Brians Vater nimmt Stellung«Ich durfte meinen Sohn nicht besuchen, nicht mal mit ihm telefonieren»
Brian sitzt in der Strafanstalt Pöschwies in Isolationshaft. Diese sei unmenschlich und verletze die Anti-Folter-Konvention, sagt die UNO. Der Kanton Zürich wehrt sich.
Darum gehts
Die Haftbedingungen für Brian sind laut dem UNO-Sonderberichterstatter für Folter unmenschlich.
Er intervenierte darum beim «Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten» (EDA).
«In den ersten fünf Wochen war Brian gar kein Kontakt erlaubt», sagt nun sein Vater.
Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer hat wegen des Gefangenen Brian (früher bekannt als Carlos) beim «Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten» (EDA) interveniert. Melzer forderte am 9. Juni schriftlich bessere Haftbedingungen. Brian sei in einem «unmenschlichen Haftregime», das die Anti-Folter-Konvention verletzte. Eine Isolationshaft dürfe es nur in Ausnahmefällen und maximal 15 Tage lang geben. Brian sei aber schon fast drei Jahre in Isolationshaft, sagte Melzer gegenüber «Radio SRF».
Die Strafbehörden verlegten Brian Ende Oktober 2020 in einen Spezialtrakt für gewaltbereite Häftlinge in der Strafanstalt Pöschwies, wo er schon am ersten Tag die Türe seiner Zelle demolierte. Die Zelle kostete 1,85 Millionen Franken und sollte laut der Strafanstalt eigentlich unzerstörbar sein.
«Die Schweiz verletzt die Menschenrechte»
Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte hat mittlerweile auch eine Medienmitteilung zu Brian veröffentlicht. «Die Schweiz verletzt die Menschenrechte eines jungen Mannes, der über die Hälfte seines Lebens in unterschiedlichen Institutionen verbracht hat», so die UNO. «Die Schweiz muss seine Isolationshaft sofort beenden.» Die Art und Weise, wie die Schweiz Brian behandle, verstosse klar gegen die Anti-Folter-Konvention und sei mit geltenden Menschenrechtsstandards nicht vereinbar.
Der 25-jährige Brian, der an einer Hyperaktivitätsstörung leidet, brauche eine medizinische Behandlung, und diese verwehre ihm die Schweiz. Der Umgang mit ihm verstosse gegen Mindestregeln der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen. Die UNO fordert nun, dass eine unabhängige Stelle den Fall untersucht.
Kanton Zürich wehrt sich
Die Direktion der Justiz und des Innern im Kanton Zürich ist mit der Medienmitteilung der UNO nicht einverstanden. Sie sagt, dass diese faktische Fehler enthalte. «Wir stellen fest, dass Herr Melzer Vorwürfe erhebt, ohne die Beschuldigten angehört zu haben», schreibt eine Sprecherin der Redaktion. Das widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen und sei vorverurteilend.
Aktuell laufe eine Frist, während der die Beschuldigten Gelegenheit haben, auf die Intervention durch den UN-Sonderberichterstatter zu reagieren. Das Amt «Justizvollzug und Wiedereingliederung» werde sich daran beteiligen. Dass der Inhaftierte keinen Familienbesuch empfangen dürfe, stimme so nicht. Er habe ein Anrecht darauf, seine Familie wöchentlich zu sehen oder stattdessen anderen Besuch zu empfangen. Zudem dürfe er täglich zweimal mit seiner Familie und unbeschränkt mit seinen Rechtsvertretern telefonieren. Seitdem der Inhaftierte über eine Zelle mit eigenem Spazierhof verfügt, müsse er während des Spazierens auch keine Hand- und Fussfesseln mehr tragen.
Ausserdem habe die Nationale Kommission zur Verhinderung der Folter die kritisierten Haftumstände am 19. Oktober 2018 und am 29. September 2020 vor Ort überprüft. Die Direktion der Justiz und des Innern habe die Kommission auch bereits zu einem weiteren Besuch eingeladen. Dieser soll am 2. Juli stattfinden. Die von Melzer geforderte "unabhängige Untersuchung" der Haftbedingungen sei also bereits in Planung.
Vater von Brian nimmt Stellung
20 Minuten konnte über einen Mediensprecher der Verteidiger von Brian dessen Vater kontaktieren. «In den ersten fünf Wochen war Brian gar kein Kontakt erlaubt», sagt dieser. «Wir durften ihn nicht besuchen, konnten nicht einmal telefonieren.» Die Darstellung des UNO-Sonderberichterstatters für Folter sei richtig. Brian sei seit über 900 Tagen in Isolationshaft. «Mehrere hundert Tage davon im Arrest, wo ihm der Kontakt zur Familie verboten wurde.»
Brian dürfe erst seit April ohne Hand- und Fussfesseln in den Hof. Von den Fesseln habe er nach wie vor Schmerzen und könne zeitweise kaum gehen. Und eine ärztliche Behandlung durch Spezialisten werde ihm verweigert. «Das wäre doch eigentlich das Minimum», sagt der Vater von Brian.
«Der Einwand der Justizdirektion macht keinen Sinn», sagt Rechtsanwalt und Menschenrechtsexperte Philip Stolkin. Der UNO-Sonderberichterstatter habe alle drei Staatsgewalten zur Einhaltung des Folterverbotes angehalten. «Und jetzt haben die Schweiz und auch die Zürcher Justiz die Möglichkeit zu antworten.»
Die Vorwürfe der Zürcher Justiz seien ein reines Ablenkungsmanöver, weil sie sich nicht mit den heftigen Vorwürfen der UNO beschäftigen wolle, sagt die Verteidigung von Brian gegenüber 20 Minuten. Die Justizdirektion wisse genau, was Isolationshaft sei, und dass sie einen Menschen breche. «Die Ausreden der Beamten ändern nichts daran, dass Brian gefoltert wird», so die Verteidigung.
Brian griff Gefängnispersonal an
Der Strafgefangene ist seit August 2018 im Gefängnis Pöschwies in Sicherheitshaft. Laut seinen Anwälten ist er täglich 23 Stunden in seiner Zelle. Brian habe keinen Kontakt zu anderen Gefangenen, könne seine Familie nur hinter Glas sehen und sei bei Spaziergängen gefesselt. Ihm wird vorgeworfen, das Personal im Gefängnis angegriffen und mit dem Tod bedroht zu haben, weshalb er nun auf ein rechtskräftiges Urteil wartet. Das Zürcher Obergericht werde wohl noch diese Woche ein weiteres Urteil fällen, so «Radio SRF».
Das EDA gab gegenüber dem Sender an, dazu innert 60 Tagen Stellung zu nehmen. Das Zürcher Amt für Justizvollzug und Wiedereingliederung liess verlauten, die Haftbedingungen seien weder unrechtmässig noch unverhältnismässig. Trotzdem: Die Nationale Kommission zur Verhütung von Folter werde Brian im Juli besuchen, um die Situation im Gefängnis Pöschwies genau zu untersuchen.
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