UpcyclingBerliner Design-Studio will 1 Million Kilo Textilabfälle retten
Es ist ein ambitioniertes Ziel, das sich das Start-up Rebirth Studios gesetzt hat. Gründerin Liz Valentina Thieme im Interview über das Potenzial von Upcycling in der Modeindustrie.
Darum gehts
Textilabfälle werden im Normalfall verbrannt oder landen auf Deponien. Nur ein kleiner Teil des weltweiten Textilabfalls wird recycelt.
Rebirth Studios aus Berlin will diese Textilien nutzen und wiederverwenden. Das Ziel: eine Million Kilo Textilien vor dem Abfall retten.
Gründerin Liz Valentina Thieme spricht im Interview über die Einzigartigkeit von Rebirth Studios, aktuelle Herausforderungen und die Zukunft der Modebranche.
Liz Valentina Thieme, mit Rebirth Studios willst du eine Million Kilo Textilabfälle upcyceln. Was war zuerst da: die Zahl oder die Idee?
Ich habe ursprünglich Modedesign studiert und dann auch in der Modebranche gearbeitet. Dort habe ich gesehen, wie viele Textilien und Stoffe tagtäglich weggeschmissen werden oder ungenutzt in irgendwelchen Lagern herumliegen. Ich hatte das Gefühl, dass ich vor einem richtigen Problem stehe: Einerseits ist da extrem viel Material, andererseits wird ständig mehr produziert. Die Idee des Upcyclings liegt nahe, aber um einen echten Impact zu haben, müssen wir richtig viel Kleidung und Stoffe upcyceln.
Wie willst du das möglich machen?
Das ist die Vision von Rebirth Studios: Ein Ökosystem zu bauen, in dem Upcycling skalierbar ist – also in grossem Stil möglich wird. Allein kann niemand eine Million Kilo Textilien umnutzen. Das ist nur möglich, wenn man die richtigen Leute mit den richtigen Strukturen zusammenbringt.
Wie soll dieses Upcycling-Ökosystem konkret aussehen?
Sagen wir, eine Firma kauft jährlich 5000 Bauchtaschen für die Mitarbeitenden. Diese Firma hat aber auch alte Jacken im Lager herumliegen, die niemand mehr braucht, weil sie vielleicht die falsche Farbe haben. Hier kommen wir ins Spiel: Wir sehen die ungenutzten Textilien als Ressource und machen dann innerhalb von ein paar Wochen aus den alten Jacken neue Bauchtaschen. Dafür braucht es natürlich klare Designprozesse, Schnittstellen und eine skalierbare Umsetzung.
Wenn wir bei diesem Beispiel bleiben: Müssen die Jacken aus derselben Firma kommen?
Nein. Wir arbeiten gerade daran, eine Database aus alten und ungenutzten Textilien zusammenzustellen, die wir auch anbieten können. Dann kann zum Beispiel eine Firma auf uns zukommen und 300 T-Shirts bestellen – und wir können dann sagen: Super, wir haben hier diese Stoffrollen, die wir dafür nutzen können. Perspektivisch möchten wir unser Ökosystem für skalierbares, transparentes Upcycling nicht nur für Unternehmen und Merchandise öffnen, sondern auch für Modemarken und Designer, die mit uns ihre Kollektionen, oder Teile davon, umsetzen wollen.
Woher kommen die Textilabfälle eigentlich? Oder anders gefragt: Wo fällt viel Abfall an?
In Hotels zum Beispiel. Handtücher und Bettlaken müssen regelmässig ausgetauscht werden, obwohl sie oft noch wirklich gut aussehen. Wenn wir an Textilabfall denken, dann denken wir oft an Kleidung, die niemand mehr tragen will. Aber Textilabfall entsteht oft schon vor dem Nähen: Weltweit liegen Millionen Meter Stoff herum, die niemand braucht. Auch in der Merchandise-Industrie fällt richtig viel Textilabfall an.
Kommen wir noch mal zu dieser grossen Zahl zurück: eine Million Kilo. Wie macht ihr transparent, wie viele Kilo Textilien ihr rettet?
Gerade arbeiten wir an einer Zertifizierung. Jedes unserer Produkte soll einen QR-Code erhalten. Wenn man den scannt, sieht man die Historie des Produktes und wie viele Kilo Stoff wir damit gerettet haben.
Hat Rebirth Studios internationale Vorbilder?
Es gibt viele Modelabels mit Upcycling-Konzept. Allerdings sind das oft kleinere Produktionen. Es gibt auch viele, die einzelne Aspekte abdecken: coole Plattformen, die Reststoffe sammeln, oder solche, die Designer zusammenbringen. Die sind allerdings oft auf Individualkundschaft fokussiert. Unser Fokus liegt im Business-to-Business.
Stichwort Design. Upcycling hat ja einen Beigeschmack. Wie geht Rebirth Studios damit um?
Das ist die Frage: Wie erreicht man mit einem nachhaltigen Produkt die Masse? Ich denke, es ist ein Mix aus unterschiedlichen Massnahmen. Aus kommunikativer Sicht muss man hinbekommen, dass es cool ist, ein Upcycling-Shirt zu tragen. Es braucht Sensibilisierung, aber es braucht auch einfach ein gutes Produkt zu einem guten Preis.
Was meinst du mit Sensibilisierung?
Das ist jetzt eine etwas steile Theorie, aber ich denke, viele Menschen glauben tatsächlich, dass ein T-Shirt aus der Maschine kommt. Aber die Textilindustrie fängt beim Baumwollbauern an und hört auf der Deponie auf. Jeder einzelne Schritt in dieser Kette bringt oft Leid für Natur und Menschen mit sich. Da fehlt auch viel Transparenz zu den Produkten, die wir konsumieren.
Welche Tatsache über die Modeindustrie sollten mehr Menschen kennen?
Kürzlich wurde der aktuelle «The State of Fashion»-Report von McKinsey publiziert. Darin steht, dass der Baumwollanbau stark vom Klimawandel betroffen ist. Und dass wir bald gar nicht mehr in der Lage sein werden, so viel Baumwolle anzubauen, wie die Modeindustrie benötigen wird. Noch ein Grund, die Textilien, die bereits da sind, wiederzuverwerten.
Liz Valentina Thieme hat Modedesign studiert und arbeitete zuletzt in der Kommunikation eines grossen deutschen Online-Fashionshops. Rebirth Studios gründete sie vor eineinhalb Jahren gemeinsam mit einem Co-Gründer. Ein aktuelles Projekt anlässlich der Berlin Fashion Week 24 ist eine Upcycling-Kollektion aus ungenutztem Merchandise der Sängerin Mogli.
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