ZürichBischof wollte mit Katholiken telefonieren, damit sie nicht austreten
Kirchenaustritte häufen sich gegen Ende Jahr. Um diese zu verhindern, hat die katholische Kirche am Dienstag ein Callcenter in Zürich eingerichtet. Doch es riefen hauptsächlich Gläubige an, die mal mit dem Bischof reden wollten.
Darum gehts
Die katholische Kirche in Zürich hat ein Callcenter eingerichtet, um Kirchenaustritte zu verhindern.
Bischof Josef Maria Bonnemain nahm persönlich Anrufe entgegen, um mit Gläubigen zu sprechen.
Viele Anrufer wollten direkt mit dem Bischof reden, nicht unbedingt austreten.
Die Aktion ist Teil der Kampagne «Kirchensteuer-wirkt», um die Bedeutung der Kirchensteuer zu betonen.
Telefontag der Katholischen Kirche Zürich, um den Kirchenaustritten entgegenzuwirken: Selbst der Bischof Josef Maria Bonnemain greift zum Hörer und beantwortet Fragen der Kirchenangehörigen. Er ist seit 2021 das Kirchenoberhaupt des Bistums Chur, welches die Kantone Graubünden, Schwyz, Uri, Nidwalden, Obwalden, Glarus und Zürich umfasst.
Für den Telefontag kam er extra nach Zürich, um in einem temporären Callcenter am Hirschengraben zusammen mit seinem Team um jedes Mitglied zu kämpfen. Dies im Rahmen der Kampagne «Kirchensteuer-wirkt».
Jeder Fünfte denkt an Austritt
Die Forschungsstelle Sotomo hat untersucht, wie die Bevölkerung zu Kirchenaustritten steht. 18 Prozent der Katholiken haben sich laut Umfrage schon einmal überlegt, aus der Kirche auszutreten. Bei den Reformierten sind es zwölf Prozent. Wenn zum Jahreswechsel die Steuerrechnungen eintreffen, steigen die Austrittszahlen an. Deshalb startet die Kirche ihre Kampagne «Kirchensteuer-wirkt» gerade jetzt.
Bischof Bonnemain erklärt: «Die Kirche hat offene Ohren für die Anliegen, Kritiken, Beanstandungen und das Lob der Leute. Jeder, der etwas äussern möchte, wird angehört.»
Angerufen hätten jedoch vor allem Gläubige, die gerne einmal mit dem Bischof sprechen wollten. «Bisher hatte ich noch niemanden am Telefon, der austreten wollte», sagte er nach der ersten Stunde Callcenter-Dienst.
Zuerst ein Unbehagen und dann ein Trigger
Um zu erfahren, aus welchen Gründen sich die Austrittswilligen von der Kirche trennen, fragte 20 Minuten bei Stefan Amrein nach. Er ist Gründer und Geschäftsführer von Kirchenaustritt Schweiz und weiss genau, wieso.
Er beschreibt es als Prozess. «Meistens geht ein Unbehagen dem Austritt voran. Dann braucht es einen Triggerpunkt, sei es die Höhe der Kirchensteuer, ein Skandal oder ein einfacher Besuch in einem Gottesdienst, aus dem die Leute unzufrieden hinausgehen», erklärt er.
Nach dem riesigen Missbrauchs-Skandal letztes Jahr im September seien die Austrittsformulare wie ein Tsunami eingegangen bei ihnen. «Nach der Flut kommt bekanntlich die Ebbe, dieses Jahr waren es viel weniger Austritte via unsere Organisation.»
Kirchenaustritt ist ohne Kontakt zur Kirche möglich
Vor 15 Jahren hat Stefan Amrein die Organisation Kirchenaustritt Schweiz gegründet. «Vor 15 Jahren war die Hemmung, oder die Angst, vor dem Austritt aus der Kirche noch viel grösser. Ich selber habe mehrmals erfolglos probiert, aus der Kirche auszutreten. Deshalb habe ich diese Organisation gegründet, um den Leuten den Austritt zu vereinfachen», erzählt er.
Die Organisation erleichtert den Austritt mit einem Formular auf ihrer Seite. Sobald das vollständige Formular bei ihnen eingehe, senden sie es an das zuständige Steueramt und an die zuständige Kirchengemeinde. Kontakt mit der Kirche haben Austretende selbst keinen.
In den meisten Kantonen schreibt die Kirche jedoch noch einen Brief an die Austretenden. 20 Minuten liegt ein solcher vor. Darin wird der Frau, die ihren Austritt gab, ein schlechtes Gewissen eingeredet. Ihr kleiner sozialer Beitrag würde dann sozial benachteiligten Menschen fehlen.

Austretende aus Schweizer Kirchgemeinden erhalten oft einen Brief, bei dem ihnen ein schlechtes Gewissen eingeredet wird.
20min/Daniel Krähenbühl«Ich fand den Brief irgendwie schon eine Frechheit», sagt der Lebenspartner der Frau, die austreten wollte.
Der Wiedereintritt ist immer eine Option
Als Gegenspieler existiert auch die Webseite kircheneintritt.ch. Auf dieser sind Gründe für einen Eintritt oder einen Wiedereintritt in die Kirche aufgelistet. Denn keine Entscheidung ist final und alle, die sich für einen Austritt entschieden haben, können auch wieder in die Kirche eintreten.
Mediensprecherin Stephanie Krieger sagt: «Meist sind es Erfahrungen im Leben, die die Leute machen, die sie zum Glauben zurückkehren lassen.»
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