheiten des russischen motorisierten Schützenregiments 488, insbesondere von der zweiten Kompanie des 17.

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