Paris-Syndrom: Warum die Stadt der Liebe einige Personen krank macht

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Paris-SyndromWarum die Stadt der Liebe einige Personen krank macht

Eiffelturm, Notre Dame, Louvre – was bei vielen Menschen für Begeisterung sorgt, beschert anderen mitunter Übelkeit, Halluzinationen und erhöhte Herzfrequenz. Das steckt dahinter.

Viele Japanerinnen und Japaner träumen ihr Leben lang von eine Reise nach Paris – und sparen auch entsprechend lange dafür. 
Werden die hohen Erwartungen beim Besuch dann nicht erfüllt, stürzen einige von ihnen in ein tiefes Loch. 
Statt Sightseeing zu machen und die französische Lebensart zu geniessen, kämpfen sie mit Symptomen wie Wahnzuständen, Halluzinationen, Verfolgungswahn, Angst und Übelkeit. 
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Viele Japanerinnen und Japaner träumen ihr Leben lang von eine Reise nach Paris – und sparen auch entsprechend lange dafür. 

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Darum gehts

Allein schon der Gedanke an Paris lässt Menschen in Verzückung geraten, Trips in die Stadt an der Seine behalten die meisten in guter Erinnerung. Doch einige würden ihren Besuch gerne wieder vergessen. Denn ihre Erinnerungen beinhalten Gefühle wie Angst, Wahrnehmungsstörungen und das Erleben körperlicher Symptome. «Manche Patienten erleiden Psychosen», sagt Psychiater Yousef Mahmoudia, der in einem Spital nahe der Notre Dame arbeitet und immer wieder mit Betroffenen zu tun hat.

Personen, die das erleben, leiden unter dem sogenannten Paris-Syndrom. Dieses ist zwar nicht im Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM) gelistet, wird aber von vielen Fachleuten als ein echtes, wenn auch seltenes Phänomen anerkannt. Erstmals beobachtet und beschrieben hat es der japanische Psychiater Ota Hiroaki, der seit 1987 in der französischen Hauptstadt lebt. Vom Paris-Syndrom am häufigsten betroffen sind japanischen Touristinnen und Touristen. Doch warum?

Extreme Form von Kulturschock

«Wir haben es hier mit einer Kultur zu tun, die historisch gesehen ein völlig anderes Glaubenssystem und eine völlig andere Entwicklungsgeschichte hat als Europa», erklärt Rodanthi Tzanelli, Professor für Kultursoziologie an der Universität Leeds in Großbritannien, gegenüber LiveScience.com. Diese kulturellen Unterschiede sowie wahrscheinlich unerfüllte romantische Erwartungen könnten erklären, warum japanische Besucherinnen und Besucher ein erhöhtes Risiko für das Paris-Syndrom haben.

Viele Japanerinnen und Japaner sparten ihr ganzes Leben auf eine Reise ins alte Europa, zitiert Deutschlandfunkkultur.de Bernard Odier von der Association de Santé Mentale des 13. Arrondissements von Paris: «Um sich zum Sparen zu motivieren, idealisiert er die Reise. Wenn er dann tatsächlich seinen Sehnsuchtsort kennenlernt, kann es sein, dass er von der Realität enttäuscht wird.» Dann sei der Sturz tief.

Laut Mathieu Deflem, Soziologieprofessor an der Universität von South Carolina, könne das Paris-Syndrom als eine extreme Form des Kulturschocks betrachtet werden. Ein solcher kann in besonders schweren Fällen dazu führen, dass sich Menschen desorientiert, depressiv, reizbar und körperlich krank fühlen.

Unterschiedliche Kommunikationsregeln

Laut Bernard Delage, Mitarbeiter eines Vereins, der japanischen Familien in Frankreich hilft, kann auch die Begegnung von japanischen Reisenden mit Pariserinnen und Parisern zum Missempfinden beitragen: «In japanischen Geschäften sind die Kunden König, während man von den Verkäufern hierzulande kaum beachtet wird. Die Menschen in den öffentlichen Verkehrsmitteln schauen ernst, und Handtaschendiebe tun ihr Übriges dazu, dass man sich nicht wohlfühlt.»

«Ein Drittel der Patienten erholt sich sofort, ein Drittel erleidet Rückfälle und der Rest hat Psychosen.»

Yousef Mahmoudia, Psychiater in Paris

So sieht es auch die Psychologin und Psychoanalytikerin Olivia Akiko Goto-Gréget: «In Japan gibt es sehr strenge Kommunikationsregeln, man zeigt seine Emotionen nicht. Die Franzosen hingegen machen deutlich, wenn sie wütend sind und die Japaner beziehen das dann auf sich, denken, dass sie etwas falsch gemacht und – sehr wichtig – die Regeln nicht richtig befolgt haben und das kann diesen inneren Schock auslösen», zitiert Deutschlandfunkkultur.de.

Verwanzte Hotelzimmer und Angriff von Mikrowellen

Das Paris-Syndrom kann sich auf verschiedene Weise äussern. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete von zwei Frauen, die glaubten, ihr Hotelzimmer sei verwanzt und gegen sie sei eine Verschwörung gerichtet. Zu den Extremfällen zählen auch der eines Mannes, der davon überzeugt war, der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. zu sein und der einer Frau, die glaubte, mit Mikrowellen angegriffen zu werden.

Nicht alle Betroffenen erholen sich rasch von dem Schock. Rund ein Dutzend japanischer Touristen pro Jahr muss nach einem Besuch in Paris psychologisch behandelt werden. «Ein Drittel der Patienten erholt sich sofort, ein Drittel erleidet Rückfälle und der Rest hat Psychosen», so Mahmoudia, zu Reuters.

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