Kommt jetzt der nächste Prämienhammer?CSS-Chefin: «Die Gesundheitskosten steigen ungebremst»
Philomena Colatrella, CEO der grössten Schweizer Krankenkasse CSS, ordnet die Gesundheitsstudie im Gespräch mit 20 Minuten ein. Und deutet an, dass die Prämien weiter steigen könnten.
Darum gehts
CSS-Chefin Philomena Colatrella spricht im 20-Minuten-Interview über das Gesundheitsempfinden der Schweizer.
Auch aktuelle gesundheitspolitische Themen wie Prämienkosten, die Abnehmspritze oder Massnahmen zur Kostensenkung werden diskutiert.
Colatrella spricht sich gegen eine Einheitskasse aus, befürwortet aber die Reform zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen.
Wie schätzen Sie die Gesundheit der Schweizerinnen und Schweizer allgemein ein? In der CSS-Gesundheitsstudie ist das erste Mal seit der Corona-Pandemie wieder ein leichter Aufwärtstrend zu verzeichnen.
Das Gesundheitsgefühl der Schweizer Bevölkerung scheint sich vorläufig stabilisiert zu haben, allerdings auf einem Niveau, das deutlich niedriger ist als vor der Pandemie. Klar ist: Die Pandemie hat Fragen und das Bewusstsein um das eigene Wohlbefinden viel stärker ins Zentrum gerückt.
Allerdings fühlen sich nur 15 Prozent sehr gesund, seit Beginn der Studiendurchführung ist das der schlechteste Wert.
Die Frage ist: Wie versteht man Gesundheit? Ich glaube, viele Menschen sind in der Beurteilung eher vorsichtig bis pessimistisch, wie erwähnt auch wegen der Erfahrungen aus der Pandemie. Ich kann mir vorstellen, dass hier auch viele zusätzliche Faktoren eine Rolle spielen, gerade auch die aktuelle geopolitische Lage und die Flut an Nachrichten aus den mittlerweile zahlreichen Krisen und Kriegen. Andererseits sehen wir natürlich Parallelen zwischen den Ergebnissen der Gesundheitsstudie und den Gesundheitskosten: Diese steigen seit der Pandemie laufend und eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Stichwort Leistungsgesellschaft: 57 Prozent der Befragten geben an, dass sie unter Druck stehen, immer fit und leistungsfähig sein zu müssen. Warum?
In der Studie fällt auf, dass auch die Work-Life-Balance zunehmend schlechter bewertet wird. Das Bedürfnis nach Ausgeglichenheit kollidiert offenbar mit den Anforderungen der modernen Leistungsgesellschaft. Dieser empfundene Druck wird wohl auch mit den Herausforderungen unserer digitalen Gesellschaft zu tun haben: die ständige Erreichbarkeit, die verlangt wird, und die Flut an Informationen, die man verarbeiten muss. Man ist auf zig Kanälen ständig erreichbar und muss schnell reagieren. Das kann erschöpfen.
Die Frage, die viele Menschen umtreibt: Werden die Prämien im kommenden Jahr noch mal höher?
Dazu darf ich noch nichts sagen. Was sich aber sagen lässt: Die Prämien sind nichts anderes als ein Abbild der Gesundheitskosten. Und diese steigen vorläufig ungebremst ...
Ein Vorschlag, um die Kosten zu senken, wären einkommensabhängige Prämien.
Das haben wir in der Schweiz auf gewisse Weise schon. Aktuell erhalten 28 Prozent der Bevölkerung eine Prämienverbilligung, in manchen Kantonen mehr als jeder Dritte. Diese wird aus Steuern finanziert.
Welche Massnahme zur Kostensenkung im Gesundheitssystem fändest du gut?
Im Zusammenhang von Kostensenkungen ebenfalls diskutiert: Die Einheitskasse. Müssten Sie dann um Ihren Job fürchten?
Mit meinem Job hat das nichts zu tun. 95 Prozent der Kosten im Gesundheitssystem sind Gesundheitskosten, nur fünf Prozent sind Betriebskosten. Damit würden Sie das Problem nicht an der Wurzel packen. Wir müssen jetzt Reformen umsetzen, die einen echten Einfluss haben, wie zum Beispiel die zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen.
Warum befürworten Sie die Reform?
Ich bin überzeugt: Das ist die Reform der letzten Jahrzehnte. Der Trend geht richtigerweise hin zu mehr Ambulantisierung und einer Stärkung der ärztlichen Netzwerke. Bisher werden Fehlanreize dadurch gesetzt, dass sich die Kantone an Spital-, aber nicht an ambulanten Behandlungskosten beteiligen. Für das Gesundheitssystem ist das zwar günstiger, es belastet aber den Prämienzahler zu stark. Wenn die Vorlage in Kraft tritt, könnten grosse Einsparungen realisiert werden, die von 400 Millionen bis in die Milliarden Franken gehen könnten.
Ein ganz aktueller Kostentreiber ist die Abnehmspritze «Wegovy». Was für Kosten fallen da an?
Der Zugang zu neuen, innovativen Behandlungsmöglichkeiten ist selbstverständlich begrüssenswert, hat aber seinen Preis. Derzeit fallen über 20 Prozent aller Kostengutsprache-Gesuche für Medikamente auf diese Abnehmspritze. Für die CSS dürften in diesem Zusammenhang im laufenden Jahr Kosten von rund 35 Millionen Franken entstehen.
Viele Schweizer befürworten eine Prämienverbilligung für Personen mit gesundheitsbewusstem Verhalten – können wir bald damit rechnen?
Bei den Zusatzversicherungen haben wir diese Anreize schon: Die CSS tut dies beispielsweise auf unserer Active-365-Plattform. Die Versicherten werden belohnt, wenn sie sich gesundheitsbewusst verhalten. Ganz grundsätzlich finde ich, dass wir beim Thema Prävention in unserem Gesundheitssystem grossen Nachholbedarf haben. Da bräuchten wir definitiv einen Paradigmenwechsel.
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