Vom FDP-Shootingstar zum Ampeltöter: Was treibt Christian Lindner an?

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Krise in DeutschlandVom FDP-Shootingstar zum Ampeltöter: Was treibt Christian Lindner an?

Der FDP-Finanzminister hat mit ultimativen Forderungen seine Koalitionspartner hässig gemacht und das Ende der Ampel provoziert. Ein riskantes Kalkül.

FDP-Finanzminister Christian Lindner wurde entlassen. Damit bricht die Ampelkoalition auseinander. Ihre Geschichte begann mit einem Selfie: ...
... Am Abend des 28. September 2021 tauchte es auf den Instagram-Accounts des FDP-Chefs Christian Lindner, seines Generalsekretärs Volker Wissing sowie der beiden Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck auf. Unterschrift: «Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.»
Die Ampel-Episode endete im November 2024. Lindner verlässt mit seinen Entlassungsbefehl des Bundespräsidenten am 7. November das Präsidialschloss Bellevue in Berlin.
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FDP-Finanzminister Christian Lindner wurde entlassen. Damit bricht die Ampelkoalition auseinander. Ihre Geschichte begann mit einem Selfie: ...

AFP

Darum gehts

  • Olaf Scholz hat Finanzminister Christian Lindner entlassen.

  • Lindners wirtschaftspolitische Forderungen hatten das Auseinanderbrechen der unbeliebten Ampelkoalition provoziert.

  • Er sei einer, der Gegenwind liebe, heisst es über den 45-Jährigen, der einen gewissen Glamourfaktor in die deutsche Politik brachte.

  • Der Enkel eines Bäckers und Sohn eines Lehrers dürfte die Krise als Chance für die FDP sehen – ein riskantes Kalkül.

Er sei «kleinkariert und verantwortungslos» und habe sein «Vertrauen zu oft gebrochen». Mit diesen Worten endete gestern Abend die politische Zweckehe zwischen Olaf Scholz (66) und Christian Lindner (45) fast so dramatisch wie eine Telenovela. Jetzt steht der gestern Abend entlassene Finanzminister mit im Zentrum des politischen Erdbebens, das den Zusammenbruch der Ampel-Koalition ausgelöst hatte.

Besonders zu stören scheint Lindner das nicht. Sein Optimismus stehe «in groteskem Kontrast zu seiner Lage und dem Eindruck, dass alles zu Ende geht: die Ampel, seine Karriere, vielleicht die Stabilität des politischen Systems», schreibt der «Stern».

Lindner schrieb Parteigeschichte

Mit Crashes kennt sich der begeisterte Motorradfan aus. Schon während seines Studiums der Politikwissenschaften fuhr er eine von ihm mitgegründete Firma und die Werbeagentur, die er mit zwei Freunden aufbaute, an die Wand. Er habe sein Scheitern auch als Chance gesehen, so der Enkel eines Bäckers und Sohn eines Lehrers rückblickend.

Umso mehr klappte es mit der politischen Karriere. Mit 18 Jahren trat er der FDP bei, mit 34 wurde er zum jüngsten Bundesvorsitzenden der Parteigeschichte gewählt. Er holte die FDP aus ihrer Versenkung zurück in die Parlamente und führte sie als Finanzminister schliesslich in die Regierung, als ihn Olaf Scholz im Dezember 2021 zum Finanzminister seiner Ampelregierung und zu seinem zweiten Stellvertreter ernannte.

Bootsschein, Jagdschein, «Wein-Examen»

Als der FDP-Shootingstar die damalige RTL-Reporterin Franca Lehfeldt in Keitum auf Sylt heiratete – auch Scholz war zu Gast –, brachte er auch einen Glamourfaktor in die Bundespolitik.

In Interviews äusserte er den Wunsch, eines Tages Kinder haben zu wollen und dass er sich jedes Jahr ein Projekt zur persönlichen Weiterentwicklung gönnt: Lindner hat einen Bootsschein, einen Jagdschein und ein «Wein-Examen, Level 3». Und auch einen Porsche und eine teure Uhr. «Die schneidende Arroganz, das Schnöselhafte» an ihm irritiere viele, schreibt der «Stern».

Kalkül

Andere Politiker suchten Zuspruch, Lindner lebe vom Gegenwind, heisst es. Jetzt hat er einen Sturm geerntet: Seine Forderungen nach einer vollkommenen Neuausrichtung der deutschen Klimapolitik oder Abschaffung des Solidaritätszuschlags waren ein Angriff auf die Kernanliegen seiner grünen und sozialdemokratischen Koalitionspartner.

Das sei möglicherweise sein Kalkül gewesen, spekulieren jetzt einige. Für Lindner sei klar, dass die FDP – sie liegt seit Wochen bundesweit unter fünf Prozent – von den Wählenden nicht wegen ihres Programms abgestraft werde, sondern weil sie an der unbeliebtesten deutschen Regierung beteiligt sei. Einmal von der Ampel befreit, könne die FDP nun für sich um Stimmen kämpfen – und sich mit Lindner als aufrechten Kämpfer gegen den Schuldenexzess der Regierung profilieren.

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