Wade WilsonObwohl er zwei Frauen erdrosselte: Frauen schwärmen für Wade Wilson
Wade Wilson erdrosselte zwei Frauen. Trotzdem schwärmen Frauen in den sozialen Medien für den Doppelmörder. Der forensische Psychiater Frank Urbaniok erklärt, wieso.
Darum gehts
Wade Wilson, der zwei Frauen ermordet hat, wird trotz seiner Taten in den sozialen Medien von vielen Frauen verehrt.
Der forensische Psychiater Frank Urbaniok erklärt, dass einige Frauen von Dominanz und Macht angezogen sind und Kriminelle idealisieren.
Social Media verstärkt solche Phänomene, indem es eine Plattform bietet, auf der solche Projektionen verbreitet werden können.
«Oh mein Gott, er ist so hot» oder «Ich liebe dich». Diese Kommentare zieren nicht etwa die Videos von einem attraktiven Sänger oder Schauspieler. Nein, sie zeigen einen voll tätowierten Mann, auf dessen Gesicht unter anderem ein Hakenkreuz und ein «Joker-Smile» gestochen sind. Der Mann sitzt im Gericht. Weil er zwei Frauen ermordet hat.
Dies scheint der Schwärmerei für ihn in den Kommentaren keinen Abbruch zu tun. Im Gegenteil: Die Opfer und die Tat scheinen dabei keine Rolle zu spielen. «Free Wade Wilson» steht etliche Male unter den Videos. Einige User erstellen sogar Fanedits des Mörders. Woher kommt diese vor allem weibliche Faszination für Kriminelle?
Der Fall
Wilson tötete am 7. Oktober 2019 Kristine Melton, 35, und Diane Ruiz, 43, innerhalb von wenigen Stunden. Wilson traf Melton in einer Bar und ging mit ihr nach Hause, wo er sie am nächsten Tag in ihrem Haus in Cape Coral erdrosselte. Später traf er auf Ruiz, die auf dem Weg zur Arbeit war. Wilson, der sich in einem gestohlenen Auto von Melton befand, fragte sie nach dem Weg. Sie stieg in sein Auto, wo er sie ebenfalls erdrosselte und dann mehrfach überfuhr. Wilson gab die Morde in Gesprächen mit seinem Vater zu, der schliesslich die Polizei benachrichtige.
Eine Jury empfahl die Todesstrafe für Wilson, das endgültige Urteil wird von einem Richter gefällt. Die ursprünglich für den 23. Juli geplante Urteilsverkündung wurde auf den 27. August verschoben, da die Ärzte mehr Zeit benötigen, um Wilson zu begutachten. Wilsons Anwälte haben das Recht, vor der Urteilsverkündung weitere Beweise vorzulegen.
Herr Urbaniok, wie erklären Sie sich dieses Phänomen?
Zunächst ist es wichtig, zu unterscheiden, dass Internetschwärmereien nicht mit realen Beziehungen mit Straftätern zu verwechseln sind. Ersteres sind lediglich Vorstellungen, die sich jemand ausmalt. Ob diese Person auch tatsächlich im realen Leben so handeln würde, wissen wir nicht. Dies schliesst aber nicht aus, dass es echte tragfähige Beziehungen zwischen meist Frauen und Straftätern gibt. Diese sind am Alltag und der Realität orientiert und keine Fantasieprodukte. Die Unterscheidung muss man vornehmen.
Warum neigen denn bestimmte Frauen zu solchen Schwärmereien für Kriminelle?
Studien zeigen, dass sich nicht wenige Frauen von Dominanz und sogar Aggressivität – zumindest theoretisch – angezogen fühlen. Manche idealisieren in diesem Zusammenhang Kriminelle, indem sie in ihnen das sehen, was sie sehen wollen, also beispielsweise einen starken, mächtigen Mann, der sie beschützen kann. Dies kann man teils über evolutionäre Theorien erklären. Vor Tausenden von Jahren war es gut, wenn man einen Partner hatte, der mächtig war und kämpfen konnte, um das Fortleben zu schützen.
Menschen, die zu einer solchen Idealisierung neigen, denken dann vielleicht, dass der Straftäter nur für andere gefährlich sei, für sie selbst aber nicht – oder sie haben die Wunschvorstellung, ihn retten zu könnten. Für viele ist es aber einfach ein Kick, bei dem sie sich cool, originell und abenteuerlich fühlen.

Kommentare unter einem Video von Wilson.
Screenshot TiktokWer neigt denn besonders zu einer solchen Idealisierung?
Die Wissenschaft sagt, dass ein höheres Angstempfinden oder ein besonders Bedürfnis nach aussergewöhnlichen Erlebnissen («Sensation Seeking») begünstigende Eigenschaften sind. Das höhere Angstempfinden mag zunächst paradox klingen, es geht dabei aber wieder um den Gedanken, von dem «starken Mann» beschützt zu werden – in sich ja auch wieder eine paradoxe Vorstellung. Solche Mechanismen können auch dazu führen, dass bestimmte Frauen von einer gewalttätigen Beziehung in die nächste laufen.
Dazu gibt es ja auch Menschen, die anfälliger für Verschwörungstheorien sind, das ist vergleichbar mit diesem Phänomen. Jemand, der sehr bodenständig und faktenorientiert ist, wird diese Romantisierung von Straftätern wohl eher nicht vornehmen.
Warum werden die Opfer dabei ausgeblendet?
Die Evolution hat den menschlichen Verstand so konstruiert, dass es uns leichtfällt, Fakten zu biegen und auszublenden, bis sie eine runde Geschichte ergeben, die zu unserem Weltbild und unseren Gefühlen passt. Es geht dabei nicht um moralische Werte, sondern darum, dass der Mensch sich gut fühlt. Das Verhalten des Täters wird dann etwa mit seiner schweren Kindheit erklärt, seine Persönlichkeitseigenschaften und die Opfer werden ausgeblendet.

Kommentare zu einem Video, das Wilson im Gerichtssaal zeigt.
ScreenshotWelche Rolle spielt dabei Social Media?
Im Internet sammeln sich alle möglichen Menschen, die sich in einer Blase bewegen, besonders auf Tiktok. Dadurch können kollektiv Geschichten ausgemalt und verbreitet werden. Absurde Szenarien werden dadurch verstärkt, ähnlich wie bei Verschwörungstheorien.
Hast du schon einmal Videos von Wade Wilson auf Social Media gesehen?
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Polizei nach Kanton
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche
Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein
Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer
LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133
Alter ohne Gewalt, Tel. 0848 00 13 13
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Beratungsstellen für gewaltausübende Personen
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