Israelische BlockadeHunderttausende ohne Wasser – Gazastreifen droht auszutrocknen
Israel hat die Lieferung von Strom, Treibstoff und Lebensmitteln nach Gaza eingestellt. Die Blockade hat massive Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung.
Darum gehts
Die israelische Regierung verkündete eine komplette Abriegelung des Gazastreifens.
Die Hilfsorganisationen sprechen von einer unübersichtlichen Lage.
NGOs warnen vor «Kriegsverbrechen» an der zivilen Bevölkerung.
Kein Strom, kein Essen, kein Wasser und kein Treibstoff – die israelische Regierung verkündete am Montag eine komplette Abriegelung des Gazastreifens. Gleichzeitig nimmt das israelische Militär weiterhin Ziele in Gaza ins Visier und macht ganze Blocks dem Erdboden gleich.
Welche Auswirkungen eine solche Versorgungsblockade auf die Bevölkerung in Gaza, in der über 40 Prozent der Bewohnenden unter 14 Jahre alt sind, hat, ist derzeit noch schwer abschätzbar. Klar scheint: Es herrscht Chaos.
Stromversorgung soll bereits eingestellt sein
Mehrere Hilfsorganisationen mit Personal vor Ort, die 20 Minuten am Dienstag angefragt hat, konnten sich zur aktuellen Lage noch nicht oder nur kurz äussern: Die Situation sei noch zu unübersichtlich. Einige Hilfsorganisationen haben ihre Arbeit aufgrund der fortwährenden Angriffe durch Israel aus Sicherheitsgründen gar aussetzen müssen.
Die erst am Montag angekündigte Blockade im Gazastreifen soll bereits aktiv sein. Der Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), Jens Laerke, warnte am Dienstag vor der gekappten Wasserversorgung: «Diese Entscheidung betrifft mehr als 610'000 Menschen im Gazastreifen und wird zu einem schweren Mangel an Trinkwasser führen.»
In den sozialen Medien kursieren derweil nicht verifizierte Videos, die zeigen sollen, wie das israelische Militär die Wasserzufuhr nach Gaza unterbricht.

Die am Montag angekündigte Blockade im Gazastreifen soll bereits aktiv sein.
REUTERSZudem sollen laut Laerke die israelischen Behörden die Stromversorgung des Gazastreifens bereits eingestellt und die Stromzufuhr auf drei bis vier Stunden pro Tag reduziert haben. «Das Gaza-Kraftwerk ist derzeit die einzige Stromquelle und könnte in den nächsten Tagen keinen Treibstoff mehr haben», erklärte er.
Abwasser fliesst ungeklärt ins Mittelmeer
Welche Auswirkungen regelmässige Stromausfälle auf die Bevölkerung haben, zeigte eine Untersuchung aus Gaza des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) von 2021. Bei einer reduzierten Stromversorgung werde der Alltag der Bevölkerung stark eingeschränkt. Es sei fast unmöglich, die täglichen Aufgaben im Haushalt zu erledigen, da sämtliche elektrische Geräte ausfallen würden.
Ein Sprecher des IKRK vor Ort spricht von einer dramatischen Lage in Gaza. Strommangel bringe die Krankenhäuser in Gefahr und ausgefallene Kläranlagen führten dazu, dass das Abwasser ungefiltert ins Mittelmeer fliesse. Das ungeklärte Abwasser habe zur Folge, dass sich antibiotikaresistente Bakterien rasch verbreiten und die Gesundheit der Bevölkerung gefährden.
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel begann das Land den Gazastreifen zu bombardieren. Plestia Alaqad, eine junge Frau aus Gaza, erzählt auf Instagram, wie prekär die Lage vor Ort ist.
NGOs warnen vor «Kriegsverbrechen»
Für das Vorgehen Israels hagelt es international scharfe Kritik. UN-Generalsekretär António Guterres hat sich besorgt über die Belagerung des Gazastreifens geäussert. Er sei «zutiefst erschüttert» über die als Reaktion auf den Grossangriff der Hamas verhängte Massnahme. «Die humanitäre Lage im Gazastreifen war schon vor den Kämpfen extrem schlecht, jetzt wird sie sich noch exponentiell verschlechtern.»
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Völker Türk, äusserte sich noch deutlicher: «Die Auferlegung von Belagerungen, die das Leben von Zivilisten gefährden, indem sie ihnen überlebenswichtige Güter vorenthalten, ist nach dem humanitären Völkerrecht verboten.» Die NGO «Human Rights Watch» nennt die Blockade gar eine «Kollektivbestrafung, die ein Kriegsverbrechen darstellt».
SIG nimmt Stellung
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund SIG nimmt zur Situation im Gazastreifen Stellung: Man könne grundsätzlich die militärisch-taktischen Entscheidungen oder Massnahmen seitens Israels nicht beurteilen. «Es ist aber klar, dass Israel das Recht auf Selbstverteidigung hat. Der Beginn der Eskalation liegt bei den grausamen und unmenschlichen Terrorangriffen der Hamas seit Samstag», so Generalsekretär Jonathan Kreutner.
Die israelische Botschaft in Bern konnte am Dienstag keine Fragen zur Kritik am Vorgehen Israels beantworten.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Trauma erlitten?
Hier findest du Hilfe:
Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Angehörige.ch, Beratung und Anlaufstellen
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
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