Forschungs­unfall «unwahrscheinlich» - Virologe Drosten hat eine eigene These zum Ursprung des Coronavirus

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Forschungs­unfall «unwahrscheinlich»Virologe Drosten hat eine eigene These zum Ursprung des Coronavirus

Schon einmal hat ein aus China kommendes Sars-Virus viele Menschen getötet. Der Ursprung dieser Epidemie in den Jahren 2002/2003 gilt als geklärt. Beim eng verwandten Coronavirus Sars-CoV-2 ist das anders. Warum ist das so?

Der deutsche Christian Drosten hält einen Laborunfall im chinesischen Wuhan als Ursprung für die Pandemie für unwahrscheinlich.
Ein Ursprung in der Pelzindustrie sei plausibler, sagt Drosten.
Zu der These, das Virus sei versehentlich oder absichtlich in einem Labor erzeugt worden, sagte Drosten, dies liege zwar rein technisch betrachtet im Rahmen des Möglichen, aber: «Wenn jemand auf diese Weise Sars-2 entwickelt hätte, dann würde ich sagen, der hat das ziemlich umständlich gemacht.»
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Der deutsche Christian Drosten hält einen Laborunfall im chinesischen Wuhan als Ursprung für die Pandemie für unwahrscheinlich.

Michael Kappeler/dpa Pool/dpa

Darum gehts

  • Viele vermuten einen Laborunfall im chinesischen Wuhan oder sogar böswillige Absichten hinter dem Ursprung des Erregers Sars-CoV-2.

  • Nicht so der deutsche Virologe Christian Drosten: Für ihn liegt der plausibelste Ursprung in der Pelzindustrie.

  • Beweise dafür hat er keine – dennoch sagt er: «Das hier ist ein Virus der gleichen Spezies wie Sars-1. Viren der gleichen Spezies machen die gleichen Sachen und haben häufig die gleiche Herkunft.»

Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht unter den verschiedenen Hypothesen zur Herkunft von Sars-CoV-2 den Weg über die Pelzindustrie als plausibelsten an. «Ich habe dafür keinerlei Belege, ausser die klar belegte Herkunft von Sars-1, und das hier ist ein Virus der gleichen Spezies. Viren der gleichen Spezies machen die gleichen Sachen und haben häufig die gleiche Herkunft», sagte Drosten dem Schweizer Online-Magazin «Republik». In den Jahren 2002 und 2003 hatte eine von China ausgehende Infektionswelle weltweit zu etwa 800 Todesopfern geführt. Die Erkrankung wurde Schweres Akutes Atemwegssyndrom (Sars) genannt. Der Ende 2019 erstmals nachgewiesene Erreger Sars-CoV-2 ist mit dem damaligen Virus sehr eng verwandt.

Beim ersten Sars-Virus seien die Übergangswirte Marderhunde und Schleichkatzen gewesen, sagte Drosten. «Das ist gesichert.» In China würden Marderhunde nach wie vor in grossem Stil in der Pelzindustrie verwendet. Dabei würden immer wieder auch wilde Marderhunde in die Zuchtbetriebe gebracht, die zuvor Fledermäuse – die als wahrscheinlichster Ursprung von Sars-CoV-2 gelten – gefressen haben können. «Marderhunden und Schleichkatzen wird lebendig das Fell über die Ohren gezogen», erklärte der Charité-Virologe. «Die stossen Todesschreie aus und brüllen, und dabei kommen Aerosole zustande. Dabei kann sich dann der Mensch mit dem Virus anstecken.»

Konkrete Beweise für seine Theorie hat Drosten nicht

Für ihn sei überraschend gewesen, dass diese Zucht überhaupt noch einmal als möglicher Ausgangspunkt einer Pandemie infrage kommen würde – bis vor kurzem habe er «in der naiven Vorstellung» gelebt, dass Schleichkatzen und Marderhunde als bekannte potenzielle Übergangswirte inzwischen kontrolliert würden. «Für mich war das eine abgeschlossene Geschichte. Ich dachte, dass diese Art von Tierhandel unterbunden worden sei und dass das nie wieder kommen würde. Und jetzt ist Sars zurückgekommen.»

Konkrete Hinweise, dass der Übergang auf den Menschen über Pelztierfarmen ablief, gebe es nicht – es gebe überhaupt keine Studien in diesem Bereich, zumindest seien keine öffentlich geworden. Darum sei vollkommen unklar, ob Marderhunde in chinesischen Farmen oder auch andere Karnivoren in solchen Zuchten – etwa Nerze – Sars-CoV-2 tragen. «2003 und 2004 gab es grosse Studien, die in China gemacht wurden und die für Sars-1 die Verbindung zu Marderhunden und Schleichkatzen belegten.» Diesmal sei das – zumindest bisher – offenbar nicht passiert.

Sars-2 aus dem Labor ist «ziemlich umständlich»

Jetzt dort noch genauer hinzusehen, habe möglicherweise keinen Sinn: «Was man sich natürlich klarmachen muss: Wenn man jetzt solche Bestände untersuchen würde, würde man vielleicht nicht mehr das Virus finden, das da – möglicherweise – vor anderthalb oder zwei Jahren gewesen ist. Wenn zwischendurch gekeult wurde. Oder wenn sich das Virus auf eine andere Art totgelaufen hat.»

Zu der These, das Virus sei versehentlich oder absichtlich in einem Labor erzeugt worden, sagte Drosten, dies liege zwar rein technisch betrachtet im Rahmen des Möglichen, aber: «Wenn jemand auf diese Weise Sars-2 entwickelt hätte, dann würde ich sagen, der hat das ziemlich umständlich gemacht.» Mit dem ersten Sars-Virus als Grundlage hätte man zu Forschungszwecken am ehesten nur ganz bestimmte Bereiche verändert – Sars-CoV-2 aber sei voller Abweichungen zum ersten Virus.

«Lassen Sie es mich mit einem Bild erklären: Um etwa zu überprüfen, ob Anpassungen das Virus ansteckender machen, würde ich ein bestehendes System nehmen, da die Änderung einbauen und das dann vergleichen mit dem alten System», erklärte der Virologe. «Wenn ich wissen will, ob ein neues Autoradio den Klang verbessert, dann nehme ich ein bestehendes Auto und tausche da das Radio aus. Dann vergleiche ich. Ich baue dafür nicht ein komplett neues Auto. Genauso war das aber bei Sars-2: Das ganze Auto ist anders.»

Darum sei die Idee eines Forschungsunfalls für ihn «ausgesprochen unwahrscheinlich». Zur Idee eines böswilligen Einsatzes irgendeines Geheimdienstlabors müsse man letztlich Geheimdienste fragen: «Wenn überhaupt, dann käme so etwas wohl nicht aus dem Wuhan-Virologie-Institut. Das ist ein seriöses akademisches Institut.»

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(DPA/kle)

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