Weltcup-Rennen Zermatt: Jetzt wehrt sich Veranstalter Franz Julen

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Weltcup Zermatt«Sündenbock» – nach Bagger-Einsatz wehrt sich der Veranstalter

Mitte November sollen bei Zermatt/Cervinia Weltcuprennen stattfinden. Vor diesen ist die Kritik jedoch gross, es gibt Vorwürfe betreffend Arbeiten ausserhalb der erlaubten Zone. Franz Julen dementiert dies. 

Hier sollen in wenigen Wochen die Ski-Stars um Bestzeiten fahren. 
Zuletzt arbeiteten Bagger an der Piste. 
Mehrere Bereiche sollen jedoch über das im kommunalen Nutzungsplan vorgesehene Programm hinausgehen.
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Hier sollen in wenigen Wochen die Ski-Stars um Bestzeiten fahren. 

20min/Sébastien Anex

Darum gehts

  • Mitte November sollen bei Zermatt/Cervinia mehrere Ski-Weltcuprennen stattfinden. 

  • Derzeit wird mit Hochdruck an der Piste gearbeitet. 

  • Doch es gibt Kritik. Diese weist der Zermatter OK-Chef Franz Julen aber zurück. 

  • Gletscher-Experte Matthias Huss ordnet zudem ein. 

Auf dem Theodulgletscher arbeiteten zuletzt Bagger im Eis. Mitte November sollen bei Zermatt/Cervinia Ski-Weltcuprennen der Männer und Frauen stattfinden. Die Arbeiten geben jedoch zu reden, denn sie sollen sich ausgeweitet haben und in mehreren Bereichen über das im kommunalen Nutzungsplan vorgesehene Programm hinausgehen. Auch bewegen viele Leserinnen und Leser die Fotos der Bagger auf dem Gletscher. Die Kritik ist gross. 

20 Minuten konfrontiert den Zermatter OK-Chef Franz Julen mit den Vorwürfen. «Wir haben nichts zum Verbergen. Wenn die Behörden die Situation anschauen wollen, können sie das gerne machen. Wir weisen alle Vorwürfe entschieden zurück. Wir wurden mit Pistenplänen und Streckenrückführungen konfrontiert, die nicht der Realität entsprechen», erklärt er. Es verstehe sich von selbst, dass sie alle Genehmigungen von allen Behörden und Verbänden in beiden Ländern für die Arbeit eingeholt hätten. 

«Aber auf uns hackt man herum?»

Dass Fotos von Baggerarbeiten auf dem Gletscher die Gemüter erhitzen, kann Julen verstehen. Er hält aber auch fest: «Niemand kennt das Gletschersterben so gut wie wir in Zermatt. Wir wissen, um was es geht und nehmen dieses sensible Thema ernst.» Ihnen sei vorgeworfen worden, dass sie den Gletscher abbrechen würden. «Das ist falsch», so Julen. «Drei Bagger haben während drei Wochen auf dem Gletscher gearbeitet. Diese haben jedoch nichts abgebrochen, sondern Spalten mit Eis und Schnee gefüllt und gesichert.» 

Der Zermatter OK-Chef versteht zwar die Emotionen, doch er fühlt sich auch ungerecht behandelt. «Man macht uns zum Sündenbock! Wo ist die Verhältnismässigkeit?» Für Olympia in China seien ganze Skigebiete aus dem Boden gestampft und in Katar neue Fussballstadien gebaut und hinunter klimatisiert worden. «Und da sagt niemand was, aber auf uns hackt man herum?» Julen erklärt weiter, dass das Gletscherskifahren ein Millionen-Verlustgeschäft für die Zermatt Bergbahnen sei. Vorwürfe, dass es nur um Kommerz geht, weist Julen zurück. 

Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, sagt, dass Skipisten auf dem Gletscher als solche den Rückgang des Eises nicht beschleunigen. «Sie reduzieren die Schmelze aber auch nicht.»

Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, sagt, dass Skipisten auf dem Gletscher als solche den Rückgang des Eises nicht beschleunigen. «Sie reduzieren die Schmelze aber auch nicht.»

20min/Sébastien Anex

Gletscher-Experte spricht über Baggerarbeiten

Und was ist mit der Kritik, die mögliche Umweltschäden am Gletscher anspricht? Sie würden seit 50 Jahren auf dem Gletscher Ski fahren, so Julen: «Und dort, wo wir fahren, schmilzt der Schnee viel weniger schnell. Die Gletscherhöhe ist im Pistenbereich stets eineinhalb bis zwei Meter höher. Wir schützen den Gletscher durch das Präparieren der Piste.»

Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, meint auf Anfrage: «Die Gletscher in der Region Zermatt stehen seit Jahren unter intensiver Nutzung und sind nicht mehr unberührt. Bauarbeiten durch Baumaschinen haben zwar einen lokalen Einfluss auf die Eisdicke, aber sind insofern nicht schädlicher für den Gletscher als der normale Skibetrieb.» Der Gletscher-Experte hält fest, dass Skipisten auf dem Gletscher als solche den Rückgang des Eises nicht beschleunigen. «Sie reduzieren die Schmelze aber auch nicht.»

«Solche Rennen sind nicht mehr zeitgemäss»

Aber klar, durch den Bau von Skipisten auf dem Gletscher sei der Eingriff in die Natur stark, so Huss: «Grundsätzlich muss der Umwelt-Einfluss des Skitourismus im Hochgebirge natürlich kritisch betrachtet werden, da viel Infrastruktur in sonst unberührter und sensibler Natur besteht und der Betrieb Emissionen und lokale Verschmutzung verursacht.» Aber er glaube, dass man versuchen könne, die nötigen Eingriffe in die Natur auf ein Minimum zu beschränken. «Bei einem Event im Herbst, wo noch wenig Schnee auf den Gletschern liegt, ist das natürlich viel schwieriger.»

Aaron Heinzmann von Mountain Wilderness Schweiz meint auf Anfrage: «Wir sind grundsätzlich gegen solche Projekte.» Die Klimaerwärmung schreite schnell voran, Weltcuprennen auf Gletscher seien das falsche Zeichen. Heinzmann betont, dass Rennen wie in Zermatt nicht mehr zeitgemäss seien. Er fordert ein Umsatteln der Wintersportbranche. «Die Abhängigkeit vom Schneesport muss reduziert werden.»

Der Gletscher ist derweil bereit und im unteren Teil gehen die Arbeiten dank den kalten Temperaturen planmässig voran. Julen rechnet in den nächsten Tagen mit natürlichem Schneefall. Hinsichtlich der Rennen im November ist er positiv gestimmt. Er freut sich und meint zum Abschluss des Gesprächs: «Zwei Drittel von der Piste haben wir Naturschnee. Ich kenne kein anderes Skirennen, wo nur ein Drittel künstlichen Schnee hat.»

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