Drei MutantenDarum bereiten die neuen Virusvarianten Experten Sorgen
Seit rund einem Jahr kennt die Menschheit das Coronavirus Sars-CoV-2. Seither haben sich zahlreiche Mutationen gebildet. Doch erst die Varianten aus Grossbritannien, Südafrika und Brasilien bereiten Experten schlaflose Nächte.
Darum gehts
Dass Viren mutieren, ist nichts Ungewöhnliches.
Oft sind die Mutationen so gering, dass sie das Virus nicht wirklich verändern.
Doch es gibt auch solche, die dem Erreger einen Vorteil verschaffen.
Das scheint nun bei den drei Varianten aus Grossbritannien, Südafrika und Brasilien passiert zu sein.
Mutierende Viren sind an sich nichts Besonderes. Mutationen entstehen ständig und häufig. Vor allem, wenn viel repliziert wird. Das heisst: Wenn sie viele Wirte – im Fall des Coronavirus Sars-CoV-2: Menschen – befallen und sich dort vervielfältigen. Dafür müssen sie ihr Erbgut kopieren. Ein Prozess, in den sich immer wieder Fehler einschleichen.
Die meisten dabei dabei geschehenden Veränderungen im Virus haben keinerlei Auswirkungen auf das Virus. Doch es gibt auch Mutationen, die zu biologischen Veränderungen führen. Diese können dem Erreger einen Nachteil bescheren oder ihm einen evolutionären Vorteil verschaffen – so wie es bei den drei neu aufgetauchten Varianten aus Grossbritannien, Südafrika und Brasilien der Fall zu sein scheint.
Zwar stehen die virologischen Daten dazu noch aus, allerdings deutet aus Sicht von Epidemiologen einiges darauf hin, dass sich die Varianten schneller ausbreiten und infektiöser sind, was schlussendlich zu mehr Infizierten und auch Toten führt.

Nicht nur in London betrachten Virologen und Epidemiologen die Ausbreitung der neuen Varianten mit Argusaugen.
SOPA Images/LightRocket via Gett«Eine Art Weckruf»
Auffällig ist: Obwohl die drei neuen Sars-CoV-2-Varianten Tausende Kilometer weit voneinander entfernt unabhängig voneinander entstanden sind, weisen sie einige der gleichen Mutationen auf. Darunter auch die N501Y-Mutation, die am Spike-Protein des Virus sitzt und vermutlich dafür sorgt, dass sich der Erreger besser an menschliche Zellen binden kann. Das werten Experten als Zeichen dafür, dass die Veränderungen dem Virus einen evolutionären Vorteil verschaffen. Für diese Annahme sprechen noch weitere Veränderungen.
«Jedes Mal, wenn man Mutationen hat, die unabhängig voneinander an mehreren Stellen auftreten, ist das wirklich ein Zeichen», sagte etwa Vineet Menachery, ein Coronavirus-Forscher an der University of Texas Medical Branch gegenüber Theatlantic.com. Kristian G. Andersen, Immunologe am Scripps Research Institute in La Jolla (Kalifornien), spricht indes von einer «Art Weckruf».
Gemäss Jeremy Farrar, Infektiologe und Direktor des Wellcome Trust in London, geschehen derzeit zwei Dinge, wie Zeit.de schreibt: «Das Virus passt sich besser an den Menschen an, was zu einer besseren Übertragung führt, und es versucht der Immunantwort bereits Genesener zu entgehen.
Die drei Varianten im Überblick
Sie ähneln sich, weisen aber auch Unterschiede auf. Das ist bislang zu den drei Corona-Mutanten bekannt, die Wissenschaftlern Sorge bereiten.
Britische Variante: Die als B.1.1.7 bezeichnete Variante tauchte erstmals im Dezember 2020 im Süden Grossbritanniens auf, von wo sie sich im ganzen Land und über die Landesgrenzen hinaus verbreitete. Auch in der Schweiz ist sie anzutreffen. Laut neusten Erkenntnissen weist B.1.1.7 insgesamt 17 Mutationen auf, von denen drei das Verhalten des Virus verändert haben könnten: die Mutation N501Y, die Löschung der Stellen 69 und 70, und die Mutation P681H. Darauf deuten laut Richard Neher, Epidemiologe an der Universität Basel, auch Beobachtungen aus Irland und Dänemark hin, so Zeit.de.
Südafrikanische Variante: B.1.351 ist vermutlich im August 2020 entstanden. Heute ist sie vor allem in der Kapregion die vorherrschenden Variante – möglicherweise, weil sie ansteckender ist. Möglich ist aber auch, dass sie der Immunantwort von Menschen entgeht, die schon einmal mit Sars-Cov-2 infiziert waren, so Londoner Forscher. Wäre letzteres der Fall, könnte das dazu führen, dass sich einmal Infizierte erneut infizieren könnten und so zur Verbreitung beitragen können. Auch B.1.351 weist die N501Y-Mutation auf, plus weitere am Spike-Protein. Darunter auch solche, die B.1.1.7 nicht hat . Wie Zeit.de schreibt, beunruhigt insbesondere die Mutation E484K. Denn es gibt Hinweise darauf, dass Antikörper von Menschen, die eine Sars-CoV-2-Infektion überstanden haben, Viren mit dieser Mutation schlechter neutralisieren. «Deshalb wird diese Mutation insgesamt auch als kritischer eingeschätzt» als die britische Variante, so die deutsche Virologin Sandra Ciesek im NDR-Info-Podcast. Denn sollte die Hypothese stimmen, «wäre das natürlich eine ungünstige Kombination.»
Brasilianische Variante: Noch dünner als bei der B.1.351 ist die Datenlage aktuell bei P.1, wie die brasilianische Variante genannt wird. Doch auch hier besteht Grund zur Besorgnis. Sie wurde erst vor kurzem in Manaus identifiziert, wo zuletzt ebenfalls ein rasanter Anstieg an Corona-Infektionen gemeldet wurde. Auch P.1 weist 17 Mutationen auf, von denen sich einige am Spike-Protein befinden – darunter N501Y, welche auch bei den anderen beiden Mutationen festgestellt wurde, und E484K, die auch bei der südafrikanischen Variante entdeckt wurde.
Zusammenspiel der Mutationen
Noch sind bezüglich der neuen Varianten einige Fragen offen. Für eine Beantwortung kennt man B.1.1.7, B.1.351 und P.1 schlichtweg noch nicht lange genug. Laborstudien mit den neuen Virusvarianten müssen in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, wie sich die mutierten Viren verhalten: ob sie Zellen besser befallen, sich besser vermehren oder Antikörpern Genesener ausweichen können und welche Veränderungen der jeweiligen Variante dafür verantwortlich ist.
«Das Wichtige ist, dass man immer auch das Zusammenspiel betrachtet», erklärt Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt und Professorin für Medizinische Virologie an der Goethe-Universität gegenüber dem «NDR». So könnte durch die Kombination bestimmter Mutationen eine andere Funktion oder andere biologische Wirkung hervorgerufen werden als durch Einzelmutationen. «Die können sich verstärken oder abschwächen.»
Solange die Impfstoffe eine Wirkung haben, bleibe sie relativ entspannt, so Ciesek weiter, «weil das das Wichtigste ist.» Dass diese Unaufgeregtheit gerechtfertigt ist, zeigte unlängst eine von Forschenden der University of Texas und dem US-Pharmaunternehmen Pfizer auf dem Preprint-Server Biorxiv.org publizierte Studie, derzufolge zumindest das Vakzin von Pfizer/Biontech – Comirnaty – auch vor der britischen und südafrikanischen Variante des Virus schützt.
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