Lausanne: Das sagen Politiker zum Waffen-Teilverbot für Polizisten

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Vorstoss in LausanneDie Polizei entwaffnen? «Das ist völlig verantwortungslos»

Das Lausanner Parlament will Polizisten grösstenteils entwaffnen. Polizeibeamte und Sicherheitspolitiker reagieren erbost: Polizisten bräuchten Waffen für ihren eigenen Schutz und den Schutz Dritter.

Die Stadt Lausanne will auf Antrag der Grünen ihre Polizisten grösstenteils entwaffnen.
Nur die Polizistinnen und Polizisten, die im Falle einer Schiesserei oder eines Gewaltverbrechens eingreifen müssen, sollen weiterhin eine Waffe tragen.
Illias Panchard, Präsident der Lausanner Grünen, begründet den Vorstoss unter anderem damit, dass die allermeisten Polizisten ihre Dienstwaffe nie brauchen würden und dass sie in gewissen Situationen gar eskalierend wirken könne.
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Die Stadt Lausanne will auf Antrag der Grünen ihre Polizisten grösstenteils entwaffnen.

Christoph Reichwein/dpa

Darum gehts

  • Das Lausanner Parlament will, dass die meisten Polizisten und Polizistinnen keine Waffen mehr tragen, und erarbeitet nun Umsetzungsvorschläge dazu.

  • Begründet wird dies mit einer deeskalierenden Wirkung und mehr Bürgernähe.

  • Die Debatte wirft die Frage auf, ob eine entwaffnete Polizei auch landesweit denkbar ist.

  • Polizei und Politik antworten mehrheitlich mit Nein.

Das ist passiert

Das Stadtparlament von Lausanne hat ein Postulat des Lausanner Grünen-Präsidenten Ilias Panchard mit grosser Mehrheit angenommen. Es fordert, dass die meisten Polizisten und Polizistinnen in Lausanne keine Waffen mehr tragen sollen.

So begründet der Lausanner Grünen-Präsident den Vorstoss

Zunehmende Spannungen gegenüber der Polizei und der Wunsch nach mehr Bürgernähe seien die Gründe. Vor allem in Quartieren mit einem hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten führe die Präsenz von Waffen eher zu einer Eskalation.

Das sagen die Lausanner

Annick (46) sieht die Bewaffnung der Polizei als notwendig an: «Wenn jemand ein Messer oder eine Pistole hat, kann man nicht auf Verstärkung warten.» Auch Marcel (22)  findet die Entwaffnung eine blöde Idee: «Die Polizei muss sich und andere im Notfall schützen können.» Ivan (47) hingegen empfindet die Polizei in Lausanne als effektiv und hat keine Sorgen um seine Sicherheit. Dennoch bleibt er bei der Idee der Entwaffnung unschlüssig. Auch für Anais (24) ist das eine schwierige Frage: «Ich denke aber die Probleme überwiegen bei dieser Idee.»

Marcel (22)  findet die Entwaffnung eine blöde Idee: «Die Polizei muss sich und andere im Notfall schützen.»
Auch Annick (46) sieht die Bewaffnung der Polizei als notwendig an: «Wenn jemand ein Messer oder eine Pistole hat, kann man nicht auf Verstärkung warten.»
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Marcel (22) findet die Entwaffnung eine blöde Idee: «Die Polizei muss sich und andere im Notfall schützen.»

20min/Sebastian Richter

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Das sagen die Polizeikorps

Kantonale Polizeikorps in der Deutschschweiz geben auf Anfrage von 20 Minuten keine Auskunft oder verweisen auf das Polizeigesetz, das die Ausrüstung der Polizeikräfte mit einer Dienstwaffe vorschreibt. Die Kantonspolizei Zürich verweist zudem auf eine Statistik aus dem Jahr 2023: Laut der Konferenz des Kantonalen Polizeikommandanten (KKPKS) sind die Schusswaffeneinsätze auf ein Rekordtief gesunken.

«Polizei muss reagieren können»: So reagiert der Verband

Der Präsident des Verbands der Schweizerischen Polizeibeamten, Emmanuel Fivaz, musste noch nie im Einsatz schiessen – und könne die Argumentation des Grünen-Politikers trotzdem nicht nachvollziehen: «Mir ist weder aus persönlicher Erfahrung noch aus Studien bekannt, dass ein Polizist allein aufgrund des Tragens einer Schusswaffe als besondere Bedrohung wahrgenommen wird.» Zudem wolle kein Polizist von der Waffe Gebrauch machen.

Diese erhält Rückendeckung vom Gemeinderat Reto Nause.

Diese erhält Rückendeckung vom Gemeinderat Reto Nause.

20min/Matthias Spicher

Die Realität sei, dass Polizisten sich in Situationen begeben müssen, von denen man nie wisse, wie gefährlich sie wirklich seien, und die sich schnell ändern könnten. «Aber egal, was passiert, Polizeikräfte müssten reagieren können. Eine Schusswaffe gehöre deshalb zur täglichen Ausrüstung dazu.» Fivaz ergänzt: «Es geht dabei nicht nur um den Schutz der Polizistinnen und Polizisten, sondern auch um den Schutz Dritter.»

Mitte-Nationalrat Reto Nause: «Terror und Bedrohung nicht ausschliessen»

Reto Nause, der während 16 Jahren Sicherheitsdirektor der Stadt Bern war und jetzt Mitte-Nationalrat ist, hat eine klare Haltung zum Entscheid von Lausanne: «Das ist völlig verantwortungslos.» Die Stadt habe eine Sorgfaltspflicht gegenüber Polizisten und Polizistinnen: «Wenn man sie aber unbewaffnet auf die Strasse lässt, setzt man sie Gefahren aus, die diesen Schutz nicht mehr gewährleisten.»

Entscheidend ist für den Mitte-Nationalrat auch das aktuelle Weltgeschehen: «Terror und Drohungen haben sich in letzter Zeit wieder gehäuft – ich denke etwa an Solingen in Deutschland.» Nause betont, dass die Schweiz nicht vor solchen Fällen ausgeschlossen sei und eine Waffe notwendig sei, um Attentäter stoppen zu können. Kurz: «Eine bewaffnete Polizei würde viel mehr Menschenleben retten als gefährden.»

SVP-Nationalrat Mauro Tuena: «Denkt mal an die Konsequenzen»

SVP-Sicherheitspolitiker Mauro Tuena kann den Vorstoss nicht nachvollziehen: «Ich habe noch nie davon gehört, dass Polizisten in der Schweiz den Zugang zu einer Waffe missbraucht hätten. In unserem Land werden Schusswaffen restriktiv und nicht provozierend eingesetzt.»

Mauro Tuena, SVP-Nationalrat, warnt vor den Konsequenzen einer Entwaffnung und betont, dass die Polizei gut ausgebildet und verantwortungsvoll mit Waffen umgehe.

Mauro Tuena, SVP-Nationalrat, warnt vor den Konsequenzen einer Entwaffnung und betont, dass die Polizei gut ausgebildet und verantwortungsvoll mit Waffen umgehe.

20min/Matthias Spicher

Tuena betont auch, dass die Polizei zu Recht das alleinige Gewaltmonopol habe: «Die Männer und Frauen der Polizei werden sehr gut geschult. Ausserdem üben sie einen sehr schwierigen und gefährlichen Beruf aus, auch mit Waffen – wir müssen bei solchen Entscheidungen an die Konsequenzen denken», warnt Tuena und fügt hinzu: «Wenn wir den Polizisten die Waffen wegnehmen, haben wir ein klares Defizit.»

SP-Nationalrätin Andrea Zryd: «Eine einheitliche Regelung schweizweit»

Andrea Zryd, SP-Sicherheitspolitikerin, fordert eine einheitliche Regelung zur Bewaffnung der Polizei in der ganzen Schweiz. Sie betont, dass Polizeikräfte gut ausgebildet seien und der Umgang der Polizei mit Schusswaffen grundsätzlich gut funktioniere. Dabei geht ihr der Fall aus Morges 2021 nicht aus dem Kopf: Damals wurde ein Mann, der mit einem Messer bewaffnet war, von Polizisten auf einem Bahngleis erschossen. «Was dort passiert ist, darf nicht wieder geschehen», sagt Zryd.

Trotzdem spricht sie sich klar gegen eine Entwaffnung der Polizei aus. «Waffen haben eine abschreckende Wirkung, die im Alltag nicht genutzt werden sollte – aber im Notfall unverzichtbar.»

Andrea Zryd, SP-Nationalrätin, fordert eine einheitliche Regelung zur Polizeibewaffnung und betont, dass Waffen im Notfall notwendig sind.

Andrea Zryd, SP-Nationalrätin, fordert eine einheitliche Regelung zur Polizeibewaffnung und betont, dass Waffen im Notfall notwendig sind.

20min/Matthias Spicher

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