KindererziehungNeuer Gesetzesartikel will Körperstrafen verbieten
Der Ständerat entscheidet diese Woche über einen neuen Gesetzesartikel, der Gewalt an Kindern verbietet. Der Nationalrat hat schon zugestimmt.
Darum gehts
Heute ist Gewalt in der Erziehung im normalen Rahmen erlaubt.
Künftig soll ein Artikel im Zivilgesetzbuch dem Kind das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung einräumen.
Der Bundesrat ist dagegen, der Nationalrat dafür. Nun entscheidet der Ständerat.
Worum geht es beim Recht auf gewaltfreie Erziehung?
In der Schweiz sollen Kinder ein gesetzlich verbrieftes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben. Damit sollen sie vor körperlichen Bestrafungen, seelischen Verletzungen und anderen entwürdigenden Massnahmen geschützt werden. Dafür reichte Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach bereits 2019 eine Motion ein – sie will einen entsprechenden Artikel im Zivilgesetzbuch aufnehmen. «Auch Ohrfeigen oder Klapse erniedrigen und demütigen ein Kind, sie sind schädlich für seine Entwicklung – ebenso psychische Grausamkeit», schreibt sie. SP-Nationalrätin Franziska Roth unterschrieb die Motion ebenfalls. Für sie sei es unverständlich, dass Eltern per Gesetz immer noch ihre Kinder schlagen dürften – im Namen der Erziehung. «Väter und Mütter dürfen ihr Kind züchtigen, das ist die Alltagsrealität in der Schweiz», sagt sie. Das dürfe nicht straffrei bleiben.
Wer unterstützt die Motion?
Die Motion wurde von Vertreterinnen und Vertretern aller Parteien unterzeichnet – querbeet von SP bis SVP. Der Nationalrat nahm die Motion vergangenes Jahr an – der Bundesrat lehnte die Motion jedoch ab und begründete seine Entscheidung damit, dass sich das Verhalten der Eltern kaum in einer gesetzlichen Regel befriedigend umschreiben lasse. Ein Gesetz könne zudem auch Angst vor staatlichem Interventionismus schüren. Der Bundesrat wolle daher eher auf Kinder- und Jugendhilfesysteme setzen. Nun debattiert der Ständerat voraussichtlich am 14. Dezember über die neue Verankerung im Gesetz.
Gibt es also bald Strafen für eine Ohrfeige?
Das neue Gesetz sei nicht in erster Linie für die Justiz, es sei ein Signal an die Eltern, so Franziska Roth. Eine Studie zeige, dass Eltern ihr Verhalten anpassen, wenn sie mehr über die Folgen von Gewalt wissen. 70 Prozent fänden, ein Gesetz würde helfen, Gewalt zu vermeiden. Das Zivilgesetzbuch regle nicht, was bestraft werden soll, sondern regle unser Zusammenleben. «Dieses schreibt heute schon vor, dass Kinder diverse Rechte haben – aber bei der Gewalt schreibt es nichts vor», so die SP-Nationalrätin. Für sie gehöre jegliche Form von Gewalt verboten.
Das sagt ein Jugendpsychologe
Jugendpsychologe Philipp Ramming ist unsicher, ob der ZGB-Artikel die Situation für Kinder verbessert. «Viel wichtiger wäre, dass die psychische systematische Gewalt im Gesetzesartikel verankert wird. Denn es komme oftmals vor, dass beispielsweise Mütter mehrere Tage oder Wochen nicht mehr mit dem Kind reden. «Das ist aber längst keine Bestrafung mehr, sondern Rache – das ist psychische Grausamkeit gegenüber dem Kind», so der Psychologe.
«Ausrutscher bei der Erziehung sind zwar nicht gut, aber nachvollziehbar», meint Ramming. In der Erziehung gebe es Situationen, in denen man an die persönlichen Grenzen stosse. Ramming spricht von zwei Formen der Gewalt: Zum einen könnten Eltern die Nerven verlieren und deshalb mit einer Ohrfeige oder einem Klaps auf den Po reagieren – das andere sei systematische körperliche oder psychische Gewalt.
Die Grenze zwischen strenger Erziehung und Gewalt sei für Ramming klar: «Eine strenge Erziehung umfasst enge Grenzen beim Verhalten und Benehmen, die Sanktionen mit sich ziehen. Gewalt hingegen ist, wenn systematisch unverhältnismässige Mittel verwendet werden, um ein Kind zu brechen.» Das Kind beispielsweise mal ohne Abendessen ins Bett zu schicken, sei für ihn keine harte Bestrafung – auf ein Kind so lange einzureden, bis es erschöpft Ruhe gibt, sei hingegen psychische Grausamkeit.
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