Urteilsverkündung am Freitag - Vorbestrafter Todesfahrer will vor Gericht Haftstrafe entgehen

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Urteilsverkündung am FreitagVorbestrafter Todesfahrer will vor Gericht Haftstrafe entgehen

Der mehrfach vorbestrafte P.F. fuhr 2017 bekifft in den Roller von Larissa Caviezel, die dabei getötet wurde. Weil F. gegen die sechsjährige Freiheitsstrafe in Berufung ging, liegt der Fall nun beim Kantonsgericht Graubünden.

Stand am Dienstag vor Gericht: P.F. Er verursachte den Unfall, bei dem Larissa Caviezel starb.
Larissa (26) war am 18. Januar 2017 am frühen Morgen mit dem Roller von Domat/Ems nach Chur unterwegs, als P.F. bei einem Überholmanöver frontal in sie hineinfuhr.
Die junge Köchin wurde 43 Meter entgegen ihrer Fahrtrichtung auf die Fahrbahn geschleudert und erlag ihren Verletzungen.
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Stand am Dienstag vor Gericht: P.F. Er verursachte den Unfall, bei dem Larissa Caviezel starb.

20 Minuten/dk

Darum gehts

  • P.F. überholte 2017 bekifft frühmorgens zwei Autos. Dabei prallte er in den entgegenkommenden Roller von Larissa Caviezel (26), die am Unfallort ihren Verletzungen erlag.

  • F. wurde erstinstanzlich zu sechs Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen legte er Berufung ein.

  • Vor Gericht sagte erstmals auch die Ehefrau des Angeklagten aus.

  • Das Kantonsgericht wird das Urteil zur Berufungsverhandlung am Freitag um 9 Uhr verkünden.

Mit der dreifachen Menge der erlaubten THC-Konzentration im Blut fuhr P.F.* am 18. Januar 2017 frühmorgens mit seinem Audi Q5 frontal in den Roller von Larissa Caviezel. Er war mit 115 statt der geltenden 80 Kilometern pro Stunde unterwegs. Die damals 26-jährige Köchin wurde 43 Meter weggeschleudert und erlag noch am Unfallort ihren Verletzungen. Wegen Tötung mit Eventualvorsatz, qualifizierter grober Verletzung von Verkehrsregeln, mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes und des Fahrens in fahrunfähigem Zustand wurde P.F. im Februar 2020 zu einer unbedingten sechsjährigen Haftstrafe verurteilt.

Dagegen ging F. in Berufung, der Fall wurde am Dienstag vor dem Kantonsgericht Chur verhandelt. P.F., der mit grauen On-Sneakers, dunkelblauem Pulli und Jeans vor Gericht erschien, wiederholte die im ersten Prozess gemachte Aussage, wonach er den Roller von Larissa nicht gesehen habe. Sein Anwalt betonte, dass sein Mandant kein Raser sei. «Der Eventualvorsatz ist aber nicht gegeben, er hatte die Rollerfahrerin nicht, beziehungsweise zu spät erkannt.» Es sei deshalb eine bedingte Freiheitsstrafe auszusprechen.

F. bezieht seit Selbstunfall 1997 eine 100-prozentige IV-Rente

Für den 1977 geborenen Italiener P.F. war es derweil nicht der erste Verkehrsunfall: So starb bei einem Selbstunfall 1997 ein Autofahrer, F. bezieht seither eine 100-prozentige IV-Rente. 2002 lieferte er sich ein Autorennen mit einem schwarzen BMW, ein entgegenkommender Rollerfahrer konnte noch im letzten Moment auf eine Wiese ausweichen. Die Vorfälle gelten jedoch als verjährt, F. hatte im Prozess also eine «weisse Weste». Vom Gerichtsvorsitzenden auf die Vorfälle angesprochen, sagte F.: «Diese Sachen, die mir passiert sind, können jedem jungen Herrn passieren.»

Vor Gericht sagte neben einem Zeugen des Unfalls auch erstmals die Ehefrau von P.F. aus, die ihn dabei in Schutz nahm - und sich bei der Opferfamilie entschuldigte: «Ich weiss, dass ihnen das Wichtigste im Leben genommen wurde. Es tut mir so furchtbar leid.»

«F. hat ihre Zukunft gestohlen»

Wie der Anwalt der Opferfamilie, Flurin von Planta, vor Gericht sagte, sei die Trauer über den sinnlosen Verlust von Tochter und Schwester bei den Caviezels noch immer sehr gross: «Der Familie ist wichtig, dass Gerechtigkeit hergestellt wird indem der Angeklagte Verantwortung für sein Handeln übernimmt.» Larissas Vater Heinz Caviezel sagte gegenüber 20 Minuten im Vorfeld: «Die erstinstanzliche Strafe von sechs Jahren unbedingt ist die Mindeststrafe. Ich hoffe, dass diese Strafe am Dienstag nicht abgeschwächt wird.»

Die Schwester von Larissa, Michaela Schloz-Caviezel, schilderte am Prozesstag die schwierige Zeit seit dem Unfall: «Es ist schwer für meine Eltern und mich. Meine Schwester war der Mittelpunkt der Familie, sie fehlt uns extrem.» An der Unfallstelle vorbeizufahren und zu wissen, dass der Prozess nicht abgeschlossen sei, mache die Situation auch nicht leichter, sagt Schloz. «Larissa hätte am Samstag Geburtstag gefeiert. Sie hatte Pläne, wollte reisen gehen, eine Familie gründen. P.F. hat ihr das alles weggenommen. Er hat ihre Zukunft gestohlen.»

Das Kantonsgericht will das Urteil zur Berufungsverhandlung am Freitag um 9 Uhr verkünden.

*Name der Redaktion bekannt

«Diese Uneinsichtigkeit ist für die Opferfamilie sehr schmerzhaft»

Eva Clavadetscher ist Leiterin Beratung für Unfallbetroffene bei der Stiftung für Verkehrssicherheit RoadCross Schweiz.

Eva Clavadetscher ist Leiterin Beratung für Unfallbetroffene bei der Stiftung für Verkehrssicherheit RoadCross Schweiz.

20 Minuten/dk

Was sagen Sie dazu, dass der Angeklagte in diesem Fall in Berufung geht?

Der Tod von Larissa ist eine Tragödie und die Familie leidet immer noch sehr. Ein Urteilsspruch würde den Angehörigen bei der Verarbeitung des Unglücks helfen und dieser heilende Prozess wird durch ein Berufungsverfahren gestoppt. Zudem könnte die Berufung auch darauf hindeuten, dass der Täter sein Fehlverhalten nicht einsieht und die Verantwortung für seine Taten nicht übernehmen will. Diese Uneinsichtigkeit ist für die Opferfamilie sehr schmerzhaft.

Wie belastend ist das für die Opferfamilie?

Dies ist unglaublich belastend. Diese Ungewissheit und das Warten auf die Fortführung des Falles sind eine schwere Zeit und lässt die Menschen nicht trauern. Für die Opferfamilie ist das Gefühl einer gerechten Strafe und auch die Umsetzung wichtig. Dabei ist am Schluss nicht mal immer nur die Höhe des Urteils entscheidend, sondern auch die Tatsache, dass der Verursacher die Konsequenzen trägt und für seine Taten die Verantwortung übernimmt.

P.F. betonte im Prozess mehrmals, dass er nicht gewusst habe, dass der wiederholte Cannabiskonsum am Abend zur Fahrunfähigkeit am nächsten Tag führt.

Diese Aussage hört sich von einem langjährigen Konsumenten eher nach einer Schutzbehauptung an. Grundsätzlich liegt es in der Eigenverantwortung eines jeden Verkehrsteilnehmenden sich nur in fahrtauglichem Zustand ans Steuer zu setzen und die geltenden Regeln einzuhalten. Diese Regeln mögen bei Cannabis etwas weniger bekannt sein wie bei Alkohol. Aber zum Beispiel auch bei Medikamenten ist es wichtig abzuklären, wie diese die Fahrtauglichkeit beeinflussen. Darauf wird bereits in der Fahrausbildung hingewiesen. War dem Angeklagten effektiv nicht bewusst wie Cannabis seine Fahrtauglichkeit beeinflusst, zeigt dies nur seine Unverantwortlichkeit.

Trauerst du oder trauert jemand, den du kennst?

Hier findest du Hilfe:

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Seelsorge.net, Angebot der reformierten und katholischen Kirchen

Muslimische Seelsorge, Tel. 043 205 21 29

Lifewith.ch, für betroffene Geschwister

Verein Regenbogen Schweiz, Hilfe für trauernde Familien

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Pro Senectute, Beratung älterer Menschen in schwierigen Lebenssituationen

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