«Auf kleiner Flamme sterben»: Für Ausbruch bestraft? Schweizer IS-Jihadisten klagen in Haft über Folter

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«Auf kleiner Flamme sterben»Für Ausbruch bestraft? Schweizer IS-Jihadisten klagen in Haft über Folter

Zwei Schweizer, die sich dem «Islamischen Staat» angeschlossen haben und in Nordostsyrien in Haft sitzen, klagen über Folter. Auch ein britischer Häftling sagt: «Wir sterben wie die Fliegen.»

Der Romand Daniel D. klagt im nordsyrischen Gefängnis über Stromstösse, Tritte, Schläge mit Kabeln und Gürteln. 
Ein «Rundschau»-Reporter sprach mit dem IS-Anhänger, der …
… verglichen mit 2019 noch ausgemergelter wirkte. 
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Der Romand Daniel D. klagt im nordsyrischen Gefängnis über Stromstösse, Tritte, Schläge mit Kabeln und Gürteln. 

Screenshot «Rundschau»

Darum gehts

  • Zwei Schweizer IS-Anhänger sitzen seit 2019 in Nordsyrien in Haft. 

  • Sie beklagen gegenüber der «Rundschau» Nahrungsmangel und Folter im Gefängnis. 

  • In der Schweiz hat man keine Kenntnis von Foltervorwürfen. 

  • Allerdings bestätigt auch ein britischer IS-Häftling: «Wir sterben wie die Fliegen.»

Seit dem Ende des «Kalifats», das die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zwischen 2014 und 2019 errichtete, sitzen Zehntausende mutmassliche IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen in Nordsyrien. Darunter auch die Schweizer Daniel D., Damian G. und Aidan B.

Ein «Rundschau»-Reporter besuchte die beiden erstgenannten Kämpfer und hört: «Sie lassen hier die Leute auf kleiner Flamme sterben. Es ist unmenschlich, so zu sterben.»

Die beiden Schweizer klagen über Hunger, Folter mit Stromstössen und Schläge mit Kabeln und Gürteln. Sie würden in Autoreifen gesteckt und herumgerollt. Sichtbare Folterspuren wiesen sie offenbar nicht auf.

Bestrafung für Ausbruchsversuch? 

«Folter in unseren Gefängnissen» schliesst der Repräsentant der kurdischen Autonomieverwaltung, Abdulkarim Omar, aus – nicht aber «Einzelfälle». In der Schweiz hat der Bund keine Kenntnis von Foltervorwürfen. Allerdings weiss 20 Minuten von Klagen anderer in Hasaka inhaftierter IS-Anhänger. Sie würden mit Essensentzug bestraft für den äusserst gewalttätigen Ausbruchs- und Stürmungsversuch, behauptet ein britischer Häftling (36). 

Er meint das Massaker im al-Sina’a-Gefängnis vor genau einem Jahr. IS-Häftlinge überwältigten die Wärter und verschanzten sich mit Geiseln, während von aussen Hunderte IS-Kämpfer mit Selbstmordattentätern anstürmten. Erst nach Tagen wurde die Kontrolle wiedererlangt. Bilanz: 346 getötete IS-Kämpfer und 154 Todesopfer aufseiten der kurdischen Anti-IS-Allianz. 

«Befreiungsversuch hat alles verschlimmert»

Der Befreiungsversuch habe alles noch verschlimmert, beklagt der inhaftiert Londoner jetzt: Teile des Gefängnisses seien bei der knapp gescheiterten Erstürmung so schwer beschädigt worden, dass nun weniger Gefängnistrakte und Zellen zur Verfügung stünden.

Das begünstigt den Ausbruch von Krankheiten wie Tuberkulose: «Wir sterben wie die Fliegen», sagte er im Dezember. 

Mit 11 Jahren nach Syrien, mit 17 an Tuberkulose gestorben

Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch veröffentlichen seit 2020 Berichte über tödliche Tuberkuloseausbrüche in al-Sina’a und anderen Gefängnissen für IS-Verdächtige. Letzten Juli starb ein australischer Teenager (17) im Gefängnis von Hasaka an Tuberkulose. 

Er war als Elfjähriger von seinen Eltern nach Syrien gebracht worden. Seit 2019 sass er in einem Zellenblock für Minderjährige in kurdischer Haft. Australien hatte seine Repatriierung verweigert. 

Selma S. mit ihrer Tocher in Camp Roj im Februar 2019.

Selma S. mit ihrer Tocher in Camp Roj im Februar 2019.

20 Minuten/ 20 Minuten

Rückführungen

«Die Schweiz muss wohl das Dossier neu anschauen»

Angehörige der inhaftierten ausländischen IS-Kämpfer harren seit 2018 zu Tausenden in kurdischen Lagern aus. Auch Selma S., die Ehefrau von Aidan B., die mit ihrer Tochter in Camp Roj lebt. Der Bundesrat würde die Sechsjährige ohne die Mutter in die Schweiz zurückholen – was durchs Band zunehmend kritisiert wird.

Die Kinder könnten für alles am wenigsten, so SVP-Nationalrat Franz Grüter zur «Rundschau». Mitte-Ständerat Pirmin Bischof sagt: «Das Kind von der Mutter zu trennen, ist keine Lösung.» Die Schweiz müsse wohl das Dossier neu anschauen. Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan fordert: «Die Mutter, die sich dem IS angeschlossen hat, muss hier (in der Schweiz) ihre Strafe absitzen.» 

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