Diaphin-ProgrammDealer-Vorwürfe gegen Opioid-Abhängige: Betroffener wehrt sich
R.* ist Opioid-abhängig, seit er 14 Jahre alt ist. Einmal pro Woche bekommt er einen Heroin-Ersatz. Nach Medienberichten wehrt er sich gegen den Vorwurf, damit zu dealen.
Darum gehts
In Zürich wird der Heroin-Ersatz Diaphin jeweils für eine Woche ausgegeben.
Vielen Betroffenen ermöglicht das ein normales Leben, da sie nicht täglich zur Ausgabestelle kommen müssen.
Das Herausgeben grösserer Mengen hat aber auch zu einem Schwarzmarkt der Substanz am Zürcher HB geführt.
Ein Betroffener wehrt sich jetzt gegen den Vorwurf, mit Diaphin zu dealen – und wünscht sich gar Monatsrationen.
Einmal pro Woche bezieht R.* seinen Heroin-Ersatz Diaphin bei der Ausgabestelle der Arud. Der 22-Jährige ist zwar abhängig, führt aber ein relativ normales, autonomes Leben. Eine der Voraussetzungen dafür: Er muss nicht jeden Tag zur Ausgabestelle. Er sagt: «Der Konsum ist durch das Programm in meinem Leben zur Nebensache geworden. Müsste ich jeden Tag zur Arud, könnte ich nicht arbeiten, verreisen, nicht mal wegziehen.» Die Ausgabe des Diaphins wurde während der Corona-Pandemie auf eine Woche ausgeweitet und seither nicht wieder heruntergefahren.
Was für R. die Basis ist, um seinen Alltag zu meistern, hat aber auch eine Schattenseite: «SRF» berichtete, dass der illegale Diaphin-Handel am Zürcher HB durch die Wochenausgabe zugenommen habe. Süchtige verkauften dort Teile ihrer Wochenration , um sich Geld für andere Drogen zu beschaffen. Ein Betroffener im Bericht wird zitiert: «Das machen wirklich alle.»
Nur fünf bis zehn Prozent dealen mit Diaphin
Dem widerspricht R. vehement. Er deale nicht mit der Substanz, sondern brauche sie, um ein normales Leben führen zu können. Er wünschte sich, dass er nur einmal pro Monat zur Abgabestelle müsste und dort gleich eine ganze Monatsration erhielte: «Das würde mir zusätzliche Autonomie verleihen. Bei Substanzen wie Morphin und Methadon wird es bereits so gemacht.» Auch wenn R. am liebsten irgendwann ein Opioid-freies Leben führen will, ist er aktuell auf die Substanzen angewiesen. «Es kann nicht sein, dass dieser kleine Anteil dem Ruf des ganzen Programms schadet.»
«Nur etwa fünf bis zehn Prozent der Teilnehmer verkaufen das Diaphin weiter.»
SRF konfrontierte Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie bei Arud, mit der Behauptung, dass «alle» dealen. Er sagt, dass nur ein sehr kleiner Anteil wirklich am Gleis 3 mit den Tabletten deale und bestätigt diese Aussage auch gegenüber 20 Minuten. «Das sind etwa fünf bis zehn Prozent, diejenigen, die schwerstabhängig und instabil sind». Für solche Fälle arbeite man eng mit der Polizei zusammen, die regelmässig Kontrollen, auch in zivil, durchführe. «Zusätzlich patrouilliert unser eigener Sicherheitsdienst an und um das Gelände und meldet möglichen Missbrauch. In diesen Fällen werden die Mitgaben sofort gestoppt.»
R. wünscht sich eine monatliche Diaphin-Ausgabe
«Die meisten unserer Patienten führen aber ein geregeltes Leben. Für sie hat sich durch die wöchentliche Ausgabe vieles zum Besseren verändert», so der Chefarzt. Das habe man beispielsweise anhand einer Umfrage gesehen: «Viele der Diaphin-Patienten haben gesagt, sie hätten sich niemals vorstellen können, dass das Leben mit dieser neuen Freiheit so viel schöner sein kann.» Deswegen spricht sich auch der Arzt auch dafür aus, dass die Ausgabe auf 30 Tage erhöht wird. «Das Gesetz, das dies momentan noch verbietet, muss aus medizinischer Sicht revidiert werden.»
Den Zürcher Diaphin-Hotspot siehst du auch in der Fentanyl-Reportage von 20 Minuten vom November 2023 (ab Minute 4:30).
Video: 20min/ Celia Nogler, Noah KnüselR.s lange Sucht
R. rutschte bereits zu Schulzeiten in die Sucht, mit 14 fing er an, Opioide zu konsumieren: Angefangen hat er mit Oxycontin, einem Medikament mit stark euphorisierender und schmerzstillender Wirkung. «Ich habe die Tabletten im Darknet bestellt.» Anfangs nahm er sie nur am Wochenende, dann irgendwann auch unter der Woche. «Nach zwei Jahren habe ich dann gemerkt, wie ich körperlich und psychisch abhängig geworden bin.»
Was hältst du von einem liberaleren Umgang mit Diaphin?
Auf die Frage, was ihn überhaupt dazu bewogen hat, sagt er: «Ich war immer auf der Suche nach einem extremen Kick, brauchte mehr. Die Tabletten haben mir Befriedigung gegeben – aber nur am Anfang. Ich war sicher, es kontrollieren zu können.» Das hat nicht geklappt. Jetzt hofft R. darauf, dass die Diaphin-Substitution bald noch weiter liberalisiert wird – und es irgendwann mit dem Ausstieg klappt.
*Initial geändert
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