«Fragen Kollegen spontan, ob wir etwas machen, sage ich meist ab»

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Voller Terminkalender«Fragen Kollegen spontan, ob wir etwas machen, sage ich meist ab»

Der Blick in den rappelvollen Terminkalender löst Stress aus. Betroffene berichten, wie sie durch Arbeit und Verpflichtungen kaum Zeit für spontane Treffen mit Freundinnen und Freunden haben.

Spontan mit Freunden ausgehen: Während das früher noch für viele möglich war, steht heute der volle Terminkalender im Weg. (Symbolbild)
Antonio (23) hat seine Freunde bis vor einigen Jahren täglich gesehen. Heute hat er neben Fussballtraining und Fahrstunden kaum mehr Zeit. (Symbolbild)
Ähnlich ist es bei Janine (43). Sie arbeitet und kümmert sich um ihre Familie. Somit bleibt wenig Raum für spontane Treffen mit ihrem Umfeld. (Symbolbild)
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Spontan mit Freunden ausgehen: Während das früher noch für viele möglich war, steht heute der volle Terminkalender im Weg. (Symbolbild)

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Darum gehts

  • Die Schweiz ist im Termin-Stress: Spontane Treffen mit Freunden sind selten geworden.

  • Die 20-Minuten-Community erzählt, wie ihr Alltag den Terminkalender über Wochen füllt.

  • Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Einige haben neben der Arbeit noch Hobbys, die viel Zeit in Anspruch nehmen, andere kümmern sich um die Familie oder haben etliche nicht aufschiebbare Termine.

«Heute Zeit für einen Kaffee?» oder «Wollen wir morgen zusammen Znacht essen?» Solche Fragen lösen bei vielen Stress aus. Der Grund: Der Terminkalender ist für die nächsten Tage und Wochen schon rappelvoll. Wie schwierig es sein kann, mit Freundinnen und Freunden abzumachen, zeigen auch unzählige Videos auf Tiktok .

20 Minuten hat sich in der Community umgehört und gefragt, wieso der Terminkalender so voll ist und wie die Leute das meistern. Eine Expertin erklärt ausserdem, welche Gründe hinter der Planungswut stecken können.

Vito (24): «Die viele Arbeit lässt kaum Raum»

Vito (24, Italien) lebt seit zwei Jahren in der Schweiz und arbeitet vier bis fünf Tage die Woche als Koch. Gerne wäre er spontaner, doch seine Arbeitszeiten lassen wenig Raum dafür: Seine Schichten beginnen um 13 Uhr und enden erst um 22 Uhr. Davor besucht er regelmässig seinen Deutschkurs. Unter diesen Umständen ist es für ihn also schwierig, spontane Verabredungen einzuplanen.

Vito ist aus Italien und arbeitet in Zürich als Koch – doch seine langen Schichten, Deutschkurse und die hohen Lebenshaltungskosten lassen ihm kaum Zeit für Spontaneität.

Vito ist aus Italien und arbeitet in Zürich als Koch – doch seine langen Schichten, Deutschkurse und die hohen Lebenshaltungskosten lassen ihm kaum Zeit für Spontaneität.

20min/Josephine Schertenleib

Elisa (22, Oerlikon): «Ich mache mir selber einen solchen Stress»

Als Barista arbeitet auch Elisa (22, Oerlikon) in der Gastronomie. Mit einem Pensum von rund 80 Prozent, unregelmässigen Arbeitszeiten, privaten Verpflichtungen und alltäglichen Aufgaben fühlt sie sich oft ziemlich verplant. Sie hat den Eindruck, sich selbst in diesen Planungswahn zu treiben: «Oft schaffe ich nicht alles, was ich mir vorgenommen habe, und schiebe Dinge auf meiner To-do-Liste immer weiter vor mir her.» Wenn Kollegen sie spontan fragen, ob sie nach der Arbeit etwas unternehmen möchte, sagt Elisa oft ab, weil ihr die unerledigten Aufgaben im Kopf herumschwirren.

Auch Elise kennt den Planungswahn als junge Person.

Auch Elise kennt den Planungswahn als junge Person.

20min/Josephine Schertenleib

Antonio (23): «Ich werde niemandem gerecht, am wenigsten mir selbst»

«Ich arbeite 60 Prozent in einer Reinigungsfirma, habe also theoretisch die Nachmittage immer frei. Dennoch sind sie vollgestopft: Ich habe einen kleinen Hund, der viel Aufmerksamkeit und Pflege braucht. Ausserdem mache ich gerade den Führerschein, was viel Zeit braucht.

«Meine Freunde habe ich früher täglich gesehen, heute nur noch alle paar Monate.»

Antonio

Auch mein Fussballtraining an zwei Abenden pro Woche nimmt ordentlich Zeit in Anspruch, genauso wie Arzttermine, die alle paar Wochen anstehen. Für meine Freundin habe ich deswegen kaum noch Zeit – teils auch am Wochenende nicht. Das findet sie verständlicherweise nicht gut. Meine Freunde habe ich früher täglich gesehen, heute nur noch alle paar Monate. Ich habe das Gefühl, niemandem gerecht zu werden, am wenigsten mir selbst.»

So wie Antonio (nicht im Bild)  geht es aber nicht allen. Eine Strassenumfrage in Zürich zeigt: Viele Junge machen immer noch spontan Pläne mit Freundinnen und Freunden.

20min/Josephine Schertenleib

Janine (43): «Es ist mir peinlich, dass ich nur alle paar Monate Zeit habe»

«Ich habe einen grossen Freundeskreis, was total schön ist. Gleichzeitig muss man Freundschaften aber auch pflegen – und das braucht Zeit. Deswegen muss ich Freundinnen bei einem Blick in meinen Terminkalender oft sagen: ‹Es geht erst wieder in zwei oder drei Monaten.› Das ist mir peinlich.

«Ich muss Freundinnen bei einem Blick in meinen Terminkalender oft sagen: ‹Es geht erst wieder in zwei oder drei Monaten.›»

Janine

Ich arbeite zwanzig Prozent, kümmere mich um den Haushalt und um unsere zwei Kinder. Unser Sohn hat Long Covid und somit sehr viele Arzttermine. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Und auch sonst ist eigentlich immer etwas: Tier- und Zahnarzt oder Coiffeurtermine und natürlich auch Saisonales: Im Moment zum Beispiel Weihnachtsgeschenke besorgen.»

Neben den vielen Terminen kommt bei Janine noch der Weihnachtsstress dazu.

Neben den vielen Terminen kommt bei Janine noch der Weihnachtsstress dazu.

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Janin (20) und Lynn (19) zeigen, wie Hobby und Planungswahn zusammenhängen

Janin (20, Domat/Ems) und Lynn (19, Grabs) haben beide einen vollen Terminkalender – ihr Alltag ist stark von ihren Hobbys geprägt.

Lynn spielt neben Schule und Arbeit Volleyball. Unter der Woche ist sie jeden Abend beschäftigt, an den Wochenenden geniesst sie mehr Flexibilität. In sechs Monaten steht ihre Prüfungsphase an. Sie erwartet, dass ihr Alltag dann noch voller wird, ist aber insgesamt zufrieden.

Janin (20, Domat/Ems (links)) und Lynn (19, Grabs (rechts)) haben beide einen volleren Terminkalender – ihr Alltag wird stark von ihren Hobbys geprägt.

Janin (20, Domat/Ems (links)) und Lynn (19, Grabs (rechts)) haben beide einen volleren Terminkalender – ihr Alltag wird stark von ihren Hobbys geprägt.

20min/Josephine Schertenleib

Bei Janin sieht es anders aus: Ihr Hobby Unihockey kostet sie «zu viel Zeit», erklärt sie und fügt hinzu: «Eigentlich wäre ich von Natur aus eher spontan, doch mein Sport verlangt eine strikte Planung.» Deshalb überlege sie, mit dem Unihockey aufzuhören oder in eine tiefere Liga zu wechseln.

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