MessagingDeshalb rauben dir Sprachnachrichten den letzten Nerv
Die einen lieben sie – doch viele mögen sie gar nicht. Der Medienpsychologe Gregor Waller erklärt, wieso Sprachnachrichten bei vielen so unbeliebt sind.
Darum gehts
Sprachnachrichten – yay or nay? Darüber wird auf Tiktok diskutiert.
Viele Leserinnen und Leser finden diese Art der Kommunikation mühsam. Andere erachten sie als praktisch – oder ausschliesslich für gewisse Situationen oder Ereignisse passend.
«Sprachnachrichten sind insbesondere bei Kindern und Jugendlichen beliebt und werden oft von ihnen genutzt», so Medienpsychologe Gregor Waller.
Weshalb du Sprachnachrichten liebst – oder wieso sie dir manchmal ganz schön auf den Geist gehen, erklärt Waller im Interview.
Sie sind persönlich, schnell erstellt – und noch schneller verschickt: Sprachnachrichten gehören heute bei vielen von uns zum Medienalltag. Doch nicht allen kommt das entgegen: Voice Messages sind nämlich bei vielen unbeliebt. Das zeigen auch zahlreiche User auf Social Media. In über 270 Tiktok-Videos verwenden Nutzer einen Ton einer männlichen Stimme, die eine Voicemessage mit vielen Ähms und Schmatzgeräuschen spricht – und verdrehen genervt die Augen, während sie ihm zuhören. Diese Videos werden millionenfach geschaut und tausendfach kommentiert. «Ich könnte ausflippen», «Sprachnachrichten sind das Schlimmste, was man mir antun kann», aber auch «Ich liebe es», schreiben User.
Auch die 20-Minuten-Community hat gespaltene Meinungen zum Thema. In einer Umfrage gaben 45 Prozent der Leserinnen und Leser an, sich zu ärgern, wenn sie Sprachnachrichten erhalten – und auch keine aufzunehmen. Dagegen finden 13 Prozent sie selbst praktisch, hören sie aber nicht gerne. 19 Prozent der Community-Mitglieder gaben allerdings an, dass sie Voicemessages super fänden und sie sowohl gerne verschicken wie auch empfangen.
Das denken Leserinnen und Leser über Sprachnachrichten
Wer heute Voicemessages verwendet und wieso sie so polarisieren, erklärt Gregor Waller, Medienpsychologe von der ZHAW.
Herr Waller, wie beliebt sind Sprachnachrichten bei Schweizerinnen und Schweizern?
Sprachnachrichten sind insbesondere bei Kindern und Jugendlichen beliebt und werden oft von ihnen genutzt. Grundsätzlich gilt: Je älter, desto eher werden Textnachrichten verschickt.
Wie häufig verwenden wir sie?
Zahlen haben wir nur von der jüngeren Altersgruppe. Laut der James-Studie 2020 nutzen 12-19-Jährige Sprachnachrichten intensiv: Drei Viertel von ihnen verwenden sie täglich oder mehrmals pro Woche. Dabei verwenden junge Frauen Sprachnachrichten häufiger als junge Männer: 86 Prozent der Frauen nutzen Sprachnachrichten täglich oder mehrmals pro Woche – während es dagegen nur 61 Prozent der jungen Männer sind.
Was mögen wir an Sprachnachrichten?
Sprachnachrichten vermitteln Nähe und Intimität. Sie sind lebhaft und wir können damit unsere Emotionen zeigen. Gerade für private freudige Botschaften empfinde ich Voicemessages als passend.
Wieso nerven sie uns? Was genau stört uns daran?
Sie werden oft ineffizient eingesetzt. Es ist mühsam, wenn mir ein Kollege per Sprachnachricht vier Termine für ein Treffen vorschlägt und ich die Nachricht dreimal hören muss, bis ich alles erfasst habe. Auch der Absender der Nachricht und die Beziehung zu ihm spielen eine Rolle. Je näher die Beziehung, desto eher passen Sprachnachrichten. Im Arbeitskontext finde ich sie weniger passend. Zudem können wir über Sprachnachrichten mehr transportieren als über eine Textnachricht: Freude, Trauer, Bedrücktheit, Nervosität. Über die Stimmlage des Absenders erkennt man, wie es ihm geht. Diese Information kann, je nach Absender oder Situation, in der man sich selbst befindet, passend oder auch unpassend sein.
«Es stellt sich immer die Frage, ob die Nachricht passend zum Empfänger und zum Kontext ist.»
Gibt es Dos und Don’ts?
Es stellt sich immer die Frage, ob die Nachricht passend zum Empfänger und zum Kontext ist. Etwa für das berufliche Umfeld eignet sich die gute alte E-Mail besser. Dann bin ich überzeugt, dass kurze, prägnante Sprachnachrichten besser ankommen als minutenlange, ausufernde Monologe. Auch verzichte ich auf Sprachnachrichten, wenn ich in einer lauten Umgebung bin. Die Hintergrundgeräusche werden ja auch aufgezeichnet.
Inwiefern unterscheiden sich Sprachnachrichten und Combox?
Hat die eine die andere abgelöst? Die Combox wird heute nur noch wenig verwendet. Der entscheidende Unterschied zur Sprachnachricht ist, dass die Combox ja erst aktiviert wird, wenn der Anruf nicht entgegen genommen wird. Geplant war eigentlich ein klassischer Telefonanruf mit einem synchron geführten Austausch. Bei Sprachnachrichten wählen wir zum Voraus bewusst eine asynchrone Form der Kommunikation.
Was für Beobachtungen machen Sie bezüglich dem Telefonieren?
Ältere Menschen, die Telefongespräche gewohnt sind, nutzen diese Form auch heute noch rege. Dem entgegengesetzt sagen uns junge Menschen schon seit zehn Jahren, dass das Telefonieren für sie immer weniger wichtig werde. Jugendliche bevorzugen Text- oder Sprachnachrichten, damit sie mehr Zeit haben, um sich eine Antwort zu überlegen.
«Jüngere Menschen haben teilweise wenig Übung, digital synchron zu kommunizieren, zum Beispiel in Form eines Telefongesprächs.»
Womit hat das zu tun?
Jüngere Menschen haben teilweise wenig Übung, digital synchron zu kommunizieren, zum Beispiel in Form eines Telefongesprächs. Während ihrer Mediensozialisierung war die Möglichkeit der asynchronen digitalen Kommunikation bereits da: E-Mail, SMS oder Messenger-Apps gab es für sie immer schon. Auch spielen wohl Persönlichkeitsmerkmale wie Extraversion und Introversion eine Rolle. Extrovertierte haben weniger Hemmungen bezüglich eines Telefonats, während Introvertierte asynchrone Kommunikation mittels Sprach- oder Textnachrichten bevorzugen.
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