Studierende in Not«Wegen der Corona-Krise musste ich fast mein Studium abbrechen»
Die Corona-Krise bringt viele Studierende in eine finanzielle Notlage. Lukas* (22) ist einer davon. Seine Familie konnte ihn nicht unterstützen und die Ferienjobs sind wegen Corona weggefallen. Er fühlte sich im Stich gelassen. Im Interview erzählt er uns, wie schlimm die Situation war.
Darum gehts
Flyer verteilen, an der Bar arbeiten, bei Events aushelfen – viele Studierende haben wegen Corona ihren Nebenjob verloren.
Studierende, die nicht von ihren Eltern unterstützt werden können, geraten in eine finanzielle Notlage.
Lukas* (22) studiert Vollzeit Betriebsökonomie. Er konnte sein Studium nicht mehr durch seine Ferienjobs mitfinanzieren.
Corona hat seine ganze Familie in eine Notlage gebracht, deshalb konnte er auch nicht auf die Unterstützung seiner Eltern zählen.
Die anhaltende Corona-Krise trifft auch Studierende hart. Experten fürchten eine Welle von Studienabbrüchen. Lukas * (22) geriet in eine finanzielle Notlage. Im Interview erzählt er, weshalb, und was ihm geholfen hat.
20 Minuten: Warum hat dich Corona in eine finanzielle Notlage gebracht?
Lukas: Die Corona-Krise hat meine ganze Familie in einen finanziellen Engpass geführt. Meinem Vater wurde der Lohn gekürzt. Wir haben Betreibungsandrohungen erhalten und konnten die Rechnungen nicht mehr bezahlen. Normalerweise habe ich mein Studium durch Nebenjobs in der Gastronomie finanziert, aber diese sind wegen Corona weggefallen. Mit meinen Nebenjobs habe ich im Jahr 4000 - 5000 Franken verdient.
Was hat diese Situation für dein Studium bedeutet?
Ich wusste, jetzt muss ich schauen, wie ich meine Rechnungen bezahlen kann. Am Anfang der Pandemie habe ich mit dem Gedanken gespielt, mein Studium abzubrechen und einen Job zu suchen. Ich wollte meine Familie in der schwierigen Situation unterstützen. Durch mein Studium war ich für sie eine Zusatzbelastung.
Wieso warst du eine Belastung?
Meinen Eltern war sehr wichtig, dass ich meine Studiengebühren von 1500.- Franken im Jahr bezahlen kann. Sie sagten immer: «Wir wollen dir eine Zukunft ermöglichen, welche wir selber nicht hatten». Meine Eltern haben mir die Gebühren bezahlt. Das hat aber dazu geführt, dass wir andere Rechnungen, wie zum Beispiel die Krankenkasse, nicht mehr zahlen konnten. Wir haben nur noch das Nötigste eingekauft. Das Auto haben wir so selten wie möglich gebraucht, damit keine Benzinkosten anfallen. Wir haben unseren Lebensstandard auf das Minimum heruntergefahren.
«Das Auto haben wir so selten wie möglich gebraucht, damit keine Benzinkosten anfallen.»
Was war der schlimmste Moment für dich?
Der schlimmste Moment war, als die erste Betreibungsandrohung gekommen ist. Da dachte ich: «Scheisse, was machen wir jetzt? Wie sollen wir diese Rechnung nur bezahlen?»
Wie war das für dich?
Es war extrem viel Druck. Ich wollte meine Eltern unterstützen. Es kamen eingeschriebene Briefe nach Hause und viele Rechnungen. Da meine Eltern schlecht Deutsch sprechen, musste ich für sie alles übernehmen und übersetzen. Ich habe sehr viel Verantwortung übernommen. Gleichzeitig musste ich schauen, dass ich in meinem Studium vorwärtskomme.
Warum ist dir das Studium so wichtig?
Die Finanzwelt fand ich immer schon sehr spannend. Ich habe gesehen, wie meine Eltern als normale Arbeiter ihr Leben lang ausgebeutet wurden. Das wollte ich nicht und das wünschen sie mir auch nicht. Ich erhoffe mir, durch mein Studium eine höhere Anstellung zu bekommen. Ich will einerseits die Arbeitswelt verändern, indem ich mich für gerechte Arbeitsbedingungen einsetze. Andererseits habe ich mir gesagt, ich will als zweite Generation von Ausländern nicht auch ausgebeutet werden. Ich will zeigen, dass Ausländer nicht nur billige Arbeitskräfte sind.
«Ich will als zweite Generation von Ausländern nicht auch ausgebeutet werden.»
Kennst du andere, die in der gleichen Situation sind?
Für mich gibt es zwei Arten von Studierenden. Ein Teil hat eine Gelddruckerei hinter sich. Sie werden von den Eltern finanziert. So geht es allen, die ich kenne. Aber dann gibt es solche, die selber schauen müssen, wie sie über die Runden kommen. Die Eltern haben, welche selber mit einem Mindestlohn leben. Zu denen gehöre ich.
Fühlst du dich im Stich gelassen?
Ich finde, man nimmt nicht genügend Rücksicht auf Studierende während der Corona-Krise. Der Staat denkt: Wer studiert, dem geht es finanziell gut. Aber es gibt auch Studierende, die aus anderen Verhältnisse kommen. Denen geht es nicht gut, wenn sie ihre Nebenjobs nicht mehr ausüben können.
«Ich finde, man nimmt nicht genügend Rücksicht auf Studierende während der Corona-Krise.»
Wie bist du aus dieser Situation rausgekommen?
Ich habe von der Stiftung Educa Swiss ein zinsloses Darlehen von 3000.- Franken bekommen. Ohne das Darlehen wären wir nicht aus der Situation rausgekommen und ich hätte mein Studium abbrechen müssen. Ausserdem konnten wir mit dem Geld einen Teil unserer Krankenkassenrechnung bezahlen.
Bildungsdarlehen
Educa Swiss
Die Schweizerische Stiftung für Bildungsförderung und – finanzierung unterstützt Menschen bei ihren Studienzielen. Zum einen helfen sie kostenlos bei der Planung und Budgetierung von Bildungsprojekten. Ausserdem vermitteln sie zinsgünstige Bildungsdarlehen.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?
Hier findest du Hilfe:
BAG-Infoline Coronavirus, Tel. 058 463 00 00
BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92
Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona
Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige
Hotline bei Angststörungen und Panik, Tel. 0848 801 109
Pro Juventute, Tel. 147
Dargebotene Hand, Tel. 143