Secondhand-Trend«Zu viele Kleider im Schrank» – Zürcher Start-up kämpft gegen Modefriedhöfe
Viele Schweizer horten Kleider, brauchen sie aber kaum. Kleiderberg will das ändern. Das Start-up bietet Secondhand-Mode online an - und kämpft so gegen Missstände in der Branche.
Darum gehts
Die Modeindustrie produziert laut Greenpeace jedes Jahr rund 120 Milliarden Kleidungsstücke. Mit vielen negativen Folgen: Der Fast-Fashion-Hype führt zu gigantischen Müllbergen, die Branche ist für bis zu acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und die Arbeitsbedingungen sind oft mies.
Das geht auch anders, dachten sich Claudia Bill und Sandra Diestelhorst-Tessaro: Sie haben das Start-up Kleiderberg gegründet und bieten Secondhand-Mode im Internet an. «Die Konsumentinnen und Konsumenten haben es in der Hand, die Branche zu revolutionieren», sagt Bill auf Anfrage der Redaktion.
Nachhaltigkeit statt Konsumwahn
Als sie Kleiderberg vor sechs Jahren mitgründete, sei Mode aus zweiter Hand noch nicht so beliebt gewesen, sagt Bill. Mittlerweile liegt sie im Trend: Das angestaubte Image ist weg, die Schweiz feiert den Secondhand Day und viele Jugendliche wollen bewusst ein Zeichen gegen die in Kritik geratene Fast Fashion setzen.
Hast du auch viele Kleider zuhause, die du kaum brauchst?
Es sei kein Geheimnis, dass die Konsumgesellschaft enorme Kleiderberge produziere. «Diese türmen sich leider oft an ungünstigen Orten, wie an einem Strand in Ghana oder auf Müllhalden in Haiti», so das Start-up. Die «Modefriedhöfe» vernichteten nicht nur Mensch und Natur, sondern auch lokale Wirtschaftssysteme.
«Wir haben alle viel zu viele Kleider im Schrank», sagt Bill. Diese könne man nun auf Kleiderberg verkaufen. So könnten Modeinteressierte die Branche verändern und etwas bewegen: Wer auf Secondhand-Kleider setze, sei nachhaltig und heize die Konsumspirale nicht noch weiter an.
Darum gibt es Kleiderberg nur online
Als Mamis hätten sie und die Mitgründerin realisiert, wie viele Kleider ihre Kids brauchen, sagt Bill. «Der Gang an Kleiderbörsen war ihnen ein Graus und eine digitale Lösung musste her» – so entstand Kleiderberg. Zuerst nur für Eltern und Kinder. Die Nachfrage sei aber so hoch gewesen, dass man die Börse für alle geöffnet habe.
Wer Secondhand hört, denkt oft an Wühltische und Stöbern im Laden. «Genau darum gibt es uns nur im Netz», sagt Bill. Sie habe selbst nach einer «ästhetischen Onlineversion» eines Secondhand-Marktplatzes gesucht und keine gefunden. Wer Kleider verkauft, legt den Preis selbst fest. 20 Prozent davon gehen an Kleiderberg.
Jugendliche fahren auf Secondhand ab
Die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform sind zu 90 Prozent aus der Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) – sie trage Secondhand aus Überzeugung: «Die Jugend will heute individuell sein und gerade mit Secondhand-Kleidung kann man seine Persönlichkeit ausdrücken und sich von anderen unterscheiden.»
Jugendliche seien offen für neue Konzepte (siehe Box) in der Modebranche, sagt auch Tanja Erskine, Mitgründerin des Secondhand- und Vintage-Labels Orb-It. Oft tauschten sie zum Beispiel Kleider untereinander. Neuen Anbietern rät sie, zuerst die Marke bekanntzumachen, um Vertrauen zu schaffen.
Kleider mieten statt kaufen
1000 Deals pro Monat
Kleiderberg war lange selbsttragend. Letztes Jahr habe man einen Investor gefunden und den Webauftritt neu lanciert. Pro Monat nutzten rund 50'000 Menschen die Website, und es gebe etwa 1000 Kleider-Deals. Und jede zweite Person, die die Website besuche, kehre wieder zu Kleiderberg zurück.
Wer Kleider will, kann Artikel von mehreren Inseraten kaufen, erhält aber nur eine Rechnung. Am beliebtesten seien saisonale Kleidung, Tops, Hosen, Pullis und Schuhe. Ist ein Deal abgeschlossen, schickt Kleiderberg das Geld automatisiert an die Verkäuferinnen und Verkäufer. Das passiere zwei Mal pro Monat, so Bill.