Neue Corona-Demo geplant«Verstörend, dass Leute sich selbst und andere gefährden»
In Liestal BL protestierten rund 6000 Personen gegen die Covid-Massnahmen – viele ohne Maske. Jetzt wird der Ruf nach einem Verbot der nächsten Corona-Demo in Altdorf laut.
Darum gehts
Die Kritiker der Corona-Massnahmen planen schon die nächste Demonstration – dieses Mal im Kanton Uri.
Weil viele Demonstrierende am Wochenende keine Masken trugen, stehen die Behörden in der Kritik.
Der Kanton Uri hat noch nicht entschieden, ob er die Kundgebung bewilligt
Die Bewegung der Massnahmenkritiker wächst: Am Wochenende demonstrierten Tausende gegen die Corona-Einschränkungen. Und bereits jetzt mobilisiert die Szene für eine neue, noch nicht bewilligte Demo in Altdorf im kommenden Monat. «Wenn Alain Berset weiterhin so kräftig für uns mobilisiert, sind wir am 10. April in Altdorf mehr als 20'000», twitterte Nicolas A. Rinoldi von der Bewegung «Mass-voll», der als Redner angekündigt ist.
In Liestal wird hingegen keine Demo mehr stattfinden. Da viele der Teilnehmer keine Maske trugen, will der Kanton laut SRF künftig keine Bewilligung mehr erteilen. Zugleich werden Stimmen laut, die die Behörden auffordern, die neue Kundgebung in Altdorf nicht zu bewilligen.
Demonstrationen als Covid-Hotspots?
«Demonstrationen unter Einhaltung der geforderten Sicherheitsmassnahmen sind okay. Wer sich nicht daran halten will, verspielt jedoch sein Recht», schreibt etwa der Politologe Claude Longchamp auf Twitter. Er verweist auf eine Untersuchung aus Deutschland, wonach sich in der Folge der Querdenker-Demos die Pandemie beschleunigte.
Auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann sagt, eine Veranstaltung mit tausenden von Leuten sei schon aufgrund der Grösse problematisch. Trage man dann noch keine Maske, werde eine Demo zum Corona-Hotspot: «Die Organisatoren müssen garantieren, dass die Regeln eingehalten werden. Können sie das nicht, müssen die Behörden die Kundgebung verbieten – alles andere ist unverantwortlich.»
«Angriff auf die Meinungsäusserungsfreiheit»
Den Corona-Protest im Kanton Uri organisiert das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik». Dessen Sprecher Josef Ender sagt: «Wir rechnen mit mehreren 1000 Teilnehmern in Altdorf.» Er sei zuversichtlich, dass es mit der Bewilligung klappen werde. Zu den Forderungen, nach den Vorkommnissen von Liestal keine Demonstration mehr zuzulassen, sagt Ender: «Das ist ein weiterer Angriff auf die Meinungsäusserungsfreiheit. Wenn friedliche Demonstration verboten werden, dann ist das ein Verfassungsbruch und das sollte allen Schweizern Sorge machen.»
Für die Kundgebung gelte die Maskenpflicht. «Wir haben 2000 Protestmasken mit dem Spruch ‹Schützt vor Bussen, nicht vor Viren› produzieren lassen. Wir werden unser Möglichstes tun, um die Maskenpflicht durchzusetzen, aber wir sind auch nicht die Polizei.»
Laut Ender soll die Kundgebung auch den Auftakt des Kampfes gegen das Covid-19-Gesetz markieren, über das im Juni abgestimmt wird: «Wir zwingen unsere Kinder, Masken zu tragen und fahren die Wirtschaft gegen die Wand. Die Massnahmen halten wir für unverhältnismässig.»
Scheiterts an den Parkplätzen?
Die Urner Polizei führt derzeit Gespräche mit den Organisatoren – ein Entscheid war bis am Montagnachmittag noch nicht gefallen. Die «Ereignisse und Erkenntnisse von Liestal» flössen in das laufende Bewilligungsverfahren ein, sagt Polizeisprecher Gustav Planzer. Es gelte nicht nur den Schutz der Gesundheit gegen die Meinungsäusserungsfreiheit abzuwägen. «Faktoren können die Anzahl der Teilnehmenden, die zur Verfügung stehende Infrastruktur oder die Verkehrs- und Parksituation sowie Umweltaspekte sein.»
«Es muss möglich sein, zu demonstrieren»
Laut Fredy Fässler, Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, wäre ein Verbot der Corona-Demos der falsche Weg.

Fredy Fässler.
Tamedia/Manuela MattDie Corona-Demo in Liestal gibt zu reden, weil viele keine Masken anhatten. Was sagen Sie als oberster Polizeidirektor dazu?
Es ist verstörend, dass Leute die Gefährdung von sich selbst und von anderen in Kauf nehmen, indem sie sich nicht an die Hygienevorschriften halten. Auf der anderen Seite ist die Demonstrationsfreiheit ein Grundrecht, das weiterhin gewährleistet sein soll.
Hätte die Polizei einschreiten müssen?
Eine Demonstration mit 6000 Leuten gewaltsam aufzulösen, Wasserwerfer einzusetzen, ist keine gute Idee. Die Polizeikorps verfolgen eine 3D-Strategie. Der Durchgriff ist die letzte Option – nach dem Dialog und der Deeskalation.
Jetzt wird der Ruf nach einem Verbot solcher Kundgebungen laut. Würden Sie kommende Demos wieder bewilligen?
Ein Verbot wäre nicht die richtige Antwort. Es muss möglich sein, zu demonstrieren – selbst wenn ich persönlich das Anliegen nicht teile. Allerdings müssen die Hygienevorschriften eingehalten werden.
Manche Städte oder Kantone bewilligen derzeit keine Kundgebungen mit mehr als 15 Leuten. Bräuchte es hier nicht eine einheitliche Linie?
Wenn die Praxis dazu führt, dass die liberaleren Kantone die Last aller grossen Kundgebungen tragen müssen, ist das ein Problem. Dann müsste man das doch anschauen.