KriegssanktionenDarum könnte Russland vom Öl-Embargo der EU sogar profitieren
Die EU will Russland wirtschaftlich ruinieren. Ist das geplante Öl-Embargo dafür geeignet? Und was bedeutet es für die Schweiz? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Darum gehts
Die Folgen des Ukraine-Kriegs sind auch hierzulande spürbar: Tausende Menschen flüchten in die Schweiz, und die hohen Preise für Lebensmittel und Benzin belasten das Portemonnaie. Nun hat die Europäische Union (EU) mitten in diesem schwierigen Umfeld angekündigt, ab 2023 kein russisches Öl mehr zu beziehen.
Kommt dieses Embargo gut? 20 Minuten beantwortet die wichtigsten Fragen und Antworten.
Machen alle EU-Länder beim Embargo mit?
Nein, es sind Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei geplant. Da sie keinen Zugang zum Meer haben, wäre es für sie sonst schwierig, neue Lieferanten zu finden.
Was bedeutet das Öl-Embargo für die Schweiz?
«Die Schweiz ist vom Embargo nur indirekt betroffen», sagt der Rohstoffexperte Norbert Rücker von Julius Bär auf Anfrage. Denn sie beziehe ihr Öl grösstenteils aus europäischen Raffinerien und trage die Umstellung auf Alternativen so bereits mit. Steige der Ölpreis durch das Embargo aber weiter, spüre das auch die Schweiz.
Und wenn Europa das Öl ausgeht?
«Das wird nicht passieren», sagt Rücker. Der Ölmarkt sei flexibel und die europäischen Firmen bauten seit Wochen ihre Lieferketten um. Das russische Öl gelange nun anstatt nach Europa nach Asien oder anderswo hin. Der Ausfall sei weniger stark als befürchtet und betreffe nur rund ein bis eineinhalb Prozent des Marktes.
Gibt es an Schweizer Tankstellen bald kein Benzin mehr?
Nein, sagt Fabian Bilger, stellvertretender Geschäftsführer des Verbands der Treibstoffimporteure Avenergy Suisse. Exportiere ein Land in Europa weniger Öl in die Schweiz, springe wohl ein anderes ein. Zudem halte die Branche im Auftrag des Bundes Pflichtlager: Diese könnten den Verbrauch für Benzin, Diesel und Heizöl für alle für 4,5 Monate decken, und auch Treibstoff für Flugzeuge sei für drei Monate vorhanden.
Wie betrifft das Embargo die Raffinerie im Kanton Neuenburg?
Die Raffinerie in Cressier produziert etwa ein Viertel aller verkauften Erdölprodukte in der Schweiz und könnte laut Bilger auch bei einem Embargo normal weiterarbeiten. Die restlichen drei Viertel bezieht die Schweiz als fertigen Diesel oder fertiges Benzin, die beide nicht weiterverarbeitet werden müssen.
Was bedeutet das Öl-Embargo für Russland?
Das ist umstritten. Eigentlich hätte die EU bessere Alternativen, um Russland zu schwächen, sagt Julius-Bär-Experte Rücker – etwa Strafzölle. Die grosse Frage sei nun, ob der Westen Druck auf China und Indien ausübe – «dann hätte das Embargo einen viel grösseren Effekt». Russland würde dann kaum noch Abnehmer finden. In diesem Fall erwartet Rücker allerdings auch einen grösseren Ausfall und einen weiteren Anstieg des Ölpreises.
Profitiert Russland gar vom Embargo?
Das Embargo könnte Öl weiter verteuern, wovon auch Russland profitieren würde, sagt Rücker. Laut dem Internationalen Währungsfonds deckt das Land seine Produktionskosten ab einem Preis von zehn bis 15 Dollar pro Barrel. Aktuell liegt dieser bei über 100 Euro. Ganz so einfach sei es aber nicht, sagt Rücker: Russland müsse sein Öl nun unter Marktpreis verkaufen, um noch Käufer zu finden (siehe Box).
Auch Russland ist vom Öl abhängig
Schwächt das Embargo Russlands Position im Krieg?
Nein, sagt Rücker. Es sei illusorisch zu glauben, die Finanzierung des Krieges mit einem Öl-Embargo kurzfristig stoppen zu können, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Russland finde auch Abnehmer ausserhalb der EU, etwa China und Indien, denn der Grossteil des russischen Öls werde übers Meer transportiert. Um die Finanzierung des Krieges langfristig zurückzubinden, brauche es mehr Eigenproduktion und weniger Konsum in Europa. Auch der Fall Iran zeige, dass ein Embargo selten helfe, um politische Ziele zu erreichen.
Wie könnte Russland auf das Embargo reagieren?
Russland könnte Europa den Gashahn zudrehen. «Aber wenn Putin das macht, hat Russland ein gewaltiges Problem», sagt Rücker. Denn es sei schwierig, derart grosse Fördermengen einfach zu unterbrechen. Die Infrastruktur, die Förderstellen und die russischen Lager würden massiv darunter leiden.