Hass-Attacke auf Ukrainer bei Veranstaltung von Unia

Aktualisiert

Abnehmende SolidaritätHass-Attacke auf Ukrainer: «Friss, du Schmarotzer»

Auf einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia wurden zwei ukrainische Geflüchtete von einem Paar angefeindet. Laut dem Verein «Good Friends for Ukraine» sind Vorfälle dieser Art kein Einzelfall.

Zwei Ukrainer mussten bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia eine Hass-Attacke über sich ergehen lassen.
Laut der Präsidentin des Vereins «Good friends for Ukraine» wächst der Unmut gegenüber geflüchteten Ukrainern in der Schweiz.
Besonders diejenigen, die nicht arbeiten, ernten Unverständnis. (Symbolbild)
1 / 4

Zwei Ukrainer mussten bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia eine Hass-Attacke über sich ergehen lassen.

20min/Anna Bila

Darum gehts

  • Zwei Ukrainer wurden auf einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia von zwei Personen angefeindet.

  • Eine warf ein Stück Kuchen auf den Boden und sagte: «Friss, du Schmarotzer.»

  • Laut dem Verein «Good friends for Ukraine» nehmen Anfeindungen gegenüber ukrainischen Geflüchteten zu.

Danylo* (48) und sein Freund Ihor* (67) besuchten vergangene Woche gemeinsam eine Veranstaltung der Gewerkschaft Unia in Arbon TG. Doch bereits kurz nach der Ankunft hätten sie sich unwohl gefühlt: «Uns gegenüber sass ein Paar, etwas älter als 50 Jahre, sie musterten Ihor von oben bis unten und schauten ihn mit missbilligenden Blicken an», erzählt Danylo. Der 48-Jährige ist Ukrainer und lebt seit sechs Jahren in der Schweiz. Ihor floh vor zwei Jahren wegen des Krieges aus der ukrainischen Stadt Odessa in die Schweiz. Seitdem lebt er bei Danylo.

«Ich fragte ihn, was ihm einfiele, so mit uns zu reden?»

Zunächst liessen sich die beiden nicht von den Blicken beeindrucken und unterhielten sich weiterhin auf Russisch. Doch kurz darauf eskalierte die Situation: «Ihor holte sich Kaffee und Kuchen. Daraufhin warf der Mann ein Kuchenstück vor Ihor hin auf den Tisch und sagte: ‹Friss, du Schmarotzer›», erzählt Danylo. Die beiden seien fassungslos gewesen. «Ich fragte ihn, was ihm einfiele, so mit uns zu reden?» Die Frau habe nur entgegnet, er könne sich ja bei den Veranstaltern beschweren, wenn ihm etwas nicht passe. «Das haben wir dann auch getan. Eine Mitarbeiterin entschuldigte sich für den Vorfall und nahm nach der Veranstaltung Kontakt mit mir auf.»

Auch noch Tage nach dem Vorfall sind Danylo und Ihor über das Verhalten des Paares schockiert. Ihrer Meinung nach ist dieser jedoch nur die Spitze des Eisbergs: «Ich glaube, dass noch viele weitere Menschen in der Schweiz so denken – nur wird es selten laut ausgesprochen.»

Unia bestätigt den Vorfall

Ein Sprecher der Unia bestätigt, dass der Vorfall nach der Veranstaltung gemeldet wurde. Man habe sofort Kontakt zum betroffenen Mitglied aufgenommen und stehe im engen Kontakt. Ein solches Verhalten werde seitens der Gewerkschaft nicht toleriert. «Wir versuchen gemeinsam mit dem Betroffenen, die Person zu identifizieren, die die Aussage gemacht hat. Sollte sich der Vorwurf bestätigen, wird das für diese Person entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen.»

«Good Friends for Ukraine» berichtet von zunehmendem  Unmut

Laut Julia Peters, Präsidentin des Vereins für geflüchtete Ukrainer «Good Friends for Ukraine», hat eine ablehnende Haltung gegenüber geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern seit dem letzten Jahr spürbar zugenommen. «Die anfängliche Hilfsbereitschaft hat sich in vielerlei Hinsicht in Unmut verwandelt. Positive Aussagen und Solidarität sind seltener geworden. Viele möchten nichts mehr über die Situation der Ukrainerinnen und Ukrainer hören oder darüber sprechen», sagt Peters. Es gebe auch extreme Fälle, die aber zum Glück selten vorkommen: «Vergangenes Jahr hat jemand Hundekot in unser Postfach gelegt.»

Ukrainer erleben weniger Anfeindungen

Im Vergleich zu anderen Geflüchteten in Europa werden Ukrainer besser behandelt als Menschen anderer Nationalitäten. Das ergab der Jahresbericht der europäischen Anti-Rassismus-Kommission Ecri. Allerdings gilt dies nicht für alle Ukrainer: Je nach Ethnie der Geflüchteten gibt es Unterschiede: Zum Beispiel sei die Unterbringung für Roma mit ukrainischer Staatsbürgerschaft schlechter gewesen als für andere Ukrainer. Hassvorfälle gegen Ukrainer seien zwar auch gemeldet worden, insgesamt sei der öffentliche Diskurs jedoch von Solidarität und Unterstützung geprägt gewesen.

Vor allem Geflüchtete, die keiner Arbeit nachgehen, stiessen auf Unverständnis: «Ich verstehe, wenn das Gehalt zu niedrig ist und nach allen Sozialabzügen nichts übrig bleibt, dass die Leute nicht motiviert sind zu arbeiten. Selbst manche Gemeinden raten ihren ukrainischen Bewohnern, keine schlecht bezahlte Arbeit zu nehmen und lieber weiter Deutsch zu lernen.»

Immer häufiger käme es zu kritischen Bemerkungen, vor allem gegenüber Männern, die nicht in der Ukraine kämpfen, sondern stattdessen hierherkommen. «Direkte Beleidigungen sind zwar selten, die allgemeine Stimmung ist jedoch angespannt.» Besonders auf Social Media nimmt die verbale Aggression spürbar zu, erzählt Peters. Wie lange der Verein noch weitergeführt werden könne, sei derzeit unklar: «Es mangelt sowohl am Verständnis als auch an der finanziellen Unterstützung, um unsere Projekte weiterzuführen.»

*Namen geändert

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt