«Der Mann wollte offensichtlich Juden angreifen»

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Zürich«Der Mann wollte offensichtlich Juden angreifen»

Vor einer Synagoge in Wiedikon verschüttete ein Mann Benzin. Obwohl laut der Polizei kein extremistisches Motiv vorliegt, sieht Jonathan Kreutner vom SIG die Tat als Angriff auf die jüdische Gemeinschaft.

«Ohne die Sicherheitsmassnahmen hätte gestern vielleicht die Synagoge gebrannt», sagt Jonathan Kreutner vom SIG.
Sicherheitsmitarbeiter überraschten einen Mann, der vor der Synagoge in Wiedikon Benzin verschüttete.
Der 32-jährige Täter konnte festgenommen werden.
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«Ohne die Sicherheitsmassnahmen hätte gestern vielleicht die Synagoge gebrannt», sagt Jonathan Kreutner vom SIG.

20min/Michael Scherrer

Darum gehts

  • Vor einer Synagoge in Zürich Wiedikon wurde ein Anschlag verhindert.

  • Jonathan Kreutner vom Schweizerischen israelitischen Gemeindebund sieht einen Zusammenhang mit der aktuellen Gaza-Debatte und appelliert zu einem respektvollen Umgangston.

  • Philip Bessermann von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus spricht von einem klar antisemitisch motivierten Angriff.

In der Nacht auf Sonntag verschüttete ein psychisch verwirrter 32-Jähriger vor der Synagoge in Wiedikon Benzin. Der Sicherheitsdienst wurde rechtzeitig aufmerksam und konnte Schlimmeres verhindern. Im Kontext der psychischen Erkrankung des Täters kam die Polizei zum Schluss, ein «extremistisches Motiv» stehe «nicht im Vordergrund».

Alles klar, Fall erledigt? Nein, findet Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen israelitischen Gemeindebundes (SIG): Zwar handle es sich nicht um einen islamistisch radikalisierten und motivierten Täter, trotzdem sei die Tat vermutlich gezielt gegen eine jüdische Institution gerichtet gewesen. «Der Mann wollte offensichtlich Juden angreifen und hat kurz vor dem Anschlagsversuch offenbar eine jüdische Person angepöbelt.»

«Aufgeheizte Stimmung»

Es sei wahrscheinlich, dass der Mann durch die aktuell aufgeheizte Stimmung auf diese Idee gekommen sei – inspiriert auch durch teils ausgesprochen aggressive Statements in der öffentlichen Debatte zum Gaza-Krieg. «Es ist kein Zufall, wenn Juden in den Fokus von psychisch labilen Personen geraten, sondern oft das Resultat von unverhohlener Hetze Dritter», so Kreutner.

Die Scharfmacher, die den Staat Israel und die Juden in der Schweiz bewusst oder unbewusst vermischten, trügen eine direkte Verantwortung, wenn sie mit ihrer Hetze solche Taten triggerten. «Es laufen noch viele psychisch Verwirrte herum, und das kann schnell tödlich enden.»

Wichtige Sicherheitsmassnahmen

Kreutner appelliert deshalb an einen zurückhaltenderen Ton in der Gaza-Debatte – bei Medien, Politikern und auf Social Media. Kritik an Israel müsse möglich sein, aber mit Respekt und Verantwortungsbewusstsein für das Zusammenleben in der Schweiz.

Die Tat habe zudem gezeigt, wie wichtig die nun vom Bund, Kanton und Städten unterstützten Sicherheitsmassnahmen für jüdische Institutionen geworden seien. «Ohne sie hätte gestern vielleicht die Synagoge gebrannt.» Das Zusammenspiel zwischen Behörden und Sicherheitsdienst der Gemeinden funktioniere gut. «Das ist beruhigend.»

Angriff klar antisemitisch motiviert

Die Pathologisierung des Täters als «verwirrt» und «psychisch labil» lenke davon ab, dass der versuchte Brandanschlag klar antisemitisch motiviert gewesen sei, sagt auch Philip Bessermann von der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA). Der Mann habe seinen Benzin-Angriff deutlich gegen eine jüdische Institution gerichtet. «Dieser Zusammenhang darf nicht geschwächt werden mit einem Verweis auf die psychische Labilität des Täters.»

Wie Kreutner kritisiert Bessermann die aufgeheizte und aggressive Stimmung in den sozialen Medien: «Wenn öffentlich gegen jüdisches Leben gehetzt wird, gibt es Leute, die zu solchen Taten schreiten.»

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