Bundesratswahlen 2022Neulinge «keine Alphatiere» – dominiert Berset jetzt den Bundesrat?
Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider sind für Politologen und Politiker keine Alphatiere – im Gegensatz etwa zu Alain Berset. Kann dieser seine Macht ausbauen?
Darum gehts
Mit Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider wurden zwei gmögige Personen in den Bundesrat gewählt.
Doch sind sie genügend meinungsstark und durchsetzungsfähig?
Möglicherweise werde Bundespräsident Alain Berset nun als Amtsältester im Gremium seine Macht ausbauen können, sagen Politiker.
Mit Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider wurden zwei «gmögige» Personen in den Bundesrat gewählt - das wird von niemandem bestritten. Ebenso bringen sie Erfahrung und Know-how mit. Doch sind der Berner und die Jurassierin auch genügend meinungsstark und durchsetzungsfähig, um in der Landesregierung eine prägende Rolle einzunehmen und die drängenden Probleme wie den Streit mit der EU oder die Energieversorgung zu lösen? Politologen und Politikerinnen haben Zweifel.
«Bersets Chance»
«Elisabeth Baume-Schneider hat nicht den Eindruck gemacht, über grosse Führungsqualitäten zu verfügen», sagt etwa FDP-Nationalrat Marcel Dobler. Bei Albert Rösti sehe er diese Rolle eher, doch werde dieser etwas Zeit brauchen. Auf der anderen Seite sei Alain Berset vom Typ her eine Person, die eine Führungsrolle übernehme. «Würde Berset das wichtige Finanzdepartement als Querschnittsdepartement bekommen, würde er sicher mehr Einfluss bekommen.» Allerdings hätten FDP und SVP im Bundesrat auch weiterhin die Mehrheit.
Für Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan ist klar: «In der neuen Ausgangslage ist Alain Berset nun gewissermassen der starke Mann in der Regierung. Er ist Bundespräsident, er ist der Amtsälteste im Bundesrat und er hat Meinungsstärke und Führungsanspruch.» So gesehen sei die Rochade für ihn eine Chance, seinen Einfluss zu festigen oder gar auszubauen. «Ob ihm das gelingt, wird davon abhängen, wie motiviert er ist und wie gut er Brücken schlagen kann.»
Auch SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann rechnet damit, dass Alain Berset mindestens vorübergehend seinen Einfluss festigen kann. In seinen wichtigsten Dossiers Bildung, Gleichstellung und Gesundheit habe er sich schon in den letzten Jahren durchgesetzt, sagt sie. «Doch jetzt ist er natürlich im Vorteil als amtsältester und erfahrenster Bundesrat. Er kann jetzt die Politik stark prägen, bis die Neuen eingearbeitet sind.»
Sie traue den Neuen mittelfristig durchaus Leadership zu, sagt Steinemann. Zudem sei das schweizerische System bewusst auf Zusammenarbeit ausgelegt. Auch deshalb sei Elisabeth Baume-Schneider gewählt worden. «Man wollte jemanden, der mit Kollegen, Parlamentariern und Mitarbeitenden gut umgehen kann.»
«Sie müssen in der urbanen Schweiz erst noch ankommen»
Die beiden Neuen müssten sich in ihrer neuen Position erst einmal bewähren, sagt Politologe Claude Longchamp. Dafür bleibe nicht viel Zeit, denn die Krisen kündigten sich jetzt schon an und es brauche den Willen, die Probleme anzupacken.
«Ich zweifle nicht, dass beide Neuen im Bundesrat durch ihre gewinnende Art nach aussen wirken werden, im Kontakt mit der Bevölkerung und den Medien. Sie haben genügend Soft Skills, um einen Aufbruch zu signalisieren. Doch sie stehen beide vor der grossen Aufgabe, in der wirklich urbanen Schweiz erst noch anzukommen.» Noch seien Alain Berset und Karin Keller-Sutter die Alphatiere im Bundesrat, doch das könne sich auch einmal ändern. Rösti dürfte in der Energiefrage die Führung übernehmen, Baume-Schneider habe das Potenzial, im Asyldossier Leader zu werden.
«Mit Rösti und Baume-Schneider sind aber keine typischen Alphatiere in den Bundesrat gewählt worden», sagt auch Politologe Mark Balsiger. «Es gibt in jeder Regierung stärkere und schwächere Figuren, und Alain Berset ist eine starke Führungsperson.» Berset strahle wie auch Karin Keller-Sutter eine natürliche Autorität aus und nehme automatisch mehr Raum ein als andere. In der neuen Zusammensetzung könne sich das noch verstärken. «Ich traue aber auch Rösti zu, eine Führungsperson zu werden.»
Zentral für die Frage, wer im Siebnergremium wie viel Einfluss nehmen kann, wird nun die Departementsverteilung vom Donnerstag sein.
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