Himars-Beschuss: Rakete zischte direkt an 20-Minuten-Reporterin vorbei

Aktualisiert

Ann in der Ukraine«Die Himars-Rakete zischte direkt an unserem Auto vorbei»

20-Minuten-Reporterin Ann Guenter berichtet aus der Ukraine. Auf dem Weg näher an die Front blockierte plötzlich ein Raketenwerfer die Strasse – und eröffnete das Feuer auf russische Ziele.

20-Minuten-Reporterin Ann Guenter war überrascht, als wenige Meter vor ihr auf der Strasse plötzlich ein Mehrfachraketenwerfer-System HIMARS stand – und das Feuer auf russische Ziele eröffnete. 

20min/Ann Guenter

Darum gehts

  • 20-Minuten-Reporterin Ann Guenter berichtet aus der Ukraine über den Krieg. 

  • Am Montag gelang ihr eine seltene Aufnahme: Wenige Meter vor ihrem Auto stand ein Mehrfachraketenwerfer Himars. 

  • Die ukrainischen Soldaten, die ihn bedienten, feuerten eine Rakete auf feindliche Ziele ab. 

  • «Die Wucht dieser Waffe macht einen ehrfürchtig», sagt die 20-Minuten-Reporterin. 

20-Minuten-Reporterin Ann Guenter berichtet aus dem Krieg in der Ukraine: «Es war am Montag, 6. März, kurz nach 14 Uhr nachmittags. Wir waren auf dem Weg nach Slowjansk, einer Stadt in der Oblast Donezk im Osten der Ukraine. Zuvor hatten wir ein Team begleitet, das gefallene Soldaten birgt. Davon in den kommenden Tagen mehr. Wir bogen um eine Kurve – und da stand es quer auf der Landstrasse, das Lastwagenfahrgestell mit dem Mehrfachraketenwerfer-Artilleriesystem Himars (High Mobility Artillery Rocket System).

Vor uns stand ein Taxi, das ebenfalls nicht weiterfahren konnte und dessen Fahrer bestimmt auch etwas verdattert war ob diesem seltenen Anblick. Sofort kam Spannung auf, es war klar, dass die Soldaten feuern würden. Denn die Feuerleitanlage des Waffensystems war aufgerichtet.

«Die Rakete zischte direkt an unserem Auto vorbei»

Zudem sind Himars so teuer, dass man damit nicht zum Spass herumkurvt: Russische Drohnen könnten das System sofort entdecken. Entsprechend rasch muss alles gehen. Dennoch warteten wir sicher zehn Minuten und hatten Zeit, die für das ganze System benötigten zusätzlichen Fahrzeuge zu betrachten. Dann war ein metallisches, zischendes Klicken zu hören: Die Soldaten hatten das Startsystem eingeschaltet.

Nach weniger als einer Minute erfolgte der Abschuss, laut, sehr laut, die Rakete zischte direkt an unserem linken Seitenfenster vorbei. Was mir dabei durch den Kopf ging? Es ist nicht ganz leicht, das zu beschreiben: Die gewaltige Wucht erfüllt einen mit Ehrfurcht, man fühlt sich verletzlich und ist gleichzeitig fasziniert. Mir schossen allerhand Fragen durch den Kopf. Bleibt es bei dem einen Abschuss? Wo schlägt die Rakete gleich ein? Werden jetzt, zig Kilometer weiter, russische Soldaten sterben? Oder war das Ziel ein russisches Munitionslager, ein für die russische Versorgung wichtiger Streckenabschnitt?

«Man starrt fasziniert auf die Rauchschwaden»

Gleichzeitig starrt man fasziniert auf die Rauchschwaden, die nach dem Abschuss kurz alles umhüllen, sich dann langsam verflüchtigen und den Blick wieder auf das tödliche System freigeben. Es sollte bei dem einen Abschuss bleiben. Die Feuerleitanlage glitt lautlos herunter, der Soldat, der die Strasse gesperrt hatte, stieg in sein Fahrzeug und keine Minute später fuhr der Konvoi an uns vorbei, lichthupend, wie um sich zu bedanken, dass wir im Auto gewartet hatten.»

Wie wichtig die Himars-Systeme für die Ukraine sind, erklärt Mauro Mantovani von der Militärakademie an der ETH (Milak). «Damit können russische Führungszentren und Nachschubknotenpunkte tief im Hinterland zerstört werden.» Der Vorteil der Himars: «Sie sind sehr präzise und können schnell verschwinden: Oftmals hat die Himars bereits ihren Standort gewechselt, noch bevor die Rakete im Ziel einschlägt und die Russen berechnen können, woher sie kam», so Mantovani.

Die bisherige Munition könne eine Reichweite von 80 Kilometer erreichen. In den kommenden Tagen dürfte neue Munition mit einer Reichweite von etwa 150 Kilometern eintreffen. «Bereits jetzt sind die Ukrainer mit den Himars auch beim sogenannten Konterbatteriefeuer den Russen überlegen», erklärt der Milak-Experte.

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