«Golden Promise»Im Norden Zürichs wächst bald Gen-Gerste hinter Gittern
Die Welt verändert sich. Und damit die Herausforderungen. Einer hoffen Forscher in Zukunft mit besonders ertragreichen Gerstensorten zu begegnen. Dabei soll die Genschere Crispr/Cas9 helfen.
Darum gehts
Die Forschungsanstalt Agroscope hat die Bewilligung erhalten, im Norden von Zürich Feldversuche mit gentechnisch veränderter Gerste zu starten.
Der Startschuss soll im Frühjahr 2024 fallen.
Der Versuch soll zeigen, ob mithilfe der Genschere Crispr/Cas9 der Ertrag gesteigert werden kann.
Im Norden der Stadt Zürich dürfen Experimente mit gentechnisch veränderter Sommergerste stattfinden. Die Forschungsanstalt Agroscope hat vom Bundesamt für Umwelt Bafu grünes Licht für einen entsprechenden Feldversuch erhalten. Dieser soll laut Mitteilung im Frühling 2024 auf der Protected Site in Zürich-Reckenholz starten und drei Jahre dauern.
Protected Site?
Bei der Protected Site handelt es sich um ein umzäuntes und bewachtes Versuchsfeld am Agroscope-Standort im Norden der Stadt Zürich. Eingerichtet wurde es im Auftrag des Bundes. Das Feld steht Forschenden aus der Schweiz offen, die Grundlagenforschung oder anwendungsorientierte Forschung betreiben möchten.
Zwar sei der Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in der Schweiz noch bis 2025 verboten, doch «die Forschung im Feld ist von diesem Moratorium ausgenommen und unter strengen Auflagen möglich», erklärt Roland Peter, Leiter des Agroscope-Forschungsbereichs Pflanzenzüchtung.
Das ist geplant
Es soll erforscht werden, ob Gerstenplanzen der Sorte «Golden Promise», bei denen mithilfe der sogenannten Genschere Crispr/Cas9 (siehe Box) bestimmte Gene deaktiviert wurden, mehr Ertrag bringen als genetisch unveränderte Gerstenpflanzen. Gemeinsam mit Forschenden der Freien Universität Berlin will das Agroscope-Team auch untersuchen, ob das Ausschalten noch weitere Eigenschaften verändert als nur den Ertrag.
Crispr/Cas9: Komplizierter Name, grosse Hoffnung
Crispr/Cas9 ist nach Einschätzung des renommierten Fachjournals «Science» der wissenschaftliche Durchbruch des Jahres 2015. Denn die Technik ermöglicht es, das Erbgut sämtlicher Lebewesen beliebig zu verändern. Mit Crispr können Forscher Gene ausschalten, defekte durch korrekte DNA-Teile ersetzen oder neue Gensequenzen einfügen.
Die Forschenden planen, während der ganzen Wachstumsperiode verschiedene Messungen an den Pflanzen sowie dem Erntegut durchzuführen. «Etwas Saatgut wird für die Versuche 2025 zurückbehalten und danach das restliche Material vernichtet», so Peter. «Alle Arbeiten finden unter strengen Auflagen statt, die verhindern, dass Pflanzenmaterial verschleppt wird und sich vermischt.» So soll ausgeschlossen werden, dass es in die Nahrungskette gelangt. Darum fänden die Versuche auch auf der Protected Site statt.
Darum wirds untersucht
Das Vorhaben in Reckenholz basiert auf Erkenntnissen zu Reis und Raps. Von diesen Pflanzen weiss man, dass durch das Ausschalten des Gens CKX2 der Ertrag gesteigert werden kann. Gerste besitzt zwei leicht unterschiedliche Kopien dieses Gens. Ersten Erkenntnissen zufolge stehen die Chancen gut, dass auch bei Gerste eine Ertragssteigerung erreicht werden kann.
Darum sind die Aussichten gut
Das Team aus Berlin hat gemeinsam mit Forschenden des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) Gerstenlinien erzeugt, bei denen beide Kopien ausgeschaltet waren. Diese Linien entwickelten im Gewächshaus mehr Körner pro Ähre. Die Feldstudie in Zürich-Reckenholz soll nun klären, ob diese Ergebnisse auch unter realen Bedingungen Bestand haben und ob die Deaktivierung beider Gen-Kopien erforderlich ist, um den Ertrag zu maximieren.
Wie denkst du über den geplanten Feldversuch?
Darum setzt das Reckenholz-Team auf Crispr/Cas9
Die Crispr/Cas9-Technologie ermöglicht es, genetische Veränderungen ohne Einführung fremden Erbguts vorzunehmen. Das unterscheidet den nun geplanten Feldversuch von früheren Versuchen auf der Protected Site. Die Veränderungen, die die Forschenden nun mithilfe von Crispr/Cas9 vorgenommen hätten, könnten auch durch zufällige, natürliche Mutation entstehen, betont Agroscope. Trotzdem würden diese Gersten als gentechnisch veränderte Pflanzen (GVP) behandelt. «Dies, weil das angewandte Verfahren neu ist und ins Pflanzengenom eingreift.» Daher habe der Feldversuch auch eine Bewilligung des Bafu gebraucht.
Darum versucht man, die Erträge zu erhöhen
Gerste ist eine der wichtigsten und ältesten Getreidearten. Während die schnell wachsende Wintergerste vor allem als Tierfutter verwendet wird, spielt in der menschlichen Ernährung vor allem die Sommergerste eine Rolle. Auch bei der Bierproduktion kommt Sommergerste zum Einsatz. Ein höherer Ertrag ist aus Sicht von Forschenden aus mehreren Gründen wünschenswert. Drei Beispiele:
Steigende Nachfrage decken: Die Weltbevölkerung wächst kontinuierlich und mit ihr steigt auch die Nachfrage nach Lebensmitteln und Futtermitteln.
Ressourceneffizienz verbessern: Landwirtschaftliche Flächen sind begrenzt und in vielen Teilen der Welt bereits stark genutzt. Durch die Steigerung des Ertrags pro Hektare kann die Effizienz der vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen verbessert werden.
Anpassung an den Klimawandel: Der Klimawandel stellt eine zunehmende Herausforderung für die Landwirtschaft dar, da er zu veränderten Niederschlagsmustern, häufigeren Extremwetterereignissen und steigenden Temperaturen führt. Höhere Erträge können dazu beitragen, die Resilienz der Landwirtschaft gegenüber diesen Veränderungen zu stärken.
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