WashingtonAviatik-Experte: «Die Hauptschuld liegt beim Heli-Pilot»
Ein Linienflugzeug und ein Armee-Helikopter sind in Washington in der Luft kollidiert. Ein Schweizer Aviatik-Experte erklärt mögliche Ursachen.
Darum gehts
In Washington kollidierten ein Passagierflugzeug mit 64 Personen an Bord und ein Armee-Helikopter.
Experte Christian Fehr vermutet menschliches Versagen als Hauptursache.
Der Helikopter-Pilot übersah das Linienflugzeug oder verwechselte es.
Zusätzlich hätten unterschiedliche Funkfrequenzen zu Kommunikationsproblemen beigetragen.
Ein Passagierflugzeug und ein militärischer Helikopter sind in der Luft kollidiert und in den Fluss Potomac gestürzt. Der Schweizer Aviatik-Experte Christian Fehr hält menschliches Versagen für die wahrscheinlichste Ursache für das tragische Unglück.
Fatale Fehleinschätzung im Cockpit
Die vorliegenden Fakten deuten laut Fehr darauf hin, dass der Fehler hauptsächlich bei der Helikopterbesatzung liege: «Sie waren unter Sichtflugregeln (NVFR) unterwegs, haben offensichtlich den Luftraum nicht genügend überwacht und die anfliegende Linienmaschine der American Airlines schlicht übersehen.»
Weniger als 30 Sekunden vor der Kollision fragte ein Fluglotse den Helikopter-Piloten, ob er das Flugzeug vor sich sehen könne. Dieses war aufgrund einer kurzfristigen Anweisung des Towers auf eine andere Landebahn mit einem sogenannten Swing-Over-Manöver nach einem Anflug auf die Piste 01 auf die Piste 33 ausgewichen. «Möglicherweise hielt die Helibesatzung das falsche Flugzeug für die zuvor angekündigte Maschine und realisierte nicht, dass er sich genau auf Kollisionskurs befand», so Fehr. Der Linienpilot hingegen dürfte in diesem Moment bereits voll mit der Landung beschäftigt gewesen sein: «Ein Passagierflugzeug kann viel schwerer ausweichen als ein Helikopter.»
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Eine Karte des Ronald Reagan Flughafens in Washington D.C.
Flughafenbehörde WashingtonVerschiedene Funkfrequenzen als Problem
Ein weiteres Problem: Am Reagan Airport werden für zivile Flugzeuge und militärischen Flugverkehr offenbar unterschiedliche Funkfrequenzen genutzt. «Das hat wahrscheinlich dazu geführt, dass die Kommunikation mit dem Tower nicht reibungslos lief und Missverständnisse entstanden», so der Experte.
Grundsätzlich können sich Piloten auf die Anweisungen des Towers und anderer Luftfahrzeuge verlassen. Doch Fehr betont: «Man muss immer darauf vorbereitet sein, dass etwas Unerwartetes passiert – oder eine andere Person eine Fehleinschätzung trifft.» Zudem sollten Piloten sämtliche erhaltenen Informationen verifizieren. «Man darf sich nie blind auf eine einzelne Angabe verlassen, sondern sollte immer prüfen, ob sie plausibel ist», so Fehr.
Das ist der Experte
Christian Fehr ist internationaler Prüfungsexperte für Linienpiloten. Der 66-Jährige war zudem 37 Jahre lang Pilot für Passagierflugzeuge bei verschiedenen Schweizer Fluggesellschaften sowie weltweit als Instruktor und Linienpilot tätig.
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«Man muss hochkonzentriert sein, wenn man dort fliegt»
Der Umstand, dass der Luftraum über Washington D.C. extrem eng sei, nicht zuletzt wegen zahlreicher Wahrzeichen wie dem Lincoln Memorial und dem Washington Monument, könnte zusätzlich eine Herausforderung für die betroffenen Besatzungen gewesen sein. «Man muss hochkonzentriert sein, wenn man dort fliegt», so Fehr. Helle Lichter am Boden und auf dem Flughafen könnten es den Piloten der Linienmaschine zusätzlich erschwert haben, den Helikopter rechtzeitig zu erkennen, wobei sie sich auf die Freigabe des Towers verlassen durften und sich somit kein anderer Flugverkehr in ihrem Bereich befand.
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Welche Konsequenzen sind nötig?
Um solche Unfälle künftig zu vermeiden, schlägt Fehr vor, dass zukünftig am betroffenen Flughafen alle Luftfahrzeuge auf derselben Funkfrequenz kommunizieren: «Die Abläufe und die Kommunikation sollten klarer strukturiert sein.» Piloten müssten beispielsweise gezielt darauf hingewiesen werden, wo sich ein Flugzeug befindet, welches zu einem Konflikt führen kann.
Der Aviatik-Blogger Juan Browne teilt auf seinem Youtube-Kanal seine Theorie des Unglücksverlaufs mit. Browne ist ein erfahrener Pilot mit einer vielfältigen Karriere, die vom Fliegen von Militärjets bis hin zu Vintage-Doppeldeckern reicht. Auf seinem Kanal analysiert er unter anderem Flugunfälle und teilt seine Erkenntnisse, um das Verständnis für die Luftfahrt zu fördern.
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