Nukleare KatastropheHier sind deine Chancen am grössten, einen Atomschlag zu überstehen
Was tun, wenn eine Atombombe einschlägt? Forschende sind der Frage nun nachgegangen. Ihre Simulationen zeigen, wo man bei einer nuklearen Explosion am sichersten ist.
Die erste Atombombe der Welt explodierte in der Wüste von New Mexico: Am 16. Juli 1945 begann mit dem «Trinity-Test» das Zeitalter der Atombombe.
20minDarum gehts
Niemand möchte sich wohl einen Atombomben-Angriff auf bewohntem Gebiet vorstellen.
Zypriotische Forschende haben sich mit dem Thema dennoch intensiv befasst.
Mittels Simulationen berechneten sie, wo man in Innenräumen am wenigsten gefährdet ist.
Dabei konzentrierten sie sich auf die gewaltige Druckwellen, die von Atomexplosionen ausgehen.
Vor fünf Jahren noch stand die Weltuntergangsuhr auf zwei Minuten vor zwölf. Vor drei Jahren wurden ihre Zeiger auf 100 Sekunden vorgestellt. Damit steht die «Doomsday Clock» (siehe Box) der zwölf so nah wie noch nie. Zumindest bist jetzt. Denn möglicherweise rücken wir in der nächsten Woche noch näher. Die Entscheidung des Bulletin of Atomic Scientists soll am 24. Januar 2023 bekannt gegeben werden.
Doch unabhängig davon, wie die Entscheidung ausfallen wird: Die gefühlte Bedrohung durch einen Atomangriff ist so gross wie schon lange nicht mehr. Schliesslich droht der Kreml im Zuge des Angriffskriegs auf die Ukraine immer wieder mit einem Atomschlag gegen den Westen. Zuletzt erklärte der russische Präsident Putin, Atomwaffen auf die Krim verlegen zu wollen.
Das zeigt die Weltuntergangsuhr
Die Weltuntergangsuhr soll Gefahren für die Erde und die Menschheit visualisieren. Sie zeigt an, wie viele metaphorische «Minuten bis Mitternacht» der Menschheit noch bleiben. Je nachdem wie die Macher die globalen Gefahren einschätzen und ob sie zu- oder abnehmen, wird die Uhr vor- oder zurückgestellt. Die Beurteilung dafür nimmt das Bulletin of Atomic Scientists vor.
Als die «Doomsday Clock» im Jahr 1947 lanciert wurde, orientierte sich die Verantwortlichen allein an der Bedrohung durch Atomwaffen. Im Jahr 2007 begann das Bulletin, katastrophale Störungen durch den Klimawandel in seine Überlegungen zur Aufstellung der Uhr einzubeziehen. Am weitesten entfernt von ihrer Selbstzerstörung war die Welt in den vergangenen Jahrzehnten demnach 1991, also kurz nach Ende des Kalten Krieges. Damals zeigte die Uhr 17 Minuten vor zwölf an. Das »Bulletin of the Atomic Scientists« ist eine Organisation, die ein gleichnamiges Fachmagazin herausgibt, das 1945 vom Physiker Albert Einstein und Wissenschaftlern der Universität von Chicago gegründet worden war.
Gewaltige Energien freigesetzt
Bei einer Atombombenexplosion werden riesige Mengen Energie freigesetzt. Das zeigte bereits der erste Atombombentest der Welt (siehe Video oben). Die gemessene Sprengkraft beim Trinity Test erreichte 21 Kilotonnen TNT und riss einen drei Meter tiefen und 330 Meter breiten Krater in den Sand. Auch die US-Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki zeigten, zu was Atombomben im Stande sind. An beiden Orten starben damals auf einen Schlag jeweils rund 70’000 Menschen.

Ausmass des Feuers und der Druckwelle in Hiroshima, 1945.
Wikimedia Commons/PDFest steht: Wenn eine Atombombe explodiert, gibt es in unmittelbarer Nähe keinen guten Ort, um sich dort aufzuhalten. Denn alles, was dem Feuerball zu nahe ist, verdampft sofort. Und die starke Strahlung ist selbst aus der Entfernung noch gefährlich. «Duck and cover» (Deutsch: in Deckung gehen), wie es damals in den USA die Zeichentrick-Schildkröte Bert the Turtle lehrte (siehe Video unten), reicht also nicht aus.
Im Animationsfilmchen «Duck and Cover» von 1951 zeigt Schildkröte Bert The Turtle Schuldkindern, wie sie sich bei einer Atombombenexplosion verhalten sollten.
(Video: Archer Productions, Inc.)
Durch Simulation die Überlebenschancen verbessern
Zudem entsteht durch die Explosion eine massive Druckwelle. Durch sie erreicht die Luft Geschwindigkeiten, die stark genug sind, um Menschen schwere Verletzungen zuzufügen. Sich davor zu schützen ist draussen nicht möglich. Und im Innern? Das haben Forschende der Universität Nikosia auf Zypern nun untersucht. Dafür simulierten sie die Atombombenexplosion, wie sie eine typische Interkontinentalrakete mit einem 750-Kilotonnen-Sprengkopf verursachen könnte. Zum Vergleich: Die Sprengkraft der Atombomben, die über Japan abgeworfen wurden, lag bei etwa 16 und 24 Kilotonnen.
Die vom Team um Dimitris Drikakis simulierte Baustruktur enthielt Räume, Fenster, Türen und Korridore und ermöglichte es den Forschenden, die Geschwindigkeit der Luft nach der Druckwelle zu berechnen, um daraus auf jene Plätze zu schliessen, die die höchste Überlebenswahrscheinlichkeit bieten. Das Ergebnis ist im Fachjournal «Physics of Fluids» veröffentlicht.
Der Explosion zugewandte Ecken sind am sichersten
Demnach reicht es nicht aus, sich einfach nur in einem stabilen Gebäude aufzuhalten, um glimpflich davonzukommen. Enge Räume können die Luftgeschwindigkeit enorm erhöhen, der rasende Sturm kann von den Wänden reflektiert werden und im Extremfall Kräfte erzeugen, die dem 18-fachen des Körpergewichts eines Menschen entsprechen, so die Forschenden. Am gefährlichsten seien Fenster, Korridore und Türen.
«Die Menschen sollten sich daher von diesen Orten fernhalten und sofort Schutz suchen. Selbst in einem vorderen Raum, der der Explosion direkt zugewandt ist, kann man den schlimmsten Folgen der hohen Windgeschwindigkeiten entgehen, wenn man sich an den der Explosion zugewandten Ecken der Wand aufhält», erklärt Co-Autor Ioannis Kokkinakis.
Schweiz auf nuklearen Notfall schlecht vorbereitet
Neben dem Aufenthaltsort spielt auch Tempo eine grosse Rolle: Die Forschenden betonen, dass die Zeit zwischen der Explosion und dem Eintreffen der Druckwelle nur wenige Sekunden beträgt. Entsprechend wichtig sei es, sich schnell in Sicherheit zu bringen. «Zudem wird es zu erhöhten Strahlungswerten, unsicheren Gebäuden, beschädigten Strom- und Gasleitungen sowie Bränden kommen», so Drikakis. Er empfiehlt, sich über all diese Faktoren Gedanken zu machen und sofortige Notfallhilfe in Anspruch nehmen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hoffen, dass ihre Erkenntnisse niemals in der Praxis angewendet werden müssen. Sie sind aber der Meinung, dass das Verständnis der Auswirkungen einer Nuklearexplosion dazu beitragen kann, Verletzungen zu vermeiden und die Rettungsmassnahmen zu steuern. Ein Rat, der hierzulande im Falle eines Falles besonders wichtig sein könnte. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Schweiz schlecht vorbereitet wäre, wenn es zu einem nuklearen Notfall käme.
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