Experte warntKameras an Recyclingstellen könnten zum «Überwachungsstaat» führen
Weil an diversen Entsorgungsstellen immer wieder unrechtmässig Abfall entsorgt wird, setzen deren Betreiber zunehmend auf Videoüberwachung. Ein Datenschutzexperte beobachtet diese Entwicklung besorgt.
Darum gehts
An Recyclingstellen in Supermärkten finden sich zunehmend Kleber, die auf Überwachungskameras hinweisen.
Mit der Videoüberwachung gehen die Betreiber gegen Personen vor, die ihren Abfall nicht fachgerecht entsorgen.
Laut Anwalt Martin Steiger kann diese Entwicklung einen Beitrag zum Überwachungsstaat leisten.
Verschiedene Supermärkte in der Schweiz bieten ihrer Kundschaft die Möglichkeit, rezyklierbare Güter wie Kaffeekapseln, Batterien oder Plastikflaschen an entsprechend bezeichneten Recyclingstellen innerhalb des Geschäfts zu entsorgen. So etwa die Migros-Filiale in der Mall of Switzerland, die 2017 eröffnet wurde.
Im Extremfall droht eine Anzeige
An der Recyclingstelle weist ein blauer Kleber darauf hin, dass der Bereich videoüberwacht ist. Wie die Betreiber der Mall of Switzerland gegenüber Nau.ch sagen, habe man sich zu dem Schritt entschieden, weil man auf dem Areal eine Zunahme von «nicht gesetz- und zweckmässigen Abfallentsorgungen» beobachte. «Die Abfallsünder werden mit einer sehr hohen Aufklärungsquote verfolgt, bei gravierenden Verstössen wird je nachdem auch eine Anzeige erstattet», heisst es weiter.
Was hältst du von videoüberwachten Entsorgungsstellen?
Auch die Migros schreibt auf Anfrage von Nau.ch, dass einzelne Entsorgungsstellen in bestimmten Filialen «punktuell» überwacht würden. So etwa in den Standorten Steinmaur, Kollbrunn und Richterswil. Anders sieht es in Bern aus: «Eine Videoüberwachung wäre nicht verhältnismässig und kommt daher für uns nicht in Frage», sagt Lorenzo Bonati, Mediensprecher bei der Stadt Bern.
«Kann Beitrag zum Überwachungsstaat leisten»
Auch Martin Steiger, Anwalt und Datenschutzexperte, warnt vor Gefahren bei Kameras in Supermärkten. «Videoüberwachung in einem privaten Einkaufszentrum kann einen Beitrag zum Überwachungsstaat leisten», mahnt er. Dies sei vor allem davon abhängig, wie die Überwachung umgesetzt werde und ob auch Polizei und andere Behörden Zugriff auf die Aufnahmen hätten.
«Grundsätzlich kann es sinnvoll sein, Recyclingstellen mit Kameras zu überwachen. Betroffene Personen müssen aber klar erkennen, dass sie überwacht werden», so Steiger. Zudem sollen die Aufnahmen im Idealfall nach 24 Stunden gelöscht werden, und nur ausgewählte Personen sollen Zugriff haben. Bei konkreten Vergehen könnten dann ausgewählte Aufnahmen für etwaige Ermittlungen länger gespeichert werden.
Laut dem Datenschutzexperten ist der mögliche Beitrag an den «Überwachungsstaat» bei einer datensparenden Umsetzung gering. Ausserdem dürfte auch eine kommende Änderung des Datenschutzgesetzes künftig dafür sorgen, dass betroffene Personen eher feststellen, dass sie gefilmt werden. Denn ab dem 1. September 2023 reicht der «Video control»-Kleber nicht mehr. Künftig müssen die Identität des Verantwortlichen sowie dessen Kontaktdaten ersichtlich sein.
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