Türkei: Kemal Kilicdaroglu fordert Recep Tayyip Erdogan heraus

Aktualisiert

Kemal Kilicdaroglu«Wir werden ihn loswerden» – das ist der Mann, der Erdogan stürzen will

Die Präsidentenwahl in der Türkei am Sonntag verspricht so spannend zu werden wie lange nicht. Kemal Kilicdaroglu könnte Recep Tayyip Erdogan nach 20 Jahren als Präsident ablösen.

Kemal Kilicdaroglu (74) ist Chef der sozialdemokratischen CHP und kandidiert für ein Bündnis aus sechs Parteien.
Über Erdogan sagte er jüngst: «Wir werden ihn loswerden und auf demokratische Weise in den Ruhestand schicken.»
In einem am Freitag auf mehreren türkischen Fernsehsendern ausgestrahlten Interview versprach Erdogan, eine mögliche Wahlniederlage anzuerkennen.
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Kemal Kilicdaroglu (74) ist Chef der sozialdemokratischen CHP und kandidiert für ein Bündnis aus sechs Parteien.

IMAGO/Depo Photos

Darum gehts

  • Kemal Kilicdaroglu werden gute Chancen eingeräumt, die Präsidentschaftswahl in der Türkei für sich zu entscheiden.

  • Er will Amtsinhaber Erdogan «auf demokratische Weise in den Ruhestand schicken».

  • Erdogan hatte in einem Interview versichert, eine mögliche Wahlniederlage anzuerkennen.

Die Demokratie stärken, Inflation und Korruption bekämpfen und eine schärfere Migrationspolitik – damit wirbt Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74). Er präsentiert sich als Gegenentwurf zu Recep Tayyip Erdogan: ruhiges, statt markiges Auftreten und Wahlkampfvideos aus einer einfachen Küche statt Einweihung von Grossprojekten.

Ein neues Gesicht ist auch Kilicdaroglu für die Türken nicht. Er steht seit 13 Jahren an der Spitze der grössten Oppositionspartei CHP, kann aber noch keinen Erfolg bei landesweiten Wahlen vorweisen. Seine Kandidatur war auch deswegen zunächst umstritten. Bei den Kommunalwahlen 2019 gelang es der Opposition, der Regierung nach zwei Jahrzehnten die wichtigen Metropolen Istanbul und Ankara zu entreissen. Ein Erfolg, den Kilicdaroglu dank geschickter Allianzen auch für sich verbuchen kann.

Er will das Präsidialsystem abschaffen

Kilicdaroglu hat nun sechs Parteien unterschiedlicher Lager zusammengebracht: von nationalistisch über konservativ und ultrareligiös bis zu seiner eigenen säkularen Mitte-Links Partei CHP. Die linksgerichtete prokurdische HDP, die als Königsmacher gilt, unterstützt ihn zudem. Alle wollen das Präsidialsystem abschaffen und die Türkei wieder in eine parlamentarische Demokratie überführen.

Kilicdaroglu wurde in Tunceli in der Osttürkei geboren und gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an. Er machte als Bürokrat im Staatsdienst Karriere. Das Image des farblosen Bürokraten hängt ihm noch immer nach. Inzwischen hat er an Profil gewonnen und gute Aussichten auf einen Sieg. Der Mann, der Erdogan nach 20 Jahren an der Macht ablösen möchte, sagte in einem Gespräch mit dem deutschen Nachrichtenmagazin «Stern»: «Wir werden ihn loswerden und auf demokratische Weise in den Ruhestand schicken.» Erdogan wisse das ganz genau, äusserte sich Kilicdaroglu siegessicher. 

«Lasst die Wahlurnen nicht aus den Augen»

In einem am Freitag auf mehreren türkischen Fernsehsendern ausgestrahlten Interview versprach Erdogan, eine mögliche Wahlniederlage anzuerkennen. Auf die Frage, was er bei einer Niederlage täte, entgegnete Erdogan zunächst, dies sei «eine sehr dumme Frage». Er ergänzte: «Wir sind auf demokratischem Wege und mit der Unterstützung unseres Volkes an die Macht gekommen: Wenn unsere Nation eine andere Entscheidung trifft, werden wir tun, was die Demokratie verlangt. Es gibt nichts anderes zu tun.»

Oppositionsführer Kilicdaroglu appellierte unterdessen an seine Unterstützer, die Wahlurnen nicht aus den Augen zu lassen. «Ihr gebt niemals auf und verlasst euren Posten nicht», sagte er in einem auf Twitter verbreiteten Video. Es habe Drohungen gegen Wahlhelfer gegeben, sagte er, ohne ins Detail zu gehen. Der Wahlkampf hatte sich zuletzt zugespitzt. Ein beliebter Oppositionspolitiker war vergangenen Sonntag mit Steinen beworfen worden, mehrere Menschen wurden verletzt.

Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Erdogan und seinem Herausforderer hin. 

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(DPA/AFP/job)

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