Flüchtlingshelferin«Längst nicht alle Ukrainer fahren Luxuskarossen»
Flüchtlingshelferin Julia Peters ist in der Community gut vernetzt. «Unter den Vorurteilen gegen Autobesitzer leiden auch alle, die keine Luxuskarosse besitzen», sagt sie.
Darum gehts
Die Sozialämter ziehen die Schrauben bei ukrainischen Geflüchteten an.
Wer Sozialhilfe bezieht und teure Gegenstände wie Autos besitzt, muss diese verkaufen.
Flüchtlingshelferin Julia Peters ist betrübt über die Vorurteile, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind.
Ist der Verkauf der Autos in der ukrainischen Community ein Thema?
Es wird darüber gesprochen, aber von den fast 80’000 Menschen im Land betrifft es doch einen relativ kleinen Teil. Ich würde schätzen, dass ungefähr jeder 20. ein Auto hat – und das sind nicht alles Luxuskarossen, die jetzt verkauft werden müssen.
Die wenigen, die wie Viacheslav Bondarchuk ein Luxusauto haben, fallen dafür auf.
Ja, und das finde ich schade. Ich habe kürzlich ein längeres Interview gegeben, in dem es auch um das Thema Solidarität ging. Als Reaktion darauf erhielt ich viele Nachrichten wie diese von einem mir völlig unbekannten Mann: «Guten Tag Frau Peters. Solange die so armen, armen Flüchtlinge aus der Ukraine sich teure Mercedes mit Ledersitzen leisten können, sind das in meinen Augen keine echten Flüchtlinge.» Diese Mentalität stimmt mich traurig.
Greift die Argumentation zu kurz?
Natürlich! Das Beispiel von Herrn Bondarchuk zeigt exemplarisch, dass Menschen sich vor ein paar Jahren vielleicht noch ein Luxusauto leisten konnten, jetzt aber Nichts mehr haben. Dass Schweizerinnen und Schweizer teils so vorschnell urteilen, betrübt mich. Denn unter diesen Anschuldigungen leiden auch all die Geflüchteten, die kein Luxusauto besitzen.
Welche Probleme bringt der Verkauf der Autos mit sich?
Einerseits müssen die Menschen höhere Kosten für den Transport im ÖV bezahlen. Bei der so oder so schon knapp berechneten Sozialhilfe ist das nicht einfach. Es gibt aber auch ganz praktische Probleme: Viele ukrainische Frauen fahren Autos, die auf ihre Männer eingelöst sind. Sie können ja schlecht in den Krieg im Heimatland fahren, das Auto überschreiben lassen, es regulär in die Schweiz einführen und verzollen und dann hier verkaufen. Wie diese Probleme gelöst werden sollen, ist mir ein Rätsel.
Trotzdem geht es auch um Gleichbehandlung. Haben Sie dafür Verständnis?
Ja, ich verstehe das teilweise schon auch. Ich bin einfach dafür, dass man die Fälle individuell anschaut. Solche Autoverkäufe können sich unter Umständen für alle negativ auswirken. Wenn jemand jetzt keine Arbeit hat und sein Auto verkaufen muss und in drei Monaten erhält er ein Jobangebot, das er nur mit einem eigenen Auto antreten kann, bringt das niemanden etwas. Ich plädiere an die Gemeinden und die Sozialhilfestellen, Augenmass walten zu lassen.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.