Stadt Luzern«Unisex-Toiletten können für trans Kinder eine Entlastung sein»
In Luzerner Schulhäusern gibt es künftig geschlechtsneutrale Toiletten. Diese können eine Entlastung sein für jene, die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen können, sagt ein Kinder- und Jugendpsychiater. Aber die Toiletten allein lösen noch keine Probleme.
Darum gehts
Wenn in der Stadt Luzern ein Schulhaus neu gebaut oder totalsaniert wird, werden in Zukunft geschlechtsneutrale WCs und Garderoben eingerichtet. Ein Vorstoss der SP-Grossstadträtin Regula Müller wurde kürzlich im Stadtparlament überwiesen.
Beim Transgender Network Switzerland (TGNS) begrüsst man diese Bemühungen. Janna Kraus vom TGNS teilt auf Anfrage mit: «Es ist in jeder Situation wünschenswert, dass alle Menschen sicheren Zugang zu sanitären Anlagen erhalten.» Das gelte für trans Personen, nonbinäre Personen, intergeschlechtliche Personen, wie auch Cis-Menschen, die etwa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in gleichgeschlechtlichen Räumen Gewalt befürchten müssen. Auch gelte dies für Eltern, die ihre Kinder auf die Toilette begleiten, oder Personen mit Behinderung mit einer Begleitperson.
Toiletten allein lösen die Probleme nicht
Oliver Bilke-Hentsch, Chefarzt der Luzerner Kinder- und Jugendpsychiatrie (Lups), beurteilt die Bemühungen der Stadt positiv. «Das ganz normale Alltagsleben kann für trans Kinder belastend sein. Wenn diese Toiletten ihnen eine Form von Entlastung bringen, ist das wünschenswert.» Er gibt aber zu bedenken: «Die Kinder sind in den Klassen keine isolierten Wesen. Es stellt sich die Frage, ob die Toiletten überhaupt angenommen werden.»
Geschlechtsneutrale WCs allein lösen die Probleme nicht. «Es braucht vielfältige Massnahmen, um betroffenen Kindern und Jugendlichen zu helfen», so Bilke-Hentsch. Um Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien bei Fragen zur Geschlechtsidentität zu unterstützen, gibt es bei der Psychiatrie eine Fachsprechstunde Geschlechtsidentität. Diese wird immer häufiger genutzt.
Kein Einstiegsalter für Geschlechtsidentitätsstörung
«Wenn das Problem schwerwiegend ist, kann es das Kind in seiner ganzen Entwicklung hemmen. Dann ist es andauernd mit Fragen zu seiner Geschlechtsidentität beschäftigt», sagt Bilke-Hentsch weiter. Dabei gebe es kein «Einstiegsalter» für Schwierigkeiten mit der Geschlechtsidentität. «Es gibt in der Praxis zwei grosse Gruppen. Die einen stellen sich diese Fragen mit dem Eintritt in die Frühpubertät, etwa mit elf bis zwölf Jahren. Häufig merken aufmerksame Eltern aber auch schon im Alter von vier bis fünf Jahren, dass ihr Kind mit der üblichen Rollenzuteilung überfordert ist.»
«Die klinischen Fälle, die bei uns sind, sind sehr komplex. Da braucht es viel Expertise», so der Chefarzt. «Mit einem guten Konzept kann man den Kindern aber leichter helfen.» Ob es deutlich mehr Fälle von Kindern und Jugendlichen mit einer Geschlechtsidentitätsstörung gibt, sei schwierig zu sagen. Zahlen dazu gebe es nicht.
HSLU kennt Unisex-WCs bereits
Unisex-Toiletten gibt es bereits an der Hochschule Luzern. Am Departement Soziale Arbeit wurden bereits 2019 drei Toiletten explizit als All-Gender-Toiletten beschildert. Im Alltag seien die All-Gender-Toiletten kein Thema. «Sie werden benutzt wie alle anderen Toiletten auch», so HSLU-Sprecher Saverio Genzoli.
LGBTIQ: Hast du Fragen oder Probleme?
Hier findest du Hilfe:
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Du-bist-du.ch, Beratung und Information
Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen
Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Wirst du oder wird jemand, den du kennst, aufgrund der Geschlechtsidentität diskriminiert?
Hier findest du Hilfe:
Gleichstellungsbüros nach Region
Gleichstellungsgesetz.ch, Datenbank der Fälle aus Deutschschweizer Kantonen
Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann