In Signal-GruppenchatUS-Regierung teilt Geheimpläne aus Versehen mit Journalist
In einer Chatgruppe im Messenger Signal besprachen Trumps Minister und Sicherheitschefs ihre Angriffspläne im Jemen. Mitgelesen wurden diese auch von «Atlantic»-Chefredaktor Jeffrey Goldberg.
Darum gehts
Die US-Regierung hat versehentlich geheime Kriegspläne mit einem Journalisten geteilt.
Jeffrey Goldberg, Chefredaktor von «The Atlantic», wurde in einen Signal-Gruppenchat aufgenommen.
In diesem Chat diskutierten hochrangige US-Politiker Angriffspläne für den Jemen.
Die US-Regierung unter Donald Trump hat offenbar einen Journalisten völlig unbeabsichtigt in noch unveröffentlichte Kriegspläne eingeweiht. Dies berichtet Jeffrey Goldberg, der Chefredaktor der renommierten Zeitschrift «The Atlantic». Er gibt Einblick in die Art und Weise, wie Trumps Untergebene wie Verteidigungsminister Hegseth und Vizepräsident JD Vance kommunizieren – und dabei fast alle Regeln der Geheimhaltung und Informationssicherheit brechen.
Laut Goldberg begann alles damit, dass er am 11. März auf dem kommerziellen Messenger Signal eine Kontaktanfrage von einem User namens Michael Waltz bekommen habe. Der 51-Jährige wurde von Donald Trump zu dessen Nationalen Sicherheitsberater ernannt. Goldberg rechnet aber nicht damit, dass es sich bei dem Signal-User um den echten Waltz handelt und ging stattdessen von einem Täuschmanöver aus, bei dem sich jemand als Michael Waltz ausgab. Trotzdem nahm er die Kontaktanfrage an. Der ganze Bericht von Goldberg selbst beim «Atlantic» findet sich hier.

Nachdem er unbeabsichtigt zu einer Telegram-Gruppe hinzugefügt worden war, konnte Journalist Jeffrey Goldberg über mehrere Tage die Nachrichten der US-Regierung zu geplanten Angriffen im Jemen mitlesen.
Screenshot/The AtlanticZwei Tage später nahm die Sache dann richtig Fahrt auf: Wie Goldberg in seinem Artikel schildert, erhielt er am Nachmittag des 13. März die Nachricht, dass er der Gruppe «Houthi PC small group» hinzugefügt wurde. Kurze Zeit später gingen vom User «Michael Waltz» die Nachricht ein, dass eine Gruppe zur Koordinierung von Angriffen auf die Huthi-Terroristen im Jemen eingerichtet werde und gewisse Minister und Stabschefs ihre Nominationen für die Gruppe bekanntgeben sollen.
Verteidigungsminister, Vizepräsident und CIA-Direktor
Kurze Zeit später antworteten diese: Während etwa Aussenminister Marco Rubio mutmasslich unter dem Kürzel MAR auftrat, gaben Vizepräsident JD Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und CIA-Direktor John Ratcliffe ihre Nominationen unter ihrem Klarnamen bekannt, wie der Chefredaktor des «Atlantic» berichtet. Die Gruppe umfasste auch andere User (siehe Box).
Diese Nutzer umfasste die Gruppe
Michael Waltz: Laut Goldberg war es der Nationale Sicherheitsvorsteher, der den Journalisten der Gruppe hinzugefügt hatte.
JD Vance: Der US-Vizepräsident trat in dem Chat offenbar mit seinem Klarnamen auf.
Pete Hegseth: Wie Vize Vance trat auch der US-Verteidigungsminister im Chat mit seinem Klarnamen auf.
John Ratcliffe: Der CIA-Direktor trat ebenfalls mit Klarnamen auf und nominierte einen Agenten, dessen Name von Goldberg nicht veröffentlicht wurde.
MAR: Dahinter steckt wohl US-Aussenminister Marco Rubio. Dafür spricht, dass der «MAR»-User Marco Rubios Berater ist.
TG: Hinter dem Kürzel vermutet Goldberg die Direktorin der National Intelligence, Tulsi Gabbard.
Scott B.: Bei diesem User handelt es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um den Finanzminister Scott Bessent.
Zu diesem Zeitpunkt hegte Goldberg noch Zweifel daran, dass die Elite der US-Regierung ihre vertraulichen Kriegspläne tatsächlich in einem Gruppenchat auf einem nicht-staatlichen Messenger bespricht und zu allem Übel auch noch einen renommierten Journalisten zum Chat hinzugefügt hatte.
Diese Zweifel wurden am Tag darauf deutlich abgeschwächt. Ab etwa acht Uhr morgens begann in der Gruppe eine Diskussion, bei der Vizepräsident JD Vance seine Zweifel an den von Donald Trump gewünschten Luftschlägen auf Ziele der Huthis anmeldete: «Ich bin mir nicht sicher, ob dem Präsidenten bewusst ist, wie sehr dies im Widerspruch zu seiner derzeitigen Botschaft zu Europa steht. Ich bin bereit, den Konsens des Teams zu unterstützen und diese Bedenken für mich zu behalten», schrieb der User namens JD Vance.

US-Vizepräsident JD Vance kritisierte Trumps Pläne zeitweise mit der Begründung, dass er Europa nicht schon wieder aus der Patsche helfen wolle, willigte später aber ein.
AFPVerteidigungsminister Hegseth und Sicherheitsberater Waltz argumentierten daraufhin, dass die USA das einzige Land sei, das zu solchen Angriffen fähig sei. Daraufhin schien Vance einzulenken: «Wenn du meinst, wir sollten es tun, dann tun wir es. Ich hasse es einfach, Europa wieder aus der Patsche zu helfen», schreibt er in dem Chat. Zuvor waren im Zuge der Konversation auch geheimdienstliche Informationen gepostet worden, die Goldberg zum Schutz der aktiven Agenten nicht im Detail beschreibt.
«Nachdem ich diese Diskussion gelesen hatte, erkannte ich, dass dieses Gespräch einen hohen Grad an Wahrheitsnähe aufwies. Die Texte klangen in ihrer Wortwahl und ihren Argumenten so, als wären sie von den Personen geschrieben worden, die sie angeblich abgeschickt hatten, oder von einem besonders geschickten KI-Textgenerator», so Goldberg – die letzten Zweifel sollten am Tag darauf endgültig ausgeräumt werden.
Hegseth teilte diverse Geheiminformationen
Denn am 15. März setzte Pete Hegseth in dem Gruppenchat ein «Team Update» ab, das laut dem Journalisten gespickt war mit vertraulichen Informationen, deren zu frühes Bekanntwerden für die US-Truppen schlimmstenfalls verheerend hätte sein können – so nannte der Verteidigungsminister im Signal-Chat etwa spezifische Ziele und die Verbände, die für die Angriffe eingesetzt wurden.
Da Hegseth in seiner langen Nachricht auch den Startzeitpunkt der Luftschläge genannt hatte, konnte Goldberg die Authentizität der Nachrichten spätestens jetzt verifizieren. Tatsächlich erfolgten pünktlich zum von Hegseth angekündigten Zeitpunkt die ersten Luftschläge über dem Jemen. Die Luftangriffe wurden laut Goldberg von der US-Führungsriege in dem Chat mit Gebets-Emojis, US-Flaggen und Bizeps-Symbolen gefeiert.

Dies wurde mittlerweile bestätigt: Es handelt sich tatsächlich um den US-Vizepräsidenten und hohe Politiker wie den CIA-Chef John Ratcliffe und den Nationalen Sicherheitsberater Michael Waltz.
Screenshot/The AtlanticMittlerweile ist Goldberg aus der Gruppe ausgetreten – und hat die Bestätigung, dass er tatsächlich über mehrere Tage auf seiner Signal-App mitverfolgen konnte, wie die US-Regierung ihre Angriffe auf die Huthi-Terroristen plant. «Dies scheint eine authentische Nachrichtenkette zu sein, und wir überprüfen, wie eine Nummer versehentlich der Gruppe hinzugefügt wurde» schrieb Brian Hughes, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, auf Anfrage des Journalisten. Der Gruppenchat sei «ein Beweis für die intensive und durchdachte politische Koordinierung zwischen hohen Beamten».
Experten vermuten diverse Gesetzesverstösse
Geheimdienstexperten, die von Goldstein mit dem Vorfall konfrontiert wurden, zeigen sich derweil schockiert. Nicht nur verstiessen die Mitglieder der Gruppe gegen diverse Vorschriften im Umgang mit vertraulichen oder streng geheimen Dokumenten, sie taten dies wohl auch in völlig ungesicherten Bereichen: So ist es Geheimdienstlern und Militärs nur gestattet, solche Informationen in sogenannten SCIF-Bereichen (sensitive compartmented information facility) zu besprechen.
In diesen dürfen auch keine Handys genutzt werden – Vance, Hegseth und die übrigen Chat-Mitglieder dürften also unterwegs gewesen sein und die teils hochsensiblen Daten auf ihren Handys gehabt haben, die ihnen schlimmstenfalls gestohlen werden könnten.
Zudem verstösst auch die Einstellung, dass die Nachrichten nach gewisser Zeit automatisch verschwinden, gegen ein Gesetz zur Aufbewahrung von Nachrichten von Staatsangestellten. Ungeachtet dessen schrieb Verteidigungsminister Hegseth noch stolz, dass die OPSEC (operational security, ein Sicherheitsmanagementprozess) gewährleistet sei – und dass, während sich Jeffrey Goldberg im Chat befand und jede Nachricht mitlesen konnte.
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