Unia schlägt Lohnscheren-Alarm – wie prekär ist die Situation wirklich?

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ZweiklassengesellschaftUnia schlägt Lohnscheren-Alarm – wie prekär ist die Situation wirklich?

Die Schere zwischen Hoch- und Tieflöhnen in der Schweiz nehme zu, klagt die Unia. Laut Arbeitgeberverband ist aber genau das Gegenteil der Fall. Eine Gegenüberstellung.

Die Schere zwischen Arm und Reich gehe in der Schweiz weiter auf.
Dies schliesst die Gewerkschaft Unia aus einer frisch veröffentlichten Analyse.
Menschen im Tieflohnsegment seien zudem überproportional von Preisentwicklungen etwa auf dem Wohnungs- oder Energiemarkt betroffen.
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Die Schere zwischen Arm und Reich gehe in der Schweiz weiter auf.

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Darum gehts

  • Die Unia schlägt mit einer neu veröffentlichten Analyse Alarm: Die Lohnschere öffne sich weiter.

  • Damit steige die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft, schliesst die Gewerkschaft.

  • Der Arbeitgeberverband widerspricht, 20 Minuten stellt die Argumente gegenüber.

Unia hat Schweizer Löhne analysiert: Die Lohnschere öffne sich weiter, die Ungleichheit steige, so die Gewerkschaft. Diese Aussagen seien falsch, kontert der Arbeitgeberverband: Analysiere man die Löhne aller Firmen statt bloss die der 36 grössten börsenkotierten Unternehmen, zeige sich, dass die Lohnschere in der Schweiz kleiner werde.

Wie gross ist die Lohnschere im Unternehmen, für das du arbeitest?

20 Minuten hat Unias Aussagen in der Studie dem Arbeitgeberverband vorgelegt, der die Situation diametral anders wertet. Hier drei Beispiele:

Aussage 1: Die Höchstlöhne steigen ungebremst weiter – die Lohnschere öffnet sich weiter

Laut Unia betrug die Lohnungleichheit in den 36 grössten Firmen letztes Jahr im Schnitt 1:143, im Vorjahr lag sie bei 1:139. Die höchsten zehn Löhne in den Firmen seien um 3,5 Prozent gestiegen. Das zeige, dass es zwar tatsächlich Teuerungsausgleiche und Reallohnerhöhungen gebe, aber nur für die Bestverdienenden und CEOs. Diese hätten das Geld im Gegensatz zu den Menschen mit tiefen und mittleren Löhnen gar nicht nötig.

Der Arbeitgeberverband widerspricht: «Die Fakten des Bundes, welcher die Lohnstruktur in allen Branchen des sekundären (Industrie) und tertiären (Dienstleistung) Sektors anhand von repräsentativen Daten untersucht, zeigen, dass sich die Lohnschere in den letzten Jahren nur marginal und in der Tendenz eher zugunsten der Tieflohnempfänger verändert hat», erklärt Kommunikationsleiter Stefan Heini auf Anfrage. Die unteren Einkommensgruppen verzeichneten dabei prozentual stärkere Zuwächse als die oberen.

Dazwischen liegt eine Aussage des Bundesamtes für Statistik BFS vom März 2024: Tieflöhner hätten zwischen 2008 und 2022 ein höheres Lohnwachstum (14,3 Prozent) verzeichnet als die Löhne der am besten Bezahlten (13,5 Prozent). Brisant: Am tiefsten war das Wachstum bei der Mittelschicht (11,5 Prozent). Im Verhältnis zu den Lebensumständen sind leichte prozentuale Unterschiede nur bedingt aussagekräftig. Deshalb zur nächsten Aussage.

Aussage 2: Die Ungleichheit in der Schweiz nimmt weiter zu, Menschen mit tiefen Einkommen leiden

Die 20 Prozent der Haushalte mit den tiefsten Einkommen geben laut Unia ein Drittel ihres Einkommens für Wohnen und Energie aus. Für die 20 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen sei es ein Zehntel. Steigen also die Preise für Wohnen und Energie, müssten Haushalte mit tiefem Einkommen einen noch grösseren Teil für diesen Posten aufwenden, sagt die Gewerkschaft. So sinke ihr verfügbares Einkommen, und die Ungleichheit in der Schweiz verstärke sich noch weiter.

Der Arbeitgeberverband widerspricht auch hier: «Die Unia fokussiert einseitig auf die grössten Unternehmen der Schweiz, aber die Schweiz ist ein Land der KMU», so Heini. Die wissenschaftlichen Fakten widerlegten die Behauptung einer sich öffnenden Lohnschere. Auf den Punkt, dass Tieflöhner stärker Preisentwicklungen etwa auf dem Wohnungsmarkt ausgesetzt sein dürften, nimmt er nicht Stellung. Zur nächsten Aussage.

Aussage 3: Von den steigenden Firmengewinnen profitieren vor allem Aktionäre und Topkader

Den grössten Schweizer Firmen geht es laut Unia sehr gut, ihre Gewinne seien nun im Schnitt rund 45 Prozent höher als 2022. Vom Erfolg profitierten aber vor allem die Topkader, während die Arbeitenden mit den tiefsten Löhnen kaum bis gar nichts davon hätten. «Stattdessen verdienen sich neben den Top-Kadern auch die Aktionäre eine goldige Nase.»

Hier sei das Gegenteil der Fall, so Heini: «Der Anteil der Arbeitnehmerentgelte ist in den Jahren seit etwa 2007 kontinuierlich angestiegen, während derjenige der Firmengewinne zurückging.» Es zeige sich demnach, dass die Arbeitnehmer ihre Interessen immer stärker durchsetzen können.

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