MenschenrechteBreiter Ärger nach Klima-Urteil: Schweiz soll EGMR Leviten lesen
Ein Menschenrecht auf Klimaschutz? Für FDP-Ständerat Andrea Caroni überschreitet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) damit seine Kompetenzen. Nun soll die Schweiz das Gericht an seine «Kernaufgaben» erinnern.
Darum gehts
- Nach dem Sieg der Klimaseniorinnen beim EGMR, will die Schweizer Politik kollektiv gegen den Gerichtshof vorgehen.
- FDP-Ständerat Andrea Caroni kritisiert das Urteil und fordert, dass die Schweiz den EGMR an seine Kernaufgaben erinnert.
- Ständerat und Bundesrat unterstützen den Vorschlag. In den Frühlingssessionen wird endgültig im Nationalrat entschieden.
Der Sieg der «Klimaseniorinnen» vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im April 2024 war ein Coup. Die Übeltäterin war dabei die Schweiz: Der mangelnde Klimaschutz der Eidgenossenschaft habe die Seniorinnen in ihren Menschenrechten verletzt.
Vielen stiess dieses Urteil sauer auf: «Ich glaube, es ist nicht vereinbar mit einer direkten Demokratie. Hier beschliesst das Volk am Schluss darüber, welche Massnahmen effektiv getroffen werden», sagte etwa Umweltminister Albert Rösti.

In einer Motion fordert FDP-Politiker Andrea Caroni, dass der Bundesrat mit den anderen EGMR-Mitgliedstaaten dafür sorgen soll, dass sich das Strassburger Gericht auf seine «Kernaufgaben» beschränkt. Die Vorlage fand im Ständerat Unterstützung, selbst der Bundesrat spricht sich dafür aus. Nun entscheidet in der Frühlingssession der Nationalrat endgültig, ob die Schweiz offiziell protestieren soll.
Was wird gefordert und warum?
Für den amtierenden Ständeratspräsidenten Caroni ist klar: Mit dem Urteil zu den Klimaseniorinnen habe sich gezeigt, «wie sehr sich der EGMR von gewissen Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) entfernt hat».
Dabei kritisiert der FDP-Mann konkret die richterliche Lesart: Das Gericht habe ein «Recht auf Klimaschutz» in bestehende Artikel hineingelesen, welches so nicht existiere und dem die Mitgliedstaaten so nie zugestimmt hätten.

Der EGMR messe die Schweiz zudem an Konventionen wie dem Übereinkommen von Paris, für deren Kontrolle er ausdrücklich nicht zuständig sei. Der Ständeratspräsident wirft dem EGMR deshalb «ausufernde» und «übergriffige» Rechtsprechung vor.
Was ist der EGMR?

Unterstützung bis in die Mitte, SP will Urteil umsetzen
Mitte-rechts dürfte geschlossen hinter dem Caroni-Vorschlag stehen. «Der EGMR hat beim Klimaseniorinnen-Urteil klar seine Kompetenzen überschritten», sagt Mitte-Nationalrat und Fraktionschef Philipp Matthias Bregy.

Patricia von Falkenstein (FDP) teilt diese Ansicht: «Es ist nicht die Aufgabe des EGMR, den Anwendungsbereich und den Inhalt der Menschenrechtskonventionen auszuweiten.» Auch Christian Glur von der SVP findet: «Ich persönlich unterstütze diesen Vorstoss ganz klar, weil sich der EGMR ausserhalb seiner Kernaufgabe bewegt.»
Wie stehst du zur Kritik der Schweiz am EGMR bezüglich des Klimaschutzes?
Für SP-Nationalrätin Min Li Marti ist hingegen klar: «Der Entscheid ist nicht so skandalös, wie man meint.» Die dynamische Rechtsprechung sei nichts Neues und auch die Umwelt einzubeziehen, ist nicht substantiell neu. Es sei deshalb besser, sich zu überlegen, wie die Schweiz das EGMR-Urteil im Rahmen ihrer Gesetze umsetzen könne.
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Bode Obwegeser (bod) ist Praktikant im Ressort Politik. Dabei darf der Politikstudent die Schweizer Politik hautnah erleben.
