Updates unter FreundenTiktokerin rechnet mit «Coffee Dates» ab
Man geht mit Freunden einen Kaffee trinken und erzählt sich, was in letzter Zeit alles so los war – ein Update eben. Eine deutsche Tiktokerin hat das satt. Soziologin Katja Rost erklärt, wie wir Freundschaften richtig pflegen.
Darum gehts
Eine Tiktok-Userin hat genug von «Coffee Dates» unter Freunden.
Sie plädiert in einem Video für mehr gemeinsame Erlebnisse statt oberflächliche Lebensupdates.
Soziologin Katja Rost erklärt, dass Effizienzdruck soziale Beziehungen belastet.
Gemeinsame Aktivitäten, wie Wandern oder Einkaufen, fördern den Zusammenhalt.
Julia ärgert sich auf Tiktok: Im Erwachsenenalter bestehen Treffen mit Freundinnen und Freunden immer mehr daraus, sich für eine Stunde auf einen Kaffee oder ein Essen zu verabreden, einander die neuesten Updates aus dem eigenen Leben zu erzählen und sich dann wieder für ein paar Wochen, wenn nicht Monate, zu verabschieden. «Das konnte ich nicht mehr akzeptieren», sagt die Deutsche in ihrem Video.
Solche «Coffee Dates» oder «Update-Treffen» möge sie nicht. Stattdessen wolle sie mit ihren Freundinnen und Freunden «gemeinsame Erinnerungen» schaffen: «Ich will die Dinge, die ich liebe, wie draussen sein, wandern gehen, Sport machen, mit meinen Freunden zusammen machen.» Gleichzeitig wolle sie «nichts» mit ihren Freunden machen. Julia erklärt: «Ich will sie für random Sachen treffen, wie Lebensmittel einkaufen oder zusammen fernzusehen.» Der Kontrast zwischen Abenteuern und banalen Alltagsaktivitäten habe ihre Freundschaften verändert, so Julia.
«Ich konnte nicht mehr akzeptieren, dass Freunde treffen bedeutet, man geht essen, man geht Kaffeetrinken, man updatet sich»: Julia will mit ihren Freunden etwas unternehmen.
Tiktok/juliaxlune«Du sprichst mir aus der Seele»
In der Kommentarspalte wird klar: Mit ihrer Beobachtung trifft Julia ins Schwarze. «Du sprichst mir aus der Seele», schreibt eine Userin. Ein anderer Nutzer tut es Julia bereits gleich: «Same. Ich gehe mit meinem besten Freund einfach einkaufen und liebe es.» Eine weitere betont: «Sehe ich 1:1 gleich. Ich will nicht meine Freunde über mein Leben updaten, ich will, dass sie ein Teil davon sind.»
«Ich will nicht meine Freunde über mein Leben updaten, ich will, dass sie ein Teil davon sind.»
Einzelne stimmen mit Julia aber nicht überein: «Ich gehe gerne einfach nur einen Kaffee trinken. Mein Leben ist ansonsten schon so voll, dass ich geniesse einfach mal abzuschalten und es uns gemütlich zu machen – ohne irgendeine Pflicht.»
Katja Rost, Soziologin an der Universität Zürich, klärt im Interview auf, welche Art von Freundschaftstreffen wir wirklich brauchen.
Frau Rost, sind solche «Update-Treffen» wirklich so schlimm?
Der Begriff «Update» impliziert, dass man nichts Gemeinsames erlebt – sondern ein komplett separates Leben voneinander führt. Dabei ist das Kaffeetrinken mit einer Freundin durchaus ein gemeinsames Erlebnis.
Diese Beschreibung vermittelt ein Gefühl des Wettbewerbs: Wer hat mehr zu erzählen, wer hat mehr Einzigartiges erlebt und wer kann mit seinem Leben mehr Aufmerksamkeit erregen? Das mag nicht immer die Absicht hinter einem Treffen mit Freunden sein, und doch kann es eine solche Wirkung haben.
Sich mit Freunden zu treffen, «nur» um sich auf den neuesten Stand zu bringen, erinnert also fast schon an die Aktualisierung eines Linkedin- oder Instagram-Profils. Und doch, oder gerade deshalb, passt es so gut in unsere Zeit.
Auch in der 20-Minuten-Community ist die Freundschaftspflege nicht immer frei von Zeitmangel und Effizienzdruck.
20minWieso?
Der Grund ist geradezu ironisch: Durch den technischen Fortschritt haben wir unser Zeitmanagement extrem optimiert. Ein Beispiel: Früher brauchte man Zeit, um einen Brief zu schreiben und diesen einzuwerfen. Wenn wir heute eine Nachricht verschicken wollen, reicht ein Knopfdruck.
Effizienz ist praktisch für jeden möglich. Und genau das hat die Erwartungen steigen lassen, dass wir alles in 24 Stunden erledigen können. Die Folge: Der Mensch verhält sich immer funktionaler und beginnt so komplett am Rad zu drehen.
Über die Expertin
![Katja Rost ist Soziologin an der Universität Zürich. Katja Rost ist Soziologin an der Universität Zürich.](https://image.20min.ch/2025/01/21/f2f577dc-434d-4101-b8ae-cec70f411abc.jpeg?auto=format%2Ccompress%2Cenhance&fit=max&w=1200&h=1200&rect=0%2C0%2C900%2C675&s=46f8ff49511554969af33bf9e550feb3)
Katja Rost ist Soziologin an der Universität Zürich.
ForumKatja Rost ist Soziologin an der Universität Zürich. Sie betont, wie wichtig ungezwungene Treffen mit Freunden für ein gesundes Sozialleben und für den Zusammenhalt der Gesellschaft als Ganzes sind.
Das Treffen mit Freunden wird also zur lästigen Pflicht, die man auch noch erledigen muss?
Ja. Wir erleben gerade eine Krise: Wir pressen viel zu viel in einen Tag und das Wesentliche verliert an Qualität. Das macht sich vor allem im sozialen Leben bemerkbar: Ein netter, ungezwungener und spontaner Abend mit Freunden wird immer seltener.
Was ist denn der Vorteil «echter» Verabredungen?
Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen: Zeit mit anderen zu verbringen, sich emotional auszutauschen sowie Freundschaften zu schliessen und zu festigen, ist ein Grundbedürfnis wie Essen und Trinken. Zwar brauchen nicht alle Menschen in gleichem Ausmass soziale Gemeinschaft, aber jeder Mensch geht letztlich zugrunde, wenn er isoliert ist.
Was hältst du von solchen «Update-Treffen» mit Freunden?
Ist es besser, mit Freunden wandern oder einkaufen zu gehen, als sich «nur» zum Kaffee zu verabreden?
Auf jeden Fall – vorausgesetzt, man geht gerne wandern. Auch das gemeinsame Erledigen alltäglicher Dinge wie Einkaufen oder das Abholen der Kinder von der Schule ist förderlich.
Im Gegensatz zu einem «Coffee Date» alle paar Wochen, ist man bei solchen Aktivitäten auch mal still, tauscht sich über Belanglosigkeiten aus und schafft so ein Gefühl der Geborgenheit und des Zusammenhalts, das nicht an die Zeit gebunden ist. In solchen Fällen verzichtet man zwar oft darauf, eine Tätigkeit so effizient wie möglich zu erledigen, aber wir machen sonst schon viel zu viel alleine.
Treffen Sie also nie Freunde zum Kaffee?
Doch, natürlich. Und zwar häufiger als gemeinsam wandern oder Kinder abholen. Auch ich bin Teil der Gesellschaft und erlebe dieselben Zwänge und Trends.
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