Zeitenwende unter Trump«Europa ist in keiner guten Position, es mangelt an Führung»
Donald Trump tritt auf der Weltbühne ganz anders auf als sein Vorgänger. Was bedeuten seine Vorhaben für Europa?
Darum gehts
US-Präsident Donald Trump könnte Europa mit Zöllen, höheren Nato-Forderungen und wirtschaftlichem Druck unter Zugzwang setzen.
Experten erwarten, dass die EU Handelskonflikte durch Verhandlungen umgehen wird.
Im Ukraine-Krieg könnte er Europa zu Zugeständnissen gegenüber Wladimir Putin drängen.
Rechtspopulistische Kräfte in Europa könnten durch Trump gestärkt werden, was die EU und ihre Einheit weiter testen dürfte.
Donald Trump provoziert, fordert und droht. So kündigt er hohe Zölle an, ein Ende des Ukraine-Kriegs, er hat einen Handelskrieg mit China gestartet, will Grönland und den Panamakanal in amerikanischen Besitz bringen und macht Druck auf Europa, sich selbst zu verteidigen. Was bedeutet das für Europa? Zwei Experten zeigen mögliche Szenarien auf.
Zu Prof. Manfred Elsig

Prof. Manfred Elsig ist stellvertretender Geschäftsführer und Professor für Internationale Beziehungen am World Trade Institute der Universität Bern. Er ist Mitbegründer der kollaborativen Datenbank Design of Trade Agreements (DESTA) und der Electronic Database of Investment Treaties. Weiter ist Elsig einer der Herausgeber der «World Trade Review» sowie Mitglied des Verwaltungsrats des Swiss Network of International Studies (SNIS). Elsig studierte Politikwissenschaft an den Universitäten Bern und Bordeaux.
Wie wird Trump die Politik in Europa verändern?
Manfred Elsig: «Das realistischste Szenario für mich ist, dass die Europäer Trumps Provokationen und Forderungen mit Kompromissen begegnen werden. Man wird teilweise die aussenpolitischen US-Positionen mittragen und auf Forderungen – wie etwa einer stärkeren Marktöffnung für amerikanische Produkte oder eine noch höhere Kostenbeteiligung, um die Ukraine zu unterstützen – zu einem gewissen Grad eingehen.»
«Das wird die Konkurrenz zwischen Europa und den USA erhöhen.»
Rahul Sahgal: «Europa ist derzeit in keiner guten Position, in mehreren EU-Staaten mangelt es an Führung. Deutschland, Frankreich und Österreich sind wirtschaftlich und politisch nicht in bester Verfassung. Trump wird Europa nun noch zusätzlich unter Druck setzen: erstens mit Zöllen, etwa auf deutsche Autohersteller, zweitens mit der Forderung nach höheren Nato-Beiträgen, drittens mit der Konkurrenz durch amerikanische Firmen. Trump wird in den USA Bürokratie eindämmen und Regulierungen absetzen. Das wird die Konkurrenz zwischen Europa und den USA erhöhen.»
Wirtschaftspolitik: Droht ein Handelskrieg EU/USA?
Manfred Elsig: «Die EU und die anderen europäischen Länder werden versuchen, am Verhandlungstisch mit der Trump-Regierung Lösungen zu finden. Sie werden auf Gespräche setzen, um einen Handelskrieg zu vermeiden. Gleichzeitig werden sie signalisieren, dass die EU gegen die Zölle Gegenmassnahmen treffen kann und will, sollten diese unverhältnismässig sein.»
Rahul Sahgal: «Präsident Trump wird auf bestimmte Produkte aus verschiedenen Ländern Zölle androhen. Dann wird man am Tisch verhandeln müssen – wenn keine Lösung gefunden wird, werden die Zölle eingeführt. »
Zu Dr. Rahul Sahgal

Dr. Rahul Sahgal ist seit 2024 CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer. Zuvor war Sahgal bei der Steuerabteilung des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) in Bern und davor in verschiedenen diplomatischen Funktionen tätig. Bis 2021 war er in Washington, D.C. stationiert, wo er als Berater für Finanz- und Steuerfragen im Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) arbeitete. Seine diplomatische Laufbahn begann er 2013 als Attaché Diplomatique an der Schweizer Mission bei der EU in Brüssel.
Sicherheitspolitik: Wie geht Trump mit Putin um?
Manfred Elsig:«Trump möchte das Problem des Ukrainekrieges loswerden. Seine Vorstellung eines Friedensvertrags deckt sich aber nicht mit derjenigen der Natopartner – und schon gar nicht mit der Position der Ukraine. Trump wird die Europäer dazu drängen, Zugeständnisse gegenüber Putin zu machen. Damit würde die Idee der territorialen Integrität und Unversehrtheit der Ukraine aufgegeben – de facto würden eroberte Gebiete der Russen in der Ostukraine bis zu einem Grad akzeptiert. Die Europäer werden aufgrund der abnehmenden Zuverlässigkeit des Natopartners USA und der zunehmenden Gefährdung durch Russland sicherheitspolitisch noch stärker zusammenrücken müssen.»
«Trump wird kaum aus der Nato austreten – doch er wird sparen wollen.»
Rahul Sahgal: «Der US-Präsident wird sehr stark Druck machen, dass die Europäer selber für ihre Verteidigung aufkommen müssen. Trump wird zwar kaum aus der Nato austreten – doch er muss aufs Geld achten und wird beim Nato-Beitrag und den Waffenlieferungen sparen wollen. Das bedeutet erhebliche Mehrkosten für europäische Mitglieder.»
Zusammenarbeit und Allianzen in Europa und der EU
Manfred Elsig: «Wie sich die Beziehungen innerhalb Europas entwickeln werden, hängt stark davon ab, wie Deutschland und Frankreich die rechtspopulistischen Wellen meistern können. Die beiden Länder waren immer der Motor der europäischen Einigung und Stärke. Sind sie geschwächt, könnte es Trump grundsätzlich gelingen, die rechtskonservativen Player in Europa wie Viktor Orbán, Giorgia Meloni oder Herbert Kickl zu stärken. Das spaltet wiederum Europa und die EU bekäme aussenpolitisch fast handlungsunfähig. Dieses Szenario sehe ich jedoch als eher unrealistisch.»
«Es hängt stark davon ab, wie Deutschland und Frankreich die rechtspopulistischen Wellen meistern.»
Rahul Sahgal: «Trump wird einzeln mit den Führungspersonen und Ländern zusammenarbeiten. Nicht, weil er Europa spalten will, sondern weil er mit gewissen Regierungen eine Basis für eine Zusammenarbeit sieht, mit anderen nicht. Mit Orbán und Meloni versteht er sich etwa sehr gut, sie teilen viele seiner Werte. Diese nahe Kooperation von Trump und den rechten Parteien könnte die Zusammenarbeit unter europäischen Ländern jedoch erschweren.»
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