LenacapavirDiese Depotspritze schützt effektiv vor HIV-Infektionen
Seit einigen Jahren gibt es wirksame Mittel zum Schutz vor einer HIV-Infektion. Allerdings müssen sie täglich genommen werden. Das ist bei Lenacapavir anders – was ein immenser Vorteil sein kann.
Darum gehts
Lenacapavir schützt effektiv vor HIV und muss nur alle sechs Monate gespritzt werden.
Das Medikament bietet einen nahezu vollständigen Schutz und ist komfortabler als tägliche Tabletten.
In ärmeren Ländern könnte Lenacapavir eine grosse Erleichterung sein, jedoch sind die Kosten ein Problem.
Die Studienergebnisse zeigen eine Reduktion des Infektionsrisikos um 96 Prozent im Vergleich zur Hintergrundinzidenz.
Eine halbjährliche Injektion mit dem Medikament Lenacapavir schützt effektiv vor einer Infektion mit HIV. Das bestätigen Daten der zulassungsrelevanten Phase-3-Studie «Purpose 2», die im «New England Journal of Medicine» («NEJM») vorgestellt werden. Mit Lenacapavir sei ein echter Durchbruch gelungen, lobte Astrid Berner-Rodoreda vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Als Depotspritze schützt Lenacapavir anhaltend vor einer Infektion mit HIV, alle sechs Monate ist eine Auffrischung vorgesehen – bisher verwendete Mittel zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wie Truvada müssen täglich als Tablette genommen werden. Sich den Wirkstoff zweimal jährlich injizieren zu lassen, sei wesentlich komfortabler als täglich an die Einnahme einer Tablette denken zu müssen, sagte Berner-Rodoreda.
Tabletten machen das Umfeld misstrauisch
Hinzu komme ein bestimmter Effekt: Gerade in einigen stark von HIV betroffenen Ländern gebe es bei der täglichen Einnahme von Tabletten das Risiko, im Umfeld als vermeintlich HIV-positiv abgestempelt zu werden. Eine nur zweimal jährlich verabreichte Spritze lasse sich weitaus besser geheim halten. Darum stehe ausser Frage, dass Lenacapavir eine «riesen Erleichterung» für viele Menschen darstelle.
Wie wichtig findest du es, dass neue Medikamente wie Lenacapavir in ärmeren Ländern zugänglich gemacht werden?
Wie schon die Vorgängerstudie «Purpose 1» wurde die Auswertung aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse vorzeitig beendet, um das Medikament allen Probanden und Probandinnen zur Verfügung stellen zu können, wie es vom Hersteller Gilead hiess. Für Lenacapavir solle nun die Zulassung als HIV-Schutz in zahlreichen Ländern beantragt werden. Gezielt werde an einer Versorgung auch in ärmeren Ländern gearbeitet.
Prophylaktische Einnahme bei Risikopatienten
Das Mittel soll prophylaktisch Menschen mit hohem HIV-Infektionsrisiko angeboten werden. Es hemmt den Lebenszyklus des Virus in mehreren Stadien der Infektion. Von der Effizienz her sei Lenacapavir mit Truvada vergleichbar, erklärte Max von Kleist von der Freien Universität Berlin. Beide böten einen hervorragenden, nahezu kompletten Schutz.
Bei den Ergebnissen der beiden «Purpose»-Studien wirke es zwar so, als gebe es in den mit Tabletten versorgten Kontrollgruppen anteilig einige Infektionen mehr – die Daten täuschten aber, erläuterte der Leiter der Forschungsgruppe «Mathematics for Data Science». Vielfach seien die Tabletten nicht regelmässig oder gerade zum Ende des Untersuchungszeitraums auch gar nicht mehr genommen worden. Dass es dann zu Infektionen komme, verwundere nicht.
HIV: Spritze für ärmere Länder besonders relevant
Lenacapavir ist in der EU bereits zur virushemmenden Behandlung bestimmter Patienten zugelassen, die schon infiziert sind. In Deutschland wurde das Medikament dafür bisher von Gilead nicht auf den Markt gebracht. Ob es als vorbeugendes Mittel hierzulande erhältlich sein wird, sei unklar, sagte Berner-Rodoreda. Von grosser Bedeutung sei es aber ohnehin vor allem für ärmere Länder, etwa für Frauen in Afrika südlich der Sahara.
Dabei gebe es ein Problem: Zur Behandlung bei bestehender Infektion eingesetzt koste Lenacapavir in den USA rund 42'000 Dollar pro Jahr – in dieser Grössenordnung wäre es für Menschen in ärmeren Ländern unbezahlbar. Es sei zentral, dass der Zugang für solche Staaten ermöglicht werde, in denen das Mittel wirklich dringend gebraucht werde, betonte Berner-Rodoreda.
Bei wem und unter welchen Lebensumständen die Wahl auf Lenacapavir fallen sollte, müsse jeweils gut abgewogen werden, ergänzte von Kleist. Denn es gebe – wie generell bei solchen Wirkstoffen – das Risiko der Bildung von Resistenzen. Speziell bei Lenacapavir sei das Problem, dass der Wirkstoff nach einem Stopp der Injektionen noch etwa ein Jahr im Körper nachzuweisen sei. «Das fördert die Resistenzentwicklung.» Resistent kann ein Erreger werden, wenn die Dosis eines Wirkstoffes nicht ausreicht, ihn zu beseitigen, ihn aber unter Selektionsdruck setzt.
Heilung nach wie vor nicht möglich
Das HI-Virus schwächt das Immunsystem und macht den Körper anfällig für verschiedene Erkrankungen. Das Krankheitsbild heisst Aids. Bei früher Erkennung und Behandlung haben Infizierte praktisch eine normale Lebenserwartung. Komplett beseitigen lässt sich die Infektion in den meisten Fällen allerdings nicht, darum ist die lebenslange Einnahme virushemmender Medikamente nötig.
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