Anna-Lisa Oggenfuss spricht über Brian Kellers Verhaftung

Am Donnerstagabend wurde der berühmteste Ex-Häftling der Schweiz erneut verhaftet. Dies, nachdem Brian Keller erst seit November des vergangenen Jahres wieder auf freiem Fuss war. Der Grund für die Verhaftung ist ein tätlicher Übergriff am Mittwochabend, bei dem Brian dem Tiktoker Skorp mehrere Schläge verpasste. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Anna-Lisa Oggenfuss war gemeinsam mit Rolf Riesen für das Sondersetting verantwortlich, in dem sich Brian 2012 bis 2013 aufhielt und dessen Kosten für mediale Kontroversen sorgten, und hat eng mit Brian zusammengearbeitet. Für sie ist die erneute Verhaftung tragisch – aber nicht unerwartet.

Frau Oggenfuss, was für einen Eindruck hatten Sie im Sondersetting von Brian?

Anna-Lisa Oggenfuss: Brian war damals in einem gut funktionierenden Sondersetting. Er hat dank der intensiven Betreuung Fortschritte gemacht und angefangen, sich zu integrieren. Dafür brauchte es viel und die vielen Massnahmen, wie die Therapie, die schulische Bildung und das Boxtraining, waren sehr teuer. Aber Brian begann, sich einzuordnen und Autoritätspersonen in seinem Leben zu akzeptieren. Dort hat Brian auch gezeigt, dass er eine weiche Seite hat.

Was ist mit diesem Fortschritt passiert?

Als die Justiz dem medialen Druck nachgegeben hat und ihn wieder aus dem Sondersetting ins Gefängnis gebracht hat, wurde unglaublich viel Vertrauen zerstört und Brian erneut traumatisiert. Dieses Vertrauen konnte seitdem nie wieder aufgebaut werden.

War eine erneute Verhaftung nach der Freilassung absehbar?

Brian wurde ohne jegliche begleitende Massnahme freigelassen, das hätte nicht passieren dürfen. Für uns war immer klar, dass das Boxtraining nicht reicht und es weitere Massnahmen braucht, um ihn wieder auf eine gesunde Laufbahn zu bringen. Brian ist schliesslich kein Unschuldslamm. Insofern kommt die erneute Verhaftung für mich leider überhaupt nicht überraschend.

Ich habe damit gerechnet, dass seine Situation für ihn eine Überforderung darstellen wird, da seine hoch traumatisierende Vergangenheit nie verarbeitet wurde. Ich habe mir bedauerlicherweise gedacht, dass er sich nicht halten wird.

Was macht die erneute Verhaftung mit Brian?

Dies ist natürlich schwierig zu sagen. Aber ich denke, zum einen bestätigt die Verhaftung Brian in seiner Opferhaltung. Er hat das Gefühl, dass er anders behandelt wird als andere und dass er scheinbar nicht in diese Welt passt. Ich denke, er wird sagen: «Andere würden nicht so behandelt werden.»

Zum anderen besteht die reale Gefahr einer Retraumatisierung für Brian. Die Erlebnisse aus seiner Vergangenheit könnten wieder hochkommen. Damit wird er kämpfen müssen.

Wie haben Sie die Nachricht von der erneuten Verhaftung erlebt?

Ich habe mich vor ungefähr drei Monaten noch mit ihm getroffen. Damals hat er sich gefreut, dass wir uns sehen, und mich zur Begrüssung in den Arm genommen. Wir haben dann gesagt, «wir treffen uns nach dem Ramadan auf etwas zu trinken». Daraus ist nun leider nichts geworden.