Genderneutrale Erziehung: Warum die Methode nichts für alle ist

Mädchen spielen gerne Kochen, Jungen wollen sich lieber raufen: Klischees wie diese sind auch heute noch weit verbreitet.

Mädchen spielen gerne Kochen, Jungen wollen sich lieber raufen: Klischees wie diese sind auch heute noch weit verbreitet.

Pexels/Polesie Toys
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Expertin im InterviewWarum eine geschlechtsneutrale Erziehung nicht für alle ist

Genderneutrale Erziehung will weg von geschlechtsspezifischen Klischees. Doch ist unsere Gesellschaft schon so weit? Eine Expertin ordnet ein.

Spätestens zur Geburt ist er da: Der Rosa-blaue Faden, der sich durch das Leben eines Kindes zieht. Beim Pailletten-Pullover mit der Aufschrift «Cute» oder den Piraten-T-Shirts auf denen «Boss» steht, ist sofort klar, welches Teil für welches Geschlecht bestimmt ist. 

Hast du Kinder?

Ein Albtraum für alle Eltern, die ihren Nachwuchs geschlechtsneutral erziehen möchten. Die Methode, die auch als geschlechtsoffen bezeichnet wird, fängt jedoch bei Traktoren und Prinzessinnen erst an.

Definition

Geschlechtsneutrale Erziehung macht keinen Unterschied zwischen Jungen und Mädchen – jedes Kind soll sich frei entwickeln können. Die Methode ermöglicht Identifikation mit Geschlechtern, möchte aber nicht darauf begrenzen. Zudem soll auf den Unterschied zwischen dem biologischen und sozialen Geschlecht aufmerksam gemacht werden.

Zwischen Jungen und Mädchen wird kein Unterschied gemacht.

Zwischen Jungen und Mädchen wird kein Unterschied gemacht.

Pexels/Olia Danilevich

Doch ist das umsetzbar? Laut der Zürcher Familienberaterin Katja Stäheli solle man sich als Eltern zuerst die Frage stellen, wie man dazu steht. «Ist es Thema, weil es gerade in Mode ist oder möchte ich mich bewusst mit den Werten auseinandersetzen und diese auch authentisch vorleben?», stellt die entwicklungspsychologische Beraterin in den Raum. 

Über die Expertin

Dabei sollte das Thema offen behandelt werden. «Es kommt stark darauf an, welchen kulturellen oder religiösen Hintergrund man hat – auch dieser Aspekt muss respektiert werden.»

Klar kommunizieren

Früher oder später wird man mit Geschenken in Rosa oder Blau konfrontiert. Hier gilt es, richtig zu reagieren. «Jede Familie muss für sich einstehen», sagt die Expertin. «Wenn jemand geschlechtsneutral erziehen möchte, sollte man das auch der Verwandtschaft mitteilen», so Stäheli weiter. Jedoch müsse man damit rechnen, dass Personen aus dem Umfeld ihr stereotypisches Denken weiterführen werden.

Dino-Spielzeug wird eher Jungen als Mädchen zugeordnet.

Dino-Spielzeug wird eher Jungen als Mädchen zugeordnet.

Pexels/Cottonbro Studios

«Einem Säugling und eigentlich auch den Kindern, ist es egal, was sie tragen oder womit sie spielen – es ist mehr die Gesellschaft, die Kindern Rollen, sprich Mädchen oder Junge, zuordnen will», so Stäheli. «Dabei ist es viel wichtiger, dass ein Kind willkommen ist und sich in seinem Dasein wohl und angenommen fühlt.»

Nicht intervenieren

Zeigt ein Kind von sich aus eine Präferenz, die dem Geschlecht nicht kategorisch zugeordnet ist, solle man als Elternteil keinesfalls intervenieren. Dazu zählt auch das Experimentieren mit Geschlechterrollen. «Im frühkindlichen Alter kommt das vor, zum Beispiel, indem sich Kinder verkleiden», sagt Stäheli. «Sie sehen, wie sich Mama schminkt – weshalb sollten sie es nicht ausprobieren?», so die Beraterin. Laut Stäheli gehört Experimentieren zur gesunden Entwicklung dazu. Das Kind lerne, sich gegenüber allen Menschen offen zu verhalten.

«Einem Kind, ist es egal, welche Kleider es trägt – es ist mehr die Gesellschaft, die Kindern Rollen zuordnen will», sagt die Expertin.

«Einem Kind, ist es egal, welche Kleider es trägt – es ist mehr die Gesellschaft, die Kindern Rollen zuordnen will», sagt die Expertin.

Unsplash/Ben Wicks

Weniger bewerten

«Schwierig wird es, wenn das Verhalten von anderen verurteilt wird und es zu Mobbing kommen kann», sagt Stäheli. «Irgendwann steht man vor unangenehmen Aussagen von anderen Kindern, die genderbezogene Themen noch nicht einordnen können.» Laut der Expertin ist unsere Gesellschaft noch nicht so weit, dass man überall so akzeptiert wird, wie man ist.

«Wir haben gelernt, jeden und alles zu bewerten. Besser wär es, zu erwähnen», so Stäheli. Lieber solle man das Kind etwa fragen, was ihm an Einhörnern so sehr gefalle. Laut Expertin wird so den Kindern vermittelt, dass man sich für sie und ihre Meinung interessiert. «Mit solchen Aussagen wird das Kind in seinem Selbstbewusstsein gestärkt und spürt, dass es angenommen wird, wie es ist», sagt Stäheli.

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