AutismusWinterthurer Bäckerei führt «Stille Stunde» für Autisten ein
Für Menschen mit Autismus kann der Alltag eine kaum überwindbare Herausforderung darstellen. Eine Bäckerei in Winterthur geht deswegen mit einem neuen Konzept an den Start.
Darum gehts
Kim Utzinger eröffnet am 26. Mai ihre Bäckerei in Oberwinterthur. Dort wird sie auch sogenannte «Stille Stunden» für Menschen mit Autismus anbieten.
Dabei werden Reize wie laute Geräusche und grelles Licht reduziert und wird möglichst auf die Bedürfnisse der Menschen eingegangen.
Utzinger lebt selbst mit Autismus. Sie findet, es gibt zurzeit in der Schweiz zu wenige Angebote, die Menschen mit Autismus die Teilhabe am Alltag ermöglichen.
«Mit dem Zug zur Arbeit fahren, Smalltalk oder telefonieren: Was für andere Alltag ist, kann für mich zum Albtraum werden.» Das Leben von Kim Utzinger ist geprägt von einer Wahrnehmungs- und Denkweise, die ihr nicht anzusehen ist. Sie lebt mit Autismus. «Als ich vor zwei Jahren meine Diagnose bekam, war das eine grosse Erleichterung. Endlich wusste ich, wieso ich ‹anders› bin als die anderen.»
Nun arbeitet sie aktiv daran, das Leben von Menschen mit Autismus einfacher, aber auch sichtbarer zu machen. Am 26. Mai eröffnet sie in Oberwinterthur ihre eigene Bäckerei «Bilkovas Bakery». Das Besondere daran: Ihr Angebot der «Stillen Stunden» an jedem Mittwochvormittag soll Menschen mit Autismus den Alltag vereinfachen.
Stille Stunden
Während der sogenannten Stillen Stunden nehmen Geschäfte besondere Rücksicht auf Personen mit Autismus und Menschen, die ähnliche Wahrnehmungs- und Denkweisen haben. Das Ziel ist, einen Ort zu schaffen, an dem sich diese Menschen möglichst wohl und sicher fühlen.
Bei Utzingers Bäckerei sieht dies etwa so aus, dass die Lichter gedimmt sind und Geräusche, wie Musik oder die klimpernde Kasse, reduziert werden. Das Konzept der Stillen Stunden gibt es bereits einige Jahre. In der Schweiz ist es aber noch nicht weit verbreitet. Wie Utzinger erzählt, gebe es hierzulande nur wenige Läden, die solche Angebote hätten.
Verwirklichung in der Selbstständigkeit
Im Bäckerei-Geschäft ist Utzinger komplette Quereinsteigerin. Zuvor hatte sie eine KV-Lehre gemacht. «Im traditionellen Berufsmarkt hatte ich extreme Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden», erzählt die 28-Jährige. Das Backen hingegen – besonders von tschechischen Guetzli – war für sie bereits von Kind auf eine Quelle der Freude.
Wie findest du das Konzept «Stille Stunden»?
«Vor rund einem Jahr brachte mich dann ein Bekannter auf die Idee, mit meiner Leidenschaft Geld zu verdienen.» Im März 2023 eröffnete Utzinger schliesslich mit der Hilfe ihrer Mutter und ihrer Schwester die erste eigene Bäckerei in Seen. «Auch wenn mich die Arbeit immer noch teilweise an meine Grenzen bringt, fühlte sich der Entscheid für die Selbstständigkeit wie eine weitere Befreiung an.»
«Es braucht viel mehr solche Angebote»
Der Bekannte sollte recht behalten. Die Bäckerei war ein Hit. Gar so sehr, dass nach knapp einem Jahr ein grösseres Ladenlokal nötig war. So landete sie schliesslich in Oberwinterthur. Dort startet Utzinger nun auch mit den Stillen Stunden. «Wir fangen erst mal mit den Mittwochvormittagen an, aber wir können uns gut vorstellen, das Angebot auszuweiten.»

In der Bäckerei bekommt Utzinger (r.) Unterstützung von ihrer Mutter (nicht im Bild) und ihrer Schwester (l.).
20min/jjNeben dem reinen Dienst für Menschen mit Autismus soll ihr Projekt auch Strahlkraft haben. «Wir hoffen in gewisser Weise, auch eine Vorreiterrolle übernehmen zu können. Denn es braucht viel mehr solche Angebote.» Sie erhoffe sich, den grösseren Geschäften aufzeigen zu können, dass solche Projekte gefragt seien und erfolgreich sein könnten.
In diesem Bereich gebe es generell noch viel zu tun, findet Utzinger. «Autismus wird in der Schweiz immer noch als Tabu-Thema angesehen. Es kann nicht sein, dass Menschen wie ich vom gesellschaftlichen Alltag ausgeschlossen werden, weil wir von der vermeintlichen Normalität abweichen.»
Lebst du oder lebt jemand, den du kennst, mit Autismus?
Hier findest du Hilfe:
Autismus Schweiz, Verein für Angehörige, Betroffene und Fachleute
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
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