Interview in der NZZUS-Botschafter fordert Schweizer Waffen für Ukraine – SVP tobt
Ein Interview des US-Botschafters in der Schweiz wirft hohe Wellen: Scott Miller will, dass die Schweiz Waffenlieferungen in die Ukraine ermöglicht und russische Gelder konfisziert. Die Reaktionen der Politik sind teils heftig.
Darum gehts
Ein Interview der «Neuen Zürcher Zeitung» mit US-Botschafter Scott Miller wirft hohe Wellen.
Er fordert ein Überdenken unserer Neutralität – und sowohl Waffenwiederausfuhren zu erlauben als auch, viel mehr russische Gelder einzufrieren.
Das stösst bei der SVP auf Empörung. Viele andere Politiker glauben aber, dass die Schweiz Farbe bekennen müsse.
Am Donnerstag erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» ein Interview mit Scott Miller, seit Anfang 2022 Botschafter der Vereinigten Staaten in Bern. Der Diplomat, der sich auch als LGBTQ-Aktivist einen Namen gemacht hat, geht darin mit der Schweiz und ihrer Haltung zum Ukraine-Krieg hart ins Gericht: «Die Schweiz kann sich nicht als neutral bezeichnen und zulassen, dass eine oder beide Seiten ihre Gesetze zum eigenen Vorteil ausnutzen», sagte er zum Thema Waffenlieferungen zugunsten der Ukraine.
«Davon profitiert der Aggressor, der alle Prinzipien des internationalen Rechts verletzt.» Die Schweiz habe ja auch anderen Ländern Munition und Radschützenpanzer geliefert: «Die Schweiz hätte darauf verzichten müssen, wenn sie davon ausgeht, dass das Kriegsmaterial nie in einem Konflikt verwendet wird.»
Des weiteren fordert Miller, dass Bern wesentlich mehr Gelder russischer Oligarchen einfriert als bis jetzt der Fall ist. «Wir haben die 7,75 Milliarden Schweizer Franken an russischen Vermögenswerten auf Schweizer Banken, welche die Behörden eingefroren haben, zur Kenntnis genommen. Die Schweiz könnte aber 50 bis 100 Milliarden zusätzlich blockieren», sagt er.
SVP will US-Botschafter einbestellen
Nun reagieren Schweizer Politiker auf das Interview. «Was Miller sagt, ist ungeheuerlich», meint etwa Franz Grüter (SVP), Präsident der Aussenpolitischen Kommission, gegenüber der NZZ. «Der Botschafter mischt sich in die inneren Angelegenheiten der Schweiz ein, und das geht nicht.
Zudem stelle er das Land als «Hort von illegalen russischen Geldern» dar. Die Forderung nach dem Einfrieren weiterer 50 bis 100 Milliarden Franken sei «höchst problematisch». Jemanden zu enteignen, bloss weil er Russe sei, sei «rassistisch». SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi stösst ins selbe Horn: «Aussenminister Cassis sollte sich überlegen, ob er Herrn Miller nach dessen Interview einbestellt», sagte er gegenüber Watson.ch.
«Schweiz will das Problem nicht wirklich angehen»
Während Mitte-Chef Gerhard Pfister sagt, das Interview «helfe der Sache nicht», meint FDP-Präsident Thierry Burkart: «Die Erklärungen des US-Botschafters geben die derzeitige Stimmungslage vieler westlicher Länder gegenüber der Schweiz wieder.» Miller hatte verklausuliert auch gesagt, er zweifle daran, dass das Seco und dessen Staatssekretärin Helene Budliger Artiega entschlossen genug mit dem Thema Sanktionen umgehen. SP-Co-Präsident Cedric Wermuth pflichtet dem US-Botschafter bei: «Man leistet passiven Widerstand und will das Problem nicht wirklich angehen.»
Die zögerliche Haltung der Schweiz könnte weltweit Sympathiepunkte kosten. Die Reputation der Schweiz leide derzeit «dramatisch», zitiert die NZZ Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. «Wir befinden uns in der Tat in einer aussenpolitischen Krise.» Die Schweiz befinde sich in einem «Mehrfrontenkrieg um ihr Image.»
«Schwerste Krise der Schweiz seit Zweitem Weltkrieg»
Miller selbst hatte im Interview von der «schwersten Krise der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg» gesprochen: «Sie ist damit konfrontiert, was die Neutralität bedeutet.» Dass Bundespräsident Alain Berset kürzlich Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland forderte und von einem «Kriegsrausch» im Westen sprach, war laut Schneider-Schneiter «geradezu toxisch».
«Man erwartet von uns, dass wir uns deutlicher zum Westen, den gemeinsamen Werten und Interessen bekennen», bilanziert FDP-Nationalrätin Markwalder. Und Fabian Molina, ebenfalls Mitglied der Aussenpolitischen Kommission, sagt, vor allem bei den Sanktionen müsse die Schweiz nun Kooperationsbereitschaft zeigen. Der Druck auf das Land könnte diesbezüglich in den nächsten Monaten noch dramatisch steigen.
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