Projekt «Herzensbilder»Auf ihren Familienfotos sind die Kinder bereits tot
Nathalie und Yvonne begleiten Eltern, die ein Kind verloren haben – und halten die letzten gemeinsamen Momente mit der Kamera fest.
Darum gehts
- Herzensbilder ist ein Projekt, das Familien in schweren Zeiten unterstützt, indem es Erinnerungsfotos von verstorbenen Kindern macht.
- Nathalie und Yvonne arbeiten ehrenamtlich für Herzensbilder.
- Die Fotografinnen und Fotografen sind darauf geschult, sensibel mit den Familien umzugehen.
Totgeburt, Krebs, Abschied im Spital: Situationen, an die sich viele nicht erinnern wollen – und doch wollen sie manche für immer festhalten. Dann kommt Herzensbilder zum Einsatz: Ehrenamtliche fotografieren Familien, die ein Kind verlieren oder in denen ein Familienmitglied schwerstkrank ist. Zwei von ihnen erzählen.
«Es geht nicht darum, die Trauer festzuhalten, sondern die Innigkeit.»
Nathalie Herren aus Tuttwil TG ist seit über zehn Jahren Teil des Projekts. Ihre Motivation: «Wenn ein Kind stirbt, schweigt man oft. Aber das Kind war da – auch wenn es tot ist. Es gehört zur Familie.» Komme es zu einer Totgeburt, verhielten sich viele, als wäre das Paar keine Eltern.

Doch Herren sage immer: «Ihr seid jetzt Mami und Papi geworden.» Ein Foto sei manchmal das Einzige, was der Familie bleibe. «Für die Eltern ist es kostbar.» Die Fotografin betont: Die Fotos, die sie mache, zeigten nicht den Tod – sondern Liebe. «Es geht nicht darum, die Trauer festzuhalten, sondern die Innigkeit. Die Verbundenheit.»
«Das Fotografieren soll für alle Beteiligten ein würdevolles Erlebnis sein.»
«Die Fotografinnen und Fotografen von Herzensbilder sind speziell darin geschult, einfühlsam mit den Familien umzugehen und das Neugeborene so zu fotografieren, dass berührende und ästhetische Bilder entstehen. «Wir schaffen Erinnerungen, die bleiben. Und es soll eine gute Erfahrung mit dem Kind sein – würdevoll, ästhetisch und liebevoll.»
«Ich erinnere mich an jedes einzelne Kind.»
Rund 130 Einsätze habe Herren bisher begleitet. Keinen davon werde sie vergessen, sagt sie. Bei ihrer Arbeit brauche es viel Fingerspitzengefühl: «Wir drängen niemanden, Fotos zu machen – jede Mutter und jeder Vater soll für sich selber entscheiden, ob sie das wollen. Aber viele sind im Nachhinein sehr dankbar, dass sie diese Erinnerungsbilder haben.»
Spenden

Viele Familien wissen im Voraus nicht, dass es das Angebot gibt, sagt die Fotografin. «Deshalb sind Hebammen, Pflegepersonal und Spitäler zentral – sie erzählen von uns, geben Flyer ab. Denn in diesem Moment funktioniert man nur noch, ist wie gelähmt. Rationales Denken ist kaum möglich», sagt die Fotografin. Die Einsätze seien für die Familien kostenlos, der Ablauf klar: «Wir nehmen uns Zeit, hören zu, geben Raum.»
«Wir verarbeiten in Gesprächen das Erlebte, das uns vielleicht belastet.»
Yvonne del Castillo aus Winterthur ist seit Anfang 2023 Teil von Herzensbilder. Sie habe Respekt vor jedem Einsatz, sagt sie. «Man ist so nah dran – im intimsten Moment, in der schlimmsten Situation für eine Familie. Das darf man nie als selbstverständlich ansehen.»
«Ich kann das Schicksal der Familien nicht ändern. Aber ich kann vielleicht einen winzigen positiven Moment schaffen.»
Jeder Einsatz sei einzigartig und emotional: «Oft sind die Situationen schwer und traurig. Doch es gibt auch Momente, in denen wir gemeinsam mit den Eltern lachen können.» Castillo mache keine Einsätze, wenn es ihr nicht gut gehe. «Man muss auch sich selbst schützen.» Die Selbstfürsorge der Fotografinnen und Fotografen sei zentral: «Wir haben für schwierige Situationen ein internes Peer-System. Wir verarbeiten in Gesprächen das Erlebte, das uns vielleicht belastet. Und ich kann nur fotografieren, wenn es mir gut geht.»

Beide Frauen sagen, ihre ehrenamtliche Arbeit habe auch sie selbst verändert. «Ich bin dankbarer geworden und demütiger dem Leben gegenüber», sagt Herren. «Ich habe einen Mann, der mich bei der Arbeit unterstützt, und gemeinsam haben wir gesunde Kinder – das ist nicht selbstverständlich. Mit dieser Arbeit will ich etwas zurückgeben.»
Sarah Lingg und ihr Ehemann Philipp haben 2017 kurz vor der Geburt ihren Sohn Lennard verloren. Weshalb sie sich für Herzensbilder entschieden haben, kannst du hier nachlesen.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Kind verloren?
Darum wurde das Kommentarfeld deaktiviert
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Anja Zobrist (zoa) ist Redaktorin und Content Creator im Ressort News und Gesellschaft. Das Journalistenhandwerk erlernte sie an der Ringier Journalistenschule in Zürich. Anschliessend absolvierte sie den CAS Innovation im Journalismus an der ZHAW Winterthur und dem MAZ Luzern.
