Lage der Flüchtenden«20 Prozent sind Männer, der Rest Frauen und Kinder»
Der Krieg in ihrer Heimat treibt Millionen von Ukrainerinnen und Ukrainer in die Flucht. Hunderte sind bereits in der Schweiz angekommen und weitere sollen folgen. Der Bund informierte am Donnerstag.


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Zusammenfassung
Bislang sind rund 8500 Flüchtende aus der Ukraine in der Schweiz angekommen. Jeden Tag melden sich zwischen 500 und 1000 Personen in der Schweiz an. Bei den meisten handelt es sich um Frauen und Kinder. Das SEM hat ein Formular für Flüchtende aus der Ukraine eingerichtet, über das sich diese bereits vor der Ankunft in der Schweiz anmelden können.
Die Situation rund um die Hunderttausenden, die sich in Richtung Westen aufmachen ist diffus. Gemäss dem SEM kann zurzeit nicht klar gesagt werden, wie viele Menschen noch kommen werden. Die Behörden gehen jedoch weiterhin von einer Gesamtzahl von bis zu 50'000 Personen aus.
Landesweit stehen derzeit 9000 Betten für die Neu-Ankömmlinge bereit. Viele kommen gemäss den Behörden aber bei Verwandten und Bekannten unter. Die Behörden unterstützen diese privaten Initiativen.
Grosse Kantone wie Zürich oder Bern sind besonders gefordert. So gab Gaby Szöllösy von der kantonalen Sozialdirektorenkonferenz heute bekannt, dass die Stadt Zürich in den kommenden Tagen die Saalsporthalle für die Unterbringung von Flüchtenden öffnen wird. Mittelfristig sei es das Ziel, Druck von den grösseren Kantonen zu nehmen und eine gerechtere Verteilung herzustellen.
Medienkonferenz beendet
Die Verantwortlichen haben ihre Statements abgeschlossen. In Kürze folgt hier eine Zusammenfassung. Vielen Dank fürs Mitlesen!
Sicherheitsbedenken?
Den neu Ankommenden würden zwei Fingerabdrücke abgenommen, erklärt David Keller. Dann würde in den gängigen Sicherheitssystem des Bundes geprüft, ob die Personen vermerkt seien. In den Aufnahmezentren herrsche «eine ziemlich familiäre Atmosphäre». Auf die Nachfrage eines Journalisten antwortet er trocken: «Der mögliche Dschihadist aus Afrika müsste ziemlich gut Ukrainisch können.»
Wie sieht das Geschlechtsverhältnis aus?
Es seien vor allem Mütter mit Kindern, die ankommen, erklärt David Keller. Vereinzelt würden auch Männer ankommen. «20 Prozent sind Männer, der Rest Frauen und Kinder.» Diesen sei dies nach seinen Informationen von den ukrainischen Behörden erlaubt, wenn sie mindestens drei Kinder haben.
Sind Neuankömmlinge geimpft?
In den Bundesasylzentren würden Impfungen mit den hier gängigen Impfstoffen angeboten, antwortet David Keller kurz und bündig auf die Frage eines Journalisten. Darüber hinaus äussert sich das SEM nicht zur Corona-Situation.
Verteilschlüssel auf die Kantone?
Ja, es gibt einen Schlüssel erklärt Szöllösy. Dieser würde «grosso modo» eingehalten. Allerdings würden in vielen Fällen Ausnahmen gemacht, weil bereits familiäre oder freundschaftliche Beziehungen der Personen hier bestünden. Gemäss David Keller funktioniere dieses System zurzeit noch gut, allerdings könnte es in Zukunft zu mehr Verteilung kommen.
Zusätzliches Personal beim SEM?
Mittelfristig könnte aufgrund des Mehraufwandes zusätzlicher Personal-Bedarf beim SEM entstehen, erklärt David Keller. Zwischen 150 und 200 Personen müssten dann angestellt werden. Ob es wirklich dazu kommt, sei momentan noch nicht klar, man befinde sich aber mit Personalvermittlungsbüros im Austausch. Ausserdem würden Angestellte aus der SEM-Zentrale in Bern-Wabern in Aussenstellen im Einsatz stehen.
Kommen Flüchtende mit dem Auto?
Wie viele Personen zurzeit mit dem Privatauto anreisen, könne man nicht sagen, erklärt David Keller. In den einzelnen Fällen würden jedoch auf jeden Fall Lösungen gesucht. So habe die Stadt Zürich beispielsweise Parkplätze zur Verfügung gestellt.

Hat es genug Betten?
Gemäss Gaby Szöllösy müssten die Kapazitätsengpässe relativiert werden. «Noch sind sehr viele Hunderte Plätze frei.» Viele Personen würden sich zwar bei den Behörden melden, hätten zum Zeitpunkt der Anmeldung aber bereits über Bekannte oder Verwandte Wohnungslösungen gefunden. Diese Personen würden dann auch nicht zwangsweise auf andere Kantone verteilt.
Sind Flüchtende «verschwunden»?
David Keller erklärt, dass sich ukrainische Staatsangehörige visumsfrei in der Schweiz bewegen dürfen. Dementsprechend habe das SEM keinen Überblick darüber, wie viele Personen sich – über die bislang registrierten hinaus – in der Schweiz aufhalten.
Auf die Nachfrage eines Journalisten antwortet er, dass es sich bei den 1000 Neuanmeldungen pro Tag um Personen handle, die den Schutzstatus S beanspruchen. Darüber hinaus gebe es Personen, die dies nicht täten, aber dennoch mit den Behörden in Kontakt treten würden und eine Unterkunft bräuchten.
Was sind die Hauptgründe für die Schweiz?
Christoph Curchod erklärt, dass ein «erheblicher Teil» der bisher angekommenen Personen wegen bestehender familiärer Beziehungen in die Schweiz gekommen ist. Genaue Zahlen gäbe es bislang aber nicht.
Fragerunde beginnt
Nun können die anwesenden Medienschaffenden Fragen stellen.
Gefahren für neu ankommende Flüchtende
Als nächstes spricht Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –direktoren (KKJPD). Auch er lobt die Zusammenarbeit der verschiedenen Stellen.
Aus sicherheitspolitischer Sicht sei es wichtig, dass das SEM die neu ankommenden Personen möglichst rasch einer gründlichen Sicherheitsprüfung unterziehe. Ausserdem betont er die Gefahren und Risiken, mit denen sich die Flüchtenden konfrontiert sehen: beispielsweise den Menschenhandel. Die Behörden würden deshalb auch die privaten Wohnangebote für Flüchtende beobachten und kontrollieren. Zudem würden an «neuralgischen Punkten», wie Bahnhöfen, Kontrollen durchgeführt
Gute Zusammenarbeit der Behörden
Insgesamt würde die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Stellen sehr gut funktionieren, findet Szöllösy. Man könne dabei auch auf die Erfahrungen aus den Jahren 2015/16 zurückgreifen. In mehreren Kantonen seien bereits Krisenstäbe eingerichtet worden.
Vulnerable Personen
Minderjährige Flüchtlinge und vulnerablen Personen würden eine besondere Herausforderungen darstellen, erklärt Szöllösy. So seien etwa in Zürich bislang 40 gehörlose Personen angekommen. Für diese Personen müssten «gemeinsame Lösungen» gefunden werden. Zurzeit finde die Verteilung dieser Personen noch «zufällig» statt, findet die Verantwortliche.
Keine «einseitige Belastung» grosser Kantone
Als nächstes spricht Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK). Die Kantone würden zurzeit «äusserst kreativ» vorangehen, indem sie grosse Hallen, Hotelzimmer oder Zivilschutzanlagen für die neu ankommenden Personen bereitstellen würden. Sie gibt bekannt, dass die Stadt Zürich in den kommenden Tagen die Saalsporthalle für Flüchtende öffnen werde.

Es sei den Kantonen jedoch wichtig, dass es nicht zu einer langfristigen Konzentration der Neuankommenden in den grossen Kantonen komme. So hätte der Kanton Zürich alleine bis jetzt über 2000 Personen aufgenommen. Stattdessen sollten unter anderem auch Hauseigentümer im ganzen Land leerstehende Immobilien melden.
Ukraine-Flüchtlinge können sich online anmelden
Um den aktuellen Ansturm besser zu bewältigen, hat das SEM ein neues Online-Formular erstellt, über das sich schutzbedürftige Personen hierzulande registrieren können. Über 1000 Personen hätten dies bereits getan. So könnten die Verantwortlichen besser «staffeln», erklärt Keller. Ausserdem könnten Sozialhilfe- und Gesundheitsversicherungsleistungen bereits vor der Ankunft der Flüchtenden aufgegleist werden.
9000 Betten
Das SEM hat gemäss eigenen Angaben «Neuland »betreten und arbeitet nunmehr seit Tagen mit Hochdruck an der Bewältigung der aktuellen Krise. Die bis zu 1000 Neu-Anmeldungen pro Tag würde Ressourcen beanspruchen, erklärt David Keller, Leiter des Krisenstabs. Noch würde dies mit dem bestehenden Personal bewältigt. Landesweit hätte man bislang 9000 Betten für die Neuankommenden bereitstellen können.
Man freue sich über die privaten Initiativen, Flüchtende aufzunehmen, erklärt Keller. Diese würden das SEM entlasten.
500 bis 1000 Anmeldungen pro Tag
Curchod erklärt, dass derzeit pro Tag zwischen 500 und 1000 Personen in der Schweiz ankommen. Die Grösse einer Diaspora im Land sei häufig wichtigster Indikator dafür, wie viele Leute in ein Land kommen werden. Die ukrainische Diaspora hierzulande sei mit etwa 11'000 Personen «relativ klein». Insgesamt könne man noch immer von etwa 50'000 Personen, die hierzulande Schutz suchen werden, ausgehen.
Anzahl Ukraine-Flüchtende erreicht «völlig neue Dimension»
Als erstes spricht Christoph Curchod, Leiter Migrationsanalysen des SEM. Er erklärt, dass in den letzten 20 Tagen gemäss Schätzungen drei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen sind. Das würde für Europa eine «völlig neue Dimension» darstellen.
Wie viele dieser Menschen bereits nach Westeuropa, in den Schengen-Raum, gekommen sind, sei aber nicht ganz so einfach zu eruieren. Man beobachte aber Wanderungsbeobachtungen über Polen, das meist erstes Anlaufzentrum sei, hinaus.
Medienkonferenz beginnt
Daniel Bach, Leiter Kommunikation des SEM, eröffnet die Medienkonferenz pünktlich um 14 Uhr. Er erklärt, dass bislang etwa 8500 ukrainische Flüchtlinge in der Schweiz registriert worden seien.
Darum gehts
Es sind bereits Tausende Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, hier angekommen, und es werden täglich mehr. Über 1000 Personen registrieren die Behörden zurzeit an gewissen Tagen.
Anfang März erklärte die dafür zuständige Bundesrätin Karin Keller-Sutter, dass für Flüchtende aus der Ukraine erstmals in der Geschichte der Schutzstatus S aktiviert werde. Damit dürfen diese hier leben und arbeiten, bis der Krieg vorbei ist.
Wie sind die ersten Erfahrungen? Und was ist die Einschätzung der Regierung, wie lange die geflüchteten Menschen in der Schweiz bleiben werden? Um diese und weitere Fragen dürfte es an der heutigen Pressekonferenz gehen. Daran nehmen teil:
Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK)
Florian Düblin, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –direktoren (KKJPD)
David Keller, Leiter Krisenstab Asyl, Staatssekretariat für Migration (SEM)
Christoph Curchod, Leiter Migrationsanalysen SEM