VerständigungsprozessDavos setzt auf Verständnis – neue Massnahmen bezüglich jüdischer Gäste
Mit einem neuen Massnahmenkatalog will Davos das Verständnis zwischen der lokalen Bevölkerung und jüdischen Gästen stärken. Likrat Public wird dabei eine zentrale Rolle spielen.
Darum gehts
Die Taskforce «Verständigungsprozess in Davos» hat einen Massnahmenkatalog vorgestellt, um das Verständnis zwischen der Davoser Bevölkerung und den jüdischen Gästen zu fördern.
Das Likrat Public-Sommerprojekt wird in der Hauptsaison 2024 fortgesetzt und ausgebaut, mit mehr Vermittlern und einer neuen Anlaufstelle für internationale Gäste.
Die Davos Destinations-Organisation und die Gemeinde Davos verbessern die touristische Infrastruktur und entwickeln Leitlinien für den Umgang mit internationalen Gästen, um die Gleichbehandlung aller Besucher zu gewährleisten.
«Die Taskforce ‹Verständigungsprozess in Davos› hat im Sinn eines Pilotprojekts einen Massnahmenkatalog verabschiedet, um die Verständigung zwischen der Davoser Bevölkerung und internationalen Gästen zu fördern», heisst es in einer Mitteilung auf der Website des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG) vom Donnerstag.
Taskforce erarbeitet 10 Massnahmen
Die Taskforce wurde aufgrund verschiedener Missverständnisse zwischen internationalen Gästen und der Bevölkerung in Alltagssituationen im Sommer 2023 ins Leben gerufen. Ihr Ziel: «Davos soll weiterhin ein attraktiver, weltoffener und internationaler Ort der Begegnung und Erholung sein.» Zudem soll die Taskforce einen Katalog von zehn konkreten Massnahmen verabschieden.
Im Zentrum steht der gegenseitige Respekt.
Davos spannt mit Schweizer Israelitischem Gemeindebund zusammen
Um die Herausforderungen im Verständnisprozess zu meistern, arbeitet die Gemeinde Davos mit der Davos Destinations-Organisation (DDO), dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) und der jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft Zürich zusammen.
Gerade der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) wird bei der Umsetzung der von der Taskforce vorgeschlagenen Massnahmen eine entscheidende Rolle spielen. Ihr Dialog- und Präventionsprogramm «Likrat Public», welches im August 2023 aufgekündigt wurde, wird für das Jahr 2024 nun doch wieder fortgesetzt. Likrat Public soll Personen und Institutionen helfen, ihr jüdisches Gegenüber besser zu verstehen.
Angespanntes Zusammenleben
Anfangs Februar 2024 kam es in Davos zuletzt zu Spannungen. Ein Pächter der Bergstation Pischa sorgte am 11. Februar 2024 für Schlagzeilen, als er per Anhang jüdischen Gästen die Sportgerätemiete verbot. Der Schweizerische Isrealitische Gemeindebund reichte daraufhin eine Anzeige ein. «Dass so ein Schreiben auf einem Schweizer Berg öffentlich aufgehängt wird, ist erschreckend», sagte ihr Generalsekretär Jonathan Kreutner zum Vorfall und stufte ihn als höchst diskriminierend und antisemitisch ein.
Nur Tage später, am 13.02.2024, wurde ein jüdischer Schüler (20) von einem Dorfbewohner beschimpft. Als der Jude aus dem Bus gestiegen war, wurde er von dem Mann beleidigt: «Juden sind in Davos nicht erwünscht.»
Massnahmenkatalog der Taskforce
1. «Hub»
Für die Gäste in Davos soll während der Sommerwochen eine zentrale Anlaufstelle geschaffen werden, bei der Informationen und andere Dienstleistungen erhältlich sind.2. «Einbezug von Rabbinern»
Rabbiner werden im Hintergrund eine beratende Rolle einnehmen. Bei Bedarf können die Rabbiner auch Ansprechpersonen für die Davos Destinations-Organisation sein.3. «Ausbau Sommerprojekt von Likrat Public»
Im Sommer 2024 werden mehr Vermittlerinnen und Vermittler eingesetzt, die die jüdisch-orthodoxe Lebensweise gut kennen. Dies trägt, zusätzlich mit anderen Massnahmen, zur Förderung des gegenseitigen Verständnisses bei.4. «Informationsmaterial für Gäste und Einheimische»
Für Gäste und Einheimische werden überarbeitete Informationsmaterialien erstellt, die auf gewisse Verhaltensregeln für und spezifische Anliegen von Gästen während der Sommerwochen aufmerksam machen.5. «Ausländische Akteurinnen und Akteure»
Um anreisende Gäste schon vor ihrer Ankunft in der Schweiz zu erreichen, wird mittel- und langfristig ein breiteres Netzwerk von ausländischen Akteurinnen und Akteuren (relevante Aussenministerien und Medien) aufgebaut und einbezogen. Dies, um Informationen bereits vorgängig via einschlägige Stellen einzubringen und abzuholen.6. «Pflege der jüdischen Geschichte in Davos»
Durch spezifische historische Arbeiten soll in Davos die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte vor Ort vertieft werden. Eine erste Basis für eine Aufarbeitung bildet die durchgeführte Studie betreffend Forschungsstand der Davoser Geschichte vor, während und nach der Zeit des Zweiten Weltkriegs.7. «Dialog mit Davoser Bevölkerung»
Mit Anlässen zur Vermittlung historischer Hintergründe zur jüdischen Geschichte und zur Auseinandersetzung mit interkulturellen Fragestellungen bietet sich der Kulturplatz Davos als Plattform für den Dialog an.8. «Touristische Kapazitäten»
Die Gemeinde Davos und die Davos Destinations-Organisation überprüfen laufend die bestehende touristische Infrastruktur (inkl. ÖV) auf deren Kapazitäten und Auslastung. Um Überlastungen zu reduzieren, wird zurzeit ein Besucherinnen-Lenkungssystem erarbeitet und in den nächsten Jahren umgesetzt.9. «Leitlinien für Tourismus-Betriebe in Davos»
Für Tourismus-Betriebe in Davos werden allgemeine Leitlinien verabschiedet, an denen sich die Betriebe in ihrem Umgang mit Gästen aus aller Welt orientieren können. Im Fokus steht die Gleichbehandlung aller Gäste.10. «Ombudsstelle»
Nebst ihrer Funktion als reguläre Gästeberatungsstelle übernimmt die Davos Destinations-Organisation bei Bedarf auch die Funktion einer Ombudsstelle für Tourismus-Betriebe. Dies in engem Austausch mit den leitenden Personen des Likrat-Teams.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Antisemitismus betroffen?
Hier findest du Hilfe:
GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus
Jüdische Fürsorge, info@vsjf.ch
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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